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Balkan sucht Erfolgsweg

Ohne Zusammenarbeit wird man die Probleme auf dem Balkan nicht angehen können, sagt der Historiker Dr. Edvin Pezo.

20.07.2021 | Stand 16.09.2023, 1:51 Uhr
Edvin Pezo Historiker
Autor Dr. Edvin Pezo ist Historiker am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung Regensburg. −Foto: Juliane Zitzlsperger, neverflash/IOS Regensburg/neverflash.com

Am 1. Juli übernahm Slowenien den Vorsitz im Rat der EU. Ein besonderes Augenmerk will Ljubljana jenen Staaten widmen, mit denen es bis zur Unabhängigkeitserklärung vor 30 Jahren das föderative Jugoslawien bildete.

Damals, im Juni 1991, eskalierten die politischen Spannungen auf dem Balkan in Kriegen mit weit über 100 000 Toten und Millionen Vertriebenen und Geflüchteten. Die Wunden sind nicht verheilt. Umso schwerer fällt es häufig in den Nachfolgestaaten, mit der gemeinsamen jugoslawischen Geschichte umzugehen. Auch die Politik folgt allzu oft nationalistischen Denkmustern. Dabei ist das Gegenteil gefragt: Die Gegner von einst sind und bleiben Nachbarn, sie werden mehr aufeinander angewiesen sein, als manch einem lieb ist.

Staaten durch Kriegsfolgen geprägt

Jugoslawien existierte rund 70 Jahre, an seine Stelle sind sieben Nachfolgestaaten getreten, die teils noch stark durch die Kriegsfolgen geprägt sind: In Kroatien sind ganze Landstriche weitgehend entvölkert, Kosovo wurde vom Großteil seiner serbischen Bevölkerung verlassen, und Bosnien-Herzegowina verlor aufgrund von Kriegstoten, Vertreibung, Flucht und Emigration rund 20 Prozent seiner Einwohnerschaft. Slowenien und Kroatien sind mittlerweile EU-Mitglieder, die restlichen fünf Staaten befinden sich auf einem sehr holprigen Weg dahin.

Aber trotz Krieg und neuer Grenzen gibt es nach wie vor Elemente eines gemeinsamen Kultur- und Kommunikationsraums, so im Bereich der Wissenschaft, Musik und Literatur. Die geteilte Begeisterung für dieselben Rockgruppen oder Schlagersängerinnen beispielsweise, die Lektüre derselben Romane, all das hebt Grenzen ein Stück weit auf. Diese „Jugosphäre“ könnte sich noch als wertvoll erweisen. Denn ohne Zusammenarbeit wird man jene Probleme auf dem Balkan nicht angehen können, die allein nicht zu lösen sind: Klimawandel, Energiewende, Migrationspolitik oder der wachsende Einfluss Chinas.

Die Vergangenheit aufarbeiten

Dazu bedarf es aber der Bereitschaft, die Zukunft nicht nur als Fortschreibung der Vergangenheit zu betrachten, wie auch einer gesamtgesellschaftlichen Aufarbeitung der Kriege und Verbrechen. Dies könnte einzelne Länder zudem leichter EU-beitrittsfähig und die Region zwischen Triglav und Vardar zu einer Erfolgsregion machen, was auch für die EU ein Gewinn wäre.

Die Außenansicht gibt die subjektive Meinung des Autors wieder und nicht unbedingt die der Redaktion.