Landkreis Neumarkt
Fledermäuse vom Aussterben bedroht: Bestände zahlreicher Arten gehen zurück

28.03.2024 | Stand 28.03.2024, 7:53 Uhr

Bestandsaufnahme in Berching (Landkreis Neumarkt): (von rechts) Leonie Matrinuzzo, Georg Knipfer, Katrin Mayer und Carola Bierschneider zählten die Fledermäuse in den Felsenkellern. Fotos: Heidi Bauer

In der Dämmerung und Dunkelheit erwachen sie. Doch jede Zählung bringt es ans Tageslicht: Die Lebensräume von Fledermäusen sind bedroht. Ein Neumarkter Experte erläutert, warum die geflügelten Säugetiere so wichtig fürs Ökosystem sind und was der Landkreis unternimmt, um sie zu schützen.



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Der dichte Nebel zieht an diesem Märzmorgen nur langsam aus dem Tal bei Berching zum Himmel. In den kahlen Bäumen zwitschern die Vögel. Durch zerfallene Eingangsportale und Stufen, die mehr Geröll als Treppe sind, steigt ein vierköpfiges Team, ausgerüstet mit Stirnlampen und Fernglas in die Tiefen der Berchinger Keller, um hier Bestandsaufnahme zu machen.

Eines der bedeutendsten Winterquartiere im Landkreis



Die alten Gewölbe seien eines der bedeutendsten Winterquartiere für Fledermäuse im Landkreis, erklärt Georg Knipfer, Koordinator für den Fledermausschutz im Landkreis Neumarkt. Am Ende eines jeden Winters werden die Tiere gezählt, um so einen Überblick zu bekommen, wie sich die Bestände entwickeln. Dafür ist eine Vielzahl ehrenamtlicher Fledermaus-Beauftragter im Landkreis im Einsatz.

Bei Berching sind an diesem Freitagvormittag mit Knipfer Biodiversitätsberaterin Leonie Martinuzzo, Carola Bierschneider, Gebietsbetreuerin beim Landschaftspflegeverband, und Fledermausbetreuerin Katrin Mayer unterwegs.

Fledermäuse tief in den Felsspalten versteckt

Nur ein paar Meter vom Eingang des Kellers entfernt ist die Gruppe fast komplett von Dunkelheit umhüllt. Es dauert einige Zeit, bis sich die Augen an die Finsternis gewöhnt haben. Doch gerade scharfe Augen sind gefragt: Die vier zählen die Fledermäuse, die in der kalten Jahreszeit hier Unterschlupf gesucht haben.



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Nur der schwache Schein von Stirn- und Handytaschenlampe erhellt das in den Fels gehauene Gewölbe. Schweigsam und konzentriert lugen die drei Frauen und der Mann in jede Spalte und Nische. „Da“, ruft Georg Knipfer und leuchtet auf etwas dunkles, das etwa 15 Zentimeter lang von der Decke hängt: Das Tierchen blinzelt irritiert – die Fledermaus-Zähler wenden den Lichtschein ab und gehen weiter. „Ein Großes Mausohr“, stellt das Team unisono fest.

Nur wenige Tiere im Winterquartier



Ein paar Meter weiter lugt Carola Bierschneider angestrengt in einen Spalt an der Decke, der den Blick in einen Hohlraum freigibt. Zwei kleine Augen blicken zurück: „Eine Fransenfledermaus“, flüstert die Gebietsbetreuerin und setzt ihren Weg weiter in die Tiefen des Kellers fort. 130 Meter lang führt dieser in den Fels und immer wieder zweigen Seitengänge ab.

Die vier Fledermaus-Zähler sind den ganzen Vormittag beschäftigt, um jeden Winkel dieses sowie weiterer Keller im Landkreis zu kontrollieren. Die Bilanz fällt durchwachsen aus: Zwar finden sie außer den beiden genannten noch drei weitere Arten – die Bart- und die Wasserfledermaus und das Braune Langohr, alles in allem aber nur 50 Tiere.

Eine der bedeutendsten Kolonien Nordbayerns



Natur- und Landschaftspfleger Knipfer führt das darauf zurück, dass ein Großteil aufgrund der für die Jahreszeit warmen Temperaturen das Winterquartier verlassen hat und ins Sommerdomizil übergesiedelt ist. Die größte Kolonie des Großen Mausohrs im Landkreis befindet sich in der Staadorfer Kirche nahe Dietfurt. Mit etwa 2400 Tieren gilt sie laut Leonie Martinuzzo als eine der bedeutendsten in Nordbayern. In Staadorf habe sich der Bestand – nicht zuletzt durch das große Engagement der ehrenamtlichen Fledermausbetreuer – von im Jahr 1986 nur 550 Tieren mehr als vervierfacht.

Ansonsten verzeichnet Georg Knipfer beim Großen Mausohr und der Fransenfledermaus Rückgänge. Man sei weit entfernt von den einstigen Beständen, gibt er zu bedenken. Am erfreulichsten sei die Zunahme der Bestände der Großen Hufeisennase, der seltensten Fledermausart in Deutschland.

Hufeisennasen vor dem Aussterben bewahrt



Sie hat ihre letzte und einzige Kolonie in Deutschland an der Grenze der Landkreise Neumarkt/Amberg-Sulzbach bei Hohenburg. Durch umfangreiche Hilfsmaßnahmen habe sie vor dem Aussterben bewahrt werden können. So wurde auf dem Truppenübungsplatz in Hohenfels extra eine Kirche wieder aufgebaut, um der Hufeisennase ein Domizil zu geben, ergänzt Leonie Martinuzzo.

Fledermäusen kommt laut Knipfer als Insektenjägern im Ökosystem eine herausragende Bedeutung zu: „Eine einzelne vertilgt bis zu 100000 Insekten in einer Saison.“ Durch den Einsatz von Insektiziden sei die Zahl der Fledermäuse in den 1980er Jahren extrem dezimiert worden. Anfang der 1990er Jahre wurde Knipfer zufolge deswegen begonnen, Gegenmaßnahmen einzuleiten und jährlich die Bestände zu zählen. Doch erholten diese sich nur allmählich, stellt der Natur- und Landschaftspfleger fest, der sich seit seiner Jugend für den Fledermausschutz engagiert.

Rund 1200 Fledermauskästen aufgestellt



Knipfer unterstreicht, wie wichtig es deswegen sei, die natürlichen Lebensräume zu erhalten: Ihre Nahrung finden Fledermäuse auf extensiv bewirtschafteten Wiesen. Naturnahe Wälder böten mit Laubbäumen, Baumhöhlen und Totholz Unterschlupf beispielsweise für Baumfledermausarten wie Bechstein-, Fransen- und Wasserfledermaus sowie Kleinen und Großen Abendsegler. Alte Keller und beispielsweise die Höhlen bei Velburg nutzen verschiedene Arten vor allem als Überwinterungsquartier. Je vielfältiger die Landschaft, umso mehr Arten siedelten sich an.

Um die Populationen zu fördern, seien in Zusammenarbeit mit dem Landesbund für Vogelschutz über den Landkreis Neumarkt verteilt rund 1200 Fledermauskästen angebracht worden. Sie würden von den Tieren angenommen, wie sich bei den regelmäßigen Kontrollen der ehrenamtlichen Betreuer zeige.

Kirchtürme sind beliebtes Sommerquartier des Großen Mausohrs, von dem laut Leonie Martinuzzo abgesehen von der in Staadorf etwa 450 Tiere die Kirche im Lengenbachtal und bis zu 200 die in Reichertshofen/ Loderbach besiedelten.

Ehrenamtliche schaufeln Hinterlassenschaften aus Kirchturm

Doch gehe es nicht ohne ehrenamtliche Hilfe, denn die Fledermäuse hinterließen in ihren Quartieren auch Spuren: In Staadorf schaufelten im November, als die Tiere ins Winterquartier ausgeflogen waren, freiwillige Helfer fast 40 Zehn-Liter-Eimer Kot aus der Kirche und auch die Nistkästen müssen regelmäßig gereinigt werden.

In Berching sanierte der Landschaftspflegeverband mit tatkräftiger Unterstützung des Obst- und Gartenbauvereins einen der Keller, nicht zuletzt mit Blick auf den Fledermausschutz.

Fledermausbetreuernetz im Landkreis Neumarkt



Fledermausbetreuer: Das Fledermausbetreuernetz im Landkreis ist ein Zusammenschluss ehrenamtlicher Fledermausfreunde. Es wird von der Unteren Naturschutzbehörde und dem Landkreiskoordinator für Fledermausschutz organisiert.

Aufgaben der Fledermausbetreuer: Zur Zeit unterstützen rund zehn ehrenamtliche Fledermausbetreuer die Untere Naturschutzbehörde. Zu ihren Aufgaben zählt es laut Georg Knipfer, Fledermauskästen zu kontrollieren, Kirchen, aber auch Abrissgebäude auf Fledermausbesatz zu überprüfen, den Bestand von Winterquartieren und Wochenstuben zu zählen. Sie sind Ansprechpartner bei Fledermausfindlingen und leisten Aufklärungsarbeit. Helfer sind jederzeit willkommen.

Informationen: Auskünfte rund ums Thema geben Landkreiskoordinator Georg Knipfer, Tel.: 09181/42115 oder E-Mail georg.knipfer@web.de, oder Leonie Martinuzzo von der Unteren Naturschutzbehörde, Tel. 09181/4701480.