Soziales
21 Kleingärtner verlassen ihre Parzellen

Die Schrebergartensiedlung neben dem Regensburger Jahnstadion scheint den ersten großen Einschnitt zu verkraften. Die Stadt zahlte großzügige Ablösen.

17.10.2013 | Stand 16.09.2023, 7:22 Uhr

Exakt vermessen und planiert: das Ersatzland, das die Stadt für die Gartenfreunde an der Dechbettener Straße hergerichtet hat, die ihren bisherigen Platz neben dem Jahnstadion räumen mussten. Doch bisher muten sich nur sieben der Betroffenen einen Neubeginn auf den frischen Flächen zu. Foto: Rieke

„Und das war meine Parzelle.“ Flotten Schrittes und ohne einen Blick zu riskieren, schreitet Elmar Sighart an einem Zaun vorbei, hinter dem er in den letzten Dekaden einen Großteil seiner Freizeit verbracht hat. Eine genauere Betrachtung wühlt den Senior auf, denn: 17 Jahre gehörte ihm und seiner Frau Erika die rund 250 Quadratmeter kleine Scholle, 17 Jahre hat das Ehepaar den Garten liebevoll und mit Sachverstand gepflegt, 17 Jahre hat es dort viele glückliche Momente erlebt – was auch an den famosen Nachbarn lag. Kurzum: „Da steckt viel Herzblut drin und da werden viele Erinnerungen wach!“

Der Herbst 2013 sollte der letzte sein, in dem die Sigharts in Garten Nr. 46 Obst und Gemüse ernteten. Denn die Vorsitzende der Kleingartenanlage und seine bessere Hälfte gehören selbst zu jenen 21 Pächtern der Siedlung, die jetzt wegen der Pläne der Stadtverwaltung und der Brauerei Bischofshof weichen mussten.

Großzüge Ablöse

Immerhin: Oberbürgermeister Hans Schaidinger hat Wort gehalten und die Gartenfreunde großzügig entschädigt. Nach Informationen der MZ sollen insgesamt 90000 Euro geflossen sein. Das liegt laut Josef Schreck, dem Vorsitzenden des Kleingärtner-Stadtverbands, zum einen am Versprechen des Rathauschefs, bei der Ablöse „bis an die Schmerzgrenze zu gehen“, zum anderen daran, dass in Regensburg erstmals nach den sogenannten Kündigungsrichtlinien des Bundeskleingartengesetzes abgerechnet wurde. Im Vergleich zur bisherigen Praxis bedeutet dies einen Unterschied von 30 Prozent.

Außerdem hat die Stadt nur einen Steinwurf entfernt Neuland urbar gemacht. Schnurgerade wurden auf dem ehemaligen Erdbeerfeld an der Dechbettener Straße wieder rund 20 Parzellen angelegt und dazu eine Reihe von Parkplätzen. Sogar für ein Vereinsheim ist ein Grundstück reserviert. Das freilich soll erst entstehen, wenn ein weiterer, 29 Gärten umfassender Teilbereich der Anlage geräumt ist, der für den geplanten Durchstich zur Prüfeninger Straße benötigt wird. Wann das genau sein wird, weiß niemand zu sagen. Sighart hält es für möglich, „dass noch zehn Jahre vergehen“. Stadtverbandschef Schreck glaubt, „dass die Stadt bald Dampf macht und das dann recht flott gehen wird.“

Die neu eingezäunte Fläche ist in den Augen eines Gartlers gewöhnungsbedürftig, nicht nur, weil hier noch kein einziger Strauch, geschweige eine Laube steht. Vielmehr ist es die totale Exaktheit, mit der jede Gartentür betoniert worden ist und jede Wasserleitung aus dem Boden ragt, die irritiert. Sie macht es schwer, sich so etwas wie gewachsene Schrebergartenromantik vorzustellen, die auch von Wildheit und der Kreativität jedes Einzelnen lebt.

Manch einer warf das Handtuch

Es gibt Insider, die sagen, es liege am Hang zur Gleichmacherei, dass sich bisher nur sieben der „Vertriebenen“ für eine Parzelle auf dem neuen Terrain gemeldet haben. Sieben, darunter auch der Vereinsvorsitzende, zogen einen Umzug in den Altbestand der Gartenfreunde vor oder wechselten in eine entferntere Anlage. Einige Pächter haben ganz aufgegeben, weil ihnen die Kraft für einen Neubeginn fehlt.

Sighart hofft, dass sich aus den Reihen des eigenen Vereins noch genügend Mitglieder finden, die auch die Chance erkennen, die sich im Spatenstich auf einer unberührten Scholle mit optimaler Infrastruktur bietet. Sollten sich die Lücken in absehbarer Zeit jedoch nicht schließen, sieht sich Sighart gezwungen, Externe anzuwerben. „Bis Ende 2014 soll der neue Anlagenteil komplett verpachtet sein“, ist das Ziel. Denn freie Flächen müssten vom Verein gepflegt werden und bringen keine Einnahmen. Auf die will Sighart nicht verzichten, denn die nächste Zukunftsinvestition kommt bestimmt.