Aus für Ladengeschäfte
Elektronik-Riese geht neue Wege: Conrad versorgt nun vor allem Unternehmen

21.11.2022 | Stand 15.09.2023, 2:49 Uhr
Mit leicht verändertem Logo: Conrad Electronic auf der Messe Electronica 2022 in München −Foto: Mirja Kofler

Der Abschied ist vollzogen. Filialen für Privatkunden sind Vergangenheit. Conrad versorgt nun vor allem Unternehmen mit Elektronik.



Vorbei die Zeiten, als Conrad als „blauer Mediamarkt“ um private Kunden buhlte, die Fernseher, Handys oder Unterhaltungselektronik begehren. „Das sind wir nicht mehr“, erklärte Vorstandsvorsitzender Ralf Bühler am Montag beim Jahrespressegespräch am Stammsitz in Hirschau (Landkreis Amberg-Sulzbach). Heute sei Conrad weitgehend eine „führende europäische Beschaffungsplattform für technischen Bedarf“ von Geschäftskunden.

Das Filialisten-Dasein ist vorbei. Nur noch in Wernberg wird eine Filiale mit vollem Engagement weiter betrieben. Auch in Österreich ist Schluss damit. Der Standort Regensburg befindet sich in der Umbauphase hin zur sogenannten „B2B-Filiale“, also zum Geschäft für Profi-Kunden. Eine weitere Präsenz für Geschäftskunden entsteht in Mannheim. Den Pilotladen in Köln/Hürth gibt es bereits. Aus den Erfahrungen mit diesen Plätzen werde entschieden, inwieweit das Netz ausgebaut wird. Die Idee: Geschäftskunden sollen vor Ort ihren Bedarf mit dringend benötigten Teilen schnell decken können. Zudem werden sehr hochwertige Produkte angeboten, etwa Cobots (Roboter, die mit Menschen zusammenarbeiten), die schon mal eine fünfstellige Summe kosten und die man nicht eben mal auf Verdacht im Netz ordert.

Filialabbau kostete Stellen

Die Streichung der Ladengeschäfte hat Arbeitsplätze gekostet, auch wenn das Unternehmen betroffenen Mitarbeitern Stellen in verbleibenden Bereichen angeboten hatte. Etwa 200 Arbeitsplätze fielen zuletzt weg, so Bühler. Dennoch sei Conrad nichts anderes übriggeblieben. Die Kunden kauften, das habe die Corona-Zeit nachhaltig gezeigt, Elektronik vor allem online.

Nun beschäftigt der Elektronikriese in der Gruppe mit Präsenzen in 17 europäischen Ländern rund 2500 Mitarbeiter. Davon arbeiten rund 600 am Logistik-Standort Wernberg und ca. 700 in der Zentrale in Hirschau.

Seit fünf Jahren baut sich Conrad selbst um, hat die Kataloge abgeschafft. Hätte man den Katalog fortgeführt, würde allein dessen Herstellung nun vier Millionen Euro Mehrkosten verursachen, sagte Bühler. Stattdessen wurde neben der Hinwendung zum Profi-Handel ein Online-Marktplatz etabliert. Diesen Wandel hätten viele Kunden und Partner noch nicht ausreichend wahrgenommen. Deshalb sei die vor kurzem beendete Fachmesse „Electronica“ in München (wir berichteten) wichtig gewesen, um diese Botschaft zu transportieren.

Der neue Schwerpunkt

Der Umbau sei weit fortgeschritten. Heute mache Conrad 70 bis 75 Prozent seines Umsatzes im Profi-Geschäft. Das Segment wachse jährlich um acht bis zehn Prozent. Ungefähr die Hälfte des Zuwachses sei aktuell der Inflation geschuldet, die andere Hälfte einem zunehmenden Volumen. Es könne auch weiterhin jeder Privatkunde bei Conrad bestellen, so Bühler – nur eben ausschließlich online.

Mit dem zusätzlichen Online-Marktplatz erreiche Conrad heuer rund 100 Millionen Euro Umsatz. Das Sortiment sei binnen weniger Jahre auf sieben Millionen Artikel angewachsen.

Für die Geschäftskunden biete Conrad eine elektronische Anbindung an, die den Einkauf für diese verbilligen soll. Vielfach seien deren Kosten, die mit dem Einkauf verbunden sind, höher als der Wert der gekauften Teile. Das solle sich damit ändern. Bereits 4000 Kunden seien angebunden, 5000 sollen es nächstes Jahr werden. Den Marktplatz gibt es heute in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Demnächst sollen Italien, Frankreich und Polen dazukommen. Auch länderübergreifender Einkauf soll möglich werden.

Weniger China

Viele Elektronik-Artikel kommen aus China. Seit mehr als 30 Jahren ist das Unternehmen dort mit einer eigenen Einkaufs-Organisation vertreten, die auch die Fabriken der Lieferanten inspiziert. Die Probleme mit den Lieferketten hätten sich spürbar entspannt. Bühler sagt, der Transport habe sich am deutlichsten normalisiert; bei Waren für Endkunden (Handys, Unterhaltungselektronik etc) sei es auch deutlich besser geworden. Doch bei professionellen Produkten (Teile für Autos oder die Stromversorgung zum Beispiel) habe es nur eine leichte Verbesserung gegeben. Conrad hat reagiert und die Lagerbestände um „mindestens 25 Prozent“ gegenüber der Vor-Corona-Zeit hochgefahren. Man suche überdies nach Alternativen zu China.

Das ist Conrad:

Gründung:Conrad Electronic steht seit 1923 für Technik und Elektronik. Im kommenden Jahr kann das Unternehmen mit dem Stammsitz Hirschau sein 100-jähriges Bestehen feiern.

Geschäftszahlen:Mit exakten Daten hält sich das Unternehmen öffentlich zurück. Vorstandschef Ralf Bühler nannte folgende Eckpunkte: Der Umsatz liege über einer Milliarde Euro. Dieses Volumen habe das Unternehmen trotz des Umbaus seit fünf Jahren in etwa gehalten. Für das Jahr 2021 stehe in der Bilanz ein Verlust von rund 50 Millionen Euro. Darin enthalten seien aber 75 Millionen Euro Kosten für den Umbau des Unternehmens. Im eigentlichen Geschäft habe Conrad demnach rund 25 Millionen Euro Gewinn erzielt.

Mitarbeiter:Conrad beschäftigt in der Gruppe insgesamt 2500 Mitarbeitende.

Besitzverhältnisse:Das Unternehmen gehört nach wie vor der Gründerfamilie Conrad.