Technik
Alptraum auf der Datenautobahn

Die Erfahrungen eines Kunden, der nach dem Wechsel zur Firma Amplus und einer langen Leidensphase plötzlich mit einer 5000-Euro-Rechnung dasteht.

15.05.2014 | Stand 16.09.2023, 7:14 Uhr

Haben sie erst einmal ein Passwort gestohlen, können Hacker mit Computer oder Telefon wie im Fall von Willibald Schmid und Amplus viel Schaden anrichten.Foto: dpa

Der schnelle Weg ins Internet ist auf dem Land eine Schlaglochpiste. Und wer erst einmal drinhängt im Schlamassel, hat das Pech für sich gepachtet. So jedenfalls kommt es Willibald Schmid vor, der eine Alptraum-Geschichte erlebte. Der Unternehmer aus der Gemeinde Traitsching suchte nach einem Weg, um auch in seinem Büro zu Hause an eine leistungsfähige Internetverbindung zu gelangen. Die Telekom konnte ihm dort nur eine ISDN-Verbindung einrichten. Da drängte sich das „Rundum-sorglos-Paket“ mit Flat für Internet und Telefon für rund 31 Euro monatlich der Teisnacher Firma Amplus geradezu auf – „trotz aller Warnungen aus dem Bekanntenkreis“, sagt Schmid.

Ein falscher Name vorweg

Er bestellte bei dem Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche ein „Rundum-sorglos-Paket“ für Telefonie und eine schnelle DSL-Verbindung. Darin eingeschlossen gewesen seien die Begleitung durch die Techniker von Amplus und alle Geräte und Software, die für eine Erstellung nötig seien. „Es ging schon bei der Auftragserteilung los“, schildert Schmid den Weg ins Abenteuer. Am 26. Oktober 2012 habe er den Auftrag an Amplus erteilt. Zunächst sei seine Bestellung „verschlampt“ worden, dann sei sein Name falsch geschrieben worden – ein Fakt, der eine Ummeldung auf einen neuen Dienstleister schwierig mache. Irgendwann sei dann der Termin für den Übergang von der Telekom-Versorgung zu Amplus angekündigt worden. Das „Rundum-Sorglos-Paket“ sollte demnach am 24. Juni 2013 in Traitsching eintreffen und vom Techniker der Weg zur Internet-Telefonie und zur Datenautobahn freigemacht werden.

Wann dieser Fachmann komme, konnte man Schmid nicht sagen. Folglich musste seine Frau den ganzen Tag im Haus bleiben, um ihn zu empfangen. Mittags klingelte er, ließ sich das Büro des Hausherrn zeigen und setzte sich „mit seinen gelben Gummigartenschuhen“, erinnert sich Willibald Schmid, erst einmal in seinen Sessel hinterm Schreibtisch. Nachdem geklärt war, wo die Telefonanlage bei Schmids steht, schloss er einen Router namens Fritzbox an, der der Schalt- und Verbindungsstelle dient. Das Formular fürs Übergabeprotokoll habe der Mann vergessen, deshalb schrieb er Notwendiges auf einen Zettel, erzählt Schmid. Auf seine Frage, ob es denn jetzt funktioniere, wurde ihm erklärt, es müsse erst umgeschaltet werden. „Und wenn nicht?“ – „Dann müssen Sie anrufen!“ – „Und wie ohne Anschluss? – „Sie werden doch ein Handy haben, oder?“, so die Antwort.

Mailen – doch wohin?

Es funktionierte nicht. Also sollte ein neuer Termin gemacht werden. Den wollte Amplus dann mailen. Ohne Anschluss sei das schwer, wies Schmid auf das Grundproblem hin. Schließlich wickelte er die E-Mails von Amplus über seinen Firmenanschluss ab.

An drei Terminen blieb seine Frau ganztags zu Hause, bis der Techniker anrückte. Das Ganze zog sich über Wochen – das bedeutete, kein Telefon und kein DSL. DSL funktionierte schließlich – „die Telefonie war eine Katastrophe“, so Schmid. Bei 70 Prozent sei bei ihm nichts zu verstehen gewesen oder die Gesprächspartner hätten nichts verstanden. Das sei etwa im Oktober 2013 gewesen. „Kam während eines Gesprächs ein neuer Anruf an – war gleich alles weg.“ Der „Gipfel“ sei für ihn gewesen, dass Amplus sagte, das Problem sei bekannt und man arbeite dran.

Amplus habe mitgeteilt, dass die Telefonanlage im Hause Schmid schuld sei. „Das war eine ganz neue Anlage!“, sagt Willibald Schmid. Ein aus Cham bestellter Techniker stellte fest, dass die Anlage funktionierte. Was kaputt war, war die Fritzbox von Amplus. Doch die Rechnung für den Techniker wollte die Firma nicht übernehmen. „Ihr Pech!“, habe die Antwort gelautet. Auch auf die Nachfrage, ob er denn keine Gutschrift für all die Monate bekomme, die er voll bezahlt habe, doch ohne den Service nutzen zu können, beschied Amplus mit einer Negativüberraschung: Ein Gutschein über zehn Euro landete als Ersatz im Briefkasten.

Häkchen falsch gesetzt

Mitte Januar 2014 sei dann der Amplus-Techniker aufgetaucht und habe die Fritzbox repariert. „Nur ein Häkchen ist versetzt gewesen“, so der Mann. Danach funktionierte das Telefonieren – auch, wenn immer ein Rauschen und der Hall der eigenen Stimme zu hören sei. Doch der Ärger nahm nicht ab: Anfang März sei per E-Mail die Warnung vor Hackern eingetroffen. Dann, an einem Freitag gegen 16 Uhr, kam der Anruf von Amplus, dass von Hackern die Passwörter der Fritzbox geknackt worden seien. Deshalb sei die Fritzbox für Auslandstelefonate gesperrt worden. Da sei die Fritzbox gerade erst überprüft und aktuell upgedatet gewesen.

5000-Euro-Rechnung

Am 15. April sei plötzlich eine Rechnung von Amplus per Telefon angekündigt worden – trotz Sperrung. Wie hoch die Rechnung sein sollte, wusste die Anruferin aber nicht. Zehn Minuten später sei sie eingetroffen – über 5006,21 Euro, zahlbar innerhalb von acht Tagen. Und ohne entsprechende Anruf-Nachweise ins Ausland. Er habe sein Konto darauf überprüft – danach habe es keine Auslandsgespräche von seiner Fritzbox gegeben. Gezahlt hat er nicht – sondern die Sache einem Rechtsanwalt übergeben.

Im Rückblick ist Willibald Schmid froh, dass er die Umstellung auf Amplus nicht bei seiner Firma probiert hat. Wochenlang ohne Telefon und DSL zu sein – das wäre heutzutage für den Apothekenbauer existenzgefährdend. Er findet, seine Erlebnisse mit Amplus sollten auch die Politik interessieren. Denn auch beim künftigen Breitbandausbau sei die Firma sicher mit dabei. Doch wenn darin die Zukunft liege, sei der ländliche Raum wieder benachteiligt, findet Schmid.

Das sagt die Firma dazu

„Schnelles Internet für jeden“ – das ist die Amplus-Philosophie seit der Gründung des Teisnacher Internetspezialisten 2009. Dabei hat das Unternehmen vor allem den ländlichen Raum im Blick – etwa den Landkreis Cham, wo Amplus viele Gemeinden beim Ausbau der Datenautobahn begleitet. Seit 2010 betreibt Firmengründer Christof Englmeier ein eigenes DSL- und VDSL-Netz, bestehend aus 300 Kilometern Glasfaserkabel und aus über 150 Verteilerknoten, mit dem mehr als 450 000 Einwohner in Niederbayern und der Oberpfalz versorgt werden können.

Amplus-Betriebsleiter Enrico Hesse sagt zu den geschilderten Erfahrungen Schmids, man habe bereits vor zwei Jahren nachjustiert, um Unstimmigkeiten bei der Versorgung der Kunden zu lösen. Doch gegen Telefonmissbrauch könne auch Amplus nichts ausrichten. Selbst Großkonzerne wie Microsoft würden gehackt. „Das sind extrem intelligente Leute, die so etwas machen, mit viel krimineller Energie“, so Hesse. Der Kunde sei machtlos.

Überall seien Zugangsdaten gestohlen worden, ohne Spuren zu hinterlassen. Die Fritzbox sei ein Gerät der Firma AVM, nicht von Amplus. AVM sei einer der größten Anbieter auf dem Markt, mit dem man im Gespräch sei. Die Fritzbox könne vorkonfiguriert bestellt werden, doch „für die Endgeräte und deren Aktualisierung sind die Kunden selbst verantwortlich“.

Auch wenn es die Firma Amplus natürlich für ihre Kunden bedauere, dass ein Missbrauch stattgefunden habe, könne das Unternehmen den Schaden nicht für sie begleichen. Das sei so, als kaufe sich einer einen Ferrari, fahre ihn gegen den Baum und wolle Ersatz vom Autobauer, weil er den Wagen nicht fahren konnte, so ein Vergleich Hesses.

74 Fälle von Missbrauch

Laut Telekommunikationsgesetz sei der Missbrauch durch Dritte geschehen – dadurch entfalle rechtlich eine Entschädigungspflicht des Anbieters. Man suche jedoch nach einer einvernehmlichen Lösung: „Wir gehen nicht gegen unsere Kunden vor und stoppen etwa unsere Leistungen“, betonte der Betriebsleiter. „Sicher ist das blöd für unsere Kunden“, sagt Hesse. Doch seien selbst Mitarbeiter von Amplus dabei.

Amplus sei hart getroffen worden: 74 Fälle solchen Missbrauchs gebe es bislang. Dabei seien die Rechnungen über Anrufe ins Ausland vom Vorlieferanten von Amplus bereits von seinem Unternehmen beglichen worden. Willibald Schmid liege mit über 5000 Euro bei den am stärksten betroffenen Kunden.

Man habe mittlerweile die IP-Adresse der Kriminellen herausbekommen und wisse, wo der Server stehe. Doch gäben die Betreiber nicht die Daten heraus. Die Adressen der Täter könnten nur über die Staatsanwaltschaft ermittelt werden. Deshalb habe man die Erkenntnisse an die Polizei in Deggendorf weitergegeben. Bundesweit kümmere sich das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen darum.

Zu den Störungen bei der Telefonie übers Internet, was die Zukunft sein werde, gebe es immer wieder Umstellungsschwierigkeiten für die Kunden. Wer die Qualität analoger Gespräche gewöhnt sei, störe sich an den Knacksern und dem Hall.

Enrico Hesse betont, dass Amplus eine Firma aus der Region für die Region sei und der Inhaber hier im ländlichen Raum sein Geld investiere – im Gegensatz zu großen, anderen Telekommunikationsunternehmen, denen ländliche Regionen für eine Anbindung zu teuer seien. „Wir sind der einzige Netzbetreiber, der hier investiert“, sagt Hesse. Nach Umfragewerten sei man in der Kundenzufriedenheit „meilenweit“ vor dem Telekom-Konzern.