Musik
Auf der Bühne ist genau das, was er will

Mathias Kellner wäre mit kleiner Bude und einer Dose Ravioli zufrieden. Sein Erfolg fiel größer aus. Er tourt mit neuer CD.

09.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:50 Uhr
Alois C. Braun

Liedermacher Mathias Kellner singt, spielt und erzählt auf der Bühne. Foto: C. Bunnemann

Ein Bandcontest gegen Drogen. Es ist laut im Saal. Die Straubinger Punkband Deadlock spielt „Oh Marie“, den ersten eigenen Song von Bandgitarrist Mathias Kellner. „Das ist viele Jahre her, aber dieser Auftritt hat mich angefixt“, sagt der inzwischen sehr erfolgreiche Singer--Songwriter und lacht: „Wir haben damals zwar nicht gewonnen, aber wir fühlten uns auf der Bühne wie Könige und ich wollte danach unbedingt noch weitere Songs schreiben.“

Bodenständig, ehrlich, „gradraus“ – das ist der Eindruck den man von Mathias Kellner schnell bekommt. Geboren wurde er 1984 in Straubing und ist im nahen Münster aufgewachsen. Zwar hat er als Kind gerne gesungen, „so wie man es halt als Kind macht“, hat aber sonst nur über seinen älteren Cousin Flo Kontakt zur Musik. „Der spielte mit seinen 13 oder 14 Jahren Gitarre in einer Coverband“, sagt er. Das weckte die Lust und mit neun Jahren nahm Mathias Gitarrenunterricht.

Freude und Frust in der Anfangszeit

Es folgten diverse Bands, Stilwechsel vom Punk zum Metal und, trotz der Freude an der Musik, auch Frust. „Ich war immer der Einzige mit Ambitionen in der Band. Nichts ging so richtig weiter und das hat auf Dauer genervt. Deshalb hab ich irgendwann meine elektrische Gitarre verkauft und mir eine akustische besorgt“, schildert er die Anfangszeit. Mit einem Tascam 4-Spur-Cassetten-Deck nahm er seine ersten akustischen Lieder auf, begann solo aufzutreten.

Mathias Kellner wollte immer einen Beruf, in dem er mit Liebe zur Arbeit agieren kann. Deshalb war auch klar: „Wenn ich mich für die Musik entscheide, dann werde ich auch Profi“. Allerdings war da vorher noch eine Ausbildung. Er schmunzelt: „Ich hatte handwerkliches Interesse, wollte Gitarrenbauer werden, brauchte dafür aber zunächst eine Lehre als Schreiner.“ Und als Azubi hat er zumindest gesehen, was er nicht will: „Den meisten Leuten im Job fehlte die wirkliche Liebe zu ihrer Arbeit, anders als bei Musikern. Die schauen nicht auf die Uhr, sondern sind immer mit Leidenschaft dabei.“ Dabei wusste er, dass das Leben als Profi nicht immer ein Zuckerschlecken ist. „Es wäre vollkommen o.k. gewesen, wenn das Geld nur für eine kleine Bude und eine Dose Ravioli am Tag gereicht hätte“, meint er, und man nimmt ihm ab, dass ein wirklich einfaches Dasein seiner Lebenseinstellung keinen Abbruch getan hätte. Aber es kam anders und der Weg führte ihn nach oben.

Bereits mit seiner ersten großen Tour, 2007 im Vorprogramm von Claudia Koreck, erreichte er ein großes, begeistertes Publikum. Tagsüber wurden CD-Rohlinge besorgt, Songs darauf gebrannt und abends verkauft. Die Nachfrage war groß. Auch der Kontakt zur Plattenfirma Südpolmusic entstand auf dieser Tour. Es folgten Konzertreisen zusammen mit seiner Band und Altrockern wie Uriah Heep oder Manfred Mann’s Earth Band. Auf den ersten Blick nicht passend zur songorientierten und melodiös eingängigen Musik eines Mathias Kellner. Oder doch? „Ich sehe mich als Pop-Songwriter, aber auf diesen Tourneen hab ich festgestellt, dass ich auch bei den Classicrock-Fans ein Publikum gefunden habe“, freut sich der heute im Umland von Regensburg lebende Niederbayer.

Pause brachte Zeit für Neues

In knapp sechs Jahren erschienen vier erfolgreiche Studioalben und eine Live-CD, alle mit englischen Songs. Dazu kamen unzählige Konzerte, 30000 Kilometer und mehr im Jahr auf Achse – das hinterließ Spuren. Kellner: „Die gesamte Band war 2013 irgendwie erschöpft, es fehlte der richtige Antrieb zum Weitermachen. Einige hatten inzwischen auch Kinder. Wir vereinbarten deshalb eine Pause.“ Zeit, um Neues zu probieren. Zeit für das erste bayerische Album „Hädidadiwari“. Die Songs dazu entstanden über einen Zeitraum von fünf Jahren. „Zeitmaschin“ im Jahr darauf enthielt dann ausschließlich neues Material. Ein Live-Album wurde 2015 im Regensburger Leeren Beutel mit Gästen wie Martina Schwarzmann und Sebastian Horn (Bananafishbones) aufgenommen. Es zeigt den glänzenden Geschichtenerzähler und Entertainer Mathias Kellner.

Drittes bayerische Studioalbum

Nun folgt mit „Kettnkarussell“ bereits das dritte bayerische Studioalbum. Erneut ein buntes Panoptikum an frischen Ideen, interessanten Charakteren und Geschichten mitten aus dem Leben. Man fühlt sich sofort zuhause in den Texten. Aber es gibt natürlich auch jede Menge Fans, die Mathias Kellner wieder mit Band und in Englisch singen hören wollen. Für diejenigen hat er eine gute Nachricht: Noch in diesem Jahr soll eine englische EP mit neuen Songs erscheinen.

Doch auch Pausen kommen inzwischen nicht zu kurz. „Eigentlich habe ich ja das Hobby zum Beruf gemacht und lebe das mit Passion“, erzählt der Sänger. „Ich habe aber gemerkt, dass es doch sehr anstrengt. Immer öfter bekam ich ‚Flatterer‘. Ein Ausgleich war dringend nötig, weshalb ich das Zeichnen für mich wiederentdeckt habe. Das bringt mir Ruhe und Entspannung.“ Auch Ehefrau Simone und Sohn Jakob sind ausgleichende Fixpunkte. Momentan ist der Musiker mit neuen Liedern unterwegs. Lampenfieber vor dem Schritt auf die Bühne ist ihm fremd: „Ich spüre, dass das da draußen, genau das ist, was ich wirklich will.“ Kellner 2016 ist aber nicht mehr punkig und laut. Gitarre und Stimme, nur über ein einzelnes Großmembran-Mikro übertragen, reichen aus, um das Publikum zu fesseln.