Schulleben
Dann machte Musikunterricht wieder Spaß

Der Neumarkter Musikprofessor Wolfgang Pfeiffer zieht nach sechs Jahren Projekt an der Mittelschule Weinbergerstraße Bilanz.

27.11.2019 | Stand 16.09.2023, 5:13 Uhr
Lothar Röhrl

Die vier Rapper hat Studentin Laura Wehner auf ihre Aufgabe vorbereitet. Foto: Lothar Röhrl

Musik hören – ist für viele schön. Die Erinnerung an den eigenen Musikunterricht in der Schule früher ist das weniger. Wie Musikunterricht wirklich Spaß machen kann, zeigt seit Jahren der Neumarkter Wolfgang Pfeiffer. Der Professor an der FAU, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, hat das Projekt „klasse.im.puls“ entwickelt. Dessen Untertitel „Das musizierende Klassenzimmer“ ist fast eine Untertreibung. Denn mit dem Projekt lernen Mittelschüler und Realschüler Noten und vieles weitere, was zur Musik gehört, auf im wahrsten Sinn des Wortes spielerische Weise kennen. Wie das geht, hat Pfeiffer der Mittelbayerischen vor Ort am Beispiel der Klasse 6a der Mittelschule Weinbergerstraße in Neumarkt gezeigt.

Der Professor aus Neumarkt hat sich „klasse.im.puls“ ausgedacht. Ziel war eine neue Art des Musikunterrichts. Dafür habe er einen Impuls setzen wollen. Denn Pfeiffer empfand, dass dieser an viel zu vielen Schulen eine Stiefkind-Rolle einnehmen musste. Den sogenannten „Handlungsorientierten Musikunterricht“, also Musik durch eigenes Handeln zu lernen, gibt es schon sein 1978. Aber wie das erreichen?

Eine Stunde mehr

Darüber machte sich Professor Pfeiffer so lange seine Gedanken, bis das Konzept zu „klasse.im.puls“ stand. Das liest sich ziemlich schlüssig an: Drei statt zwei Stunden pro Woche sollte es an Hauptschulen (jetzt Mittelschulen) beziehungsweise Realschulen in fünften bis neunten Klassen geben. Damit sollte es mehr Zeit für Proben geben.

Etwa für eine Band, wie es sie derzeit an der Mittelschule Weinbergerstraße mit der 6a gibt. Die gut 20 Sechstklassler sind je nach Vorliebe auf die Instrumente E-Bass, Schlagzeug oder Keyboard verteilt. Wer am liebsten nur singen will, darf das auch. Für die 6a sind mit Farina Koslowski und Markus Ott zwei hauptamtliche Musiklehrer zuständig.

Hinzu kommt mit Laura Wehner eine Studentin. Die als Sängerin bei der Band Klostergold bekannt gewordene Seligenportnerin widmet sich bei der Bandklasse 6a den vier jungen Damen und Herren am Mikrofon. Mit „Wolke 10“ von Rapper Mero ist dieser Tage das nächste Stück ins Repertoire fertig geworden. Gut zehn dürften es im aktuellen Schuljahr schon werden – glaubt Farina Koslowski.

Spaß statt Noten

Für die Schüler ist das Ganze erst einmal Spaß. Und dann kommt die Herausforderung, immer besser mit dem Instrument zurechtzukommen. Vor „klasse.im.puls“ hatten die meisten noch nie eine Bass-Gitarre, ein Keyboard oder ein Schlagzeug in der Hand. Diese drei Instrumente werden zu eigenen Unterrichtsfächern. In den Musikstunden dazu werden die Griffe gelernt, die speziell für das neue Lied benötigt werden.

Wie bei einem Puzzle kommen die Instrumentalgruppen plus der kleine Chor in einem Probenraum zusammen. Dort werden die Einzelteile zu einem Lied zusammengefügt. Übrigens: Statt mit Noten wird mit Symbolen oder Farben gearbeitet, um beispielsweise einen Griff zu kennzeichnen. Professor Pfeiffer ist von dieser Vorgehensweise überzeugt: „Das Machen macht Spaß.“

Und erst danach geht es um Noten und manch anderes, das die Eltern der Schüler aus ihrem Musikunterricht von früher her kennen dürften. Das sei gar nicht so schwer. Denn Schüler würden durch die Erfahrung, selbst Musik machen zu können, dazu gebracht, die Theorie dahinter kennenlernen zu wollen. Gerne hätte sie es auch als Schülerin so gehabt, wird Rektorin Petra Zeitler fast ein wenig neidisch. Als Schülerin an einer Klosterschule sei sie regelrecht ans Klavier getrieben worden. Statt Heintje spielen zu können, wie sie es wollte, mussten es unbedingt Etüden sein. Sie habe es schließlich geschafft, aus dieser Art Musikunterricht regelrecht „zu fliehen“.

Rektorin etwas neidisch

Und so hörte die Rektorin beim Termin mit der Mittelbayerischen fast etwas neidisch, was Mittelschüler Marco Jeremias als Gast zu berichten hatte. Mittlerweile geht der in die Zehnte der Mittelschule West. Das Projekt „klasse.im.puls“ lernte er an der Mittelschule Weinbergerstraße kennen. „Die drei Stunden Musikunterricht waren das Schönste in jeder Woche“, erinnert sich der Jugendliche heute. Damals lernte er ab der fünften Klasse Schlagzeug.

Und das so gut, dass er dem Instrument treu blieb und es noch heute in der Band der evangelischen Jugend von Neumarkt spielt. Vor dem ersten Auftritt damals mit der Bandklasse habe es in ihm „gekribbelt“. Danach habe er niemals gespürt, was es heißt, Lampenfieber zu haben. Überhaupt: Zu wissen, dass man was kann und andere damit imponiert, sei sehr schön – berichtete Marco der Mittelbayerischen bei dem Vor-Ort-Termin.

Dass die Bandklasse aber auch was Tolles für den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen sei, hatte zuvor Selina berichtet. Im vergangenen Schuljahr, als alle 6a-ler noch auf fünfte Klassen verteilt waren, gab es zwischen zwei Fünften gehörig Ärger. Das sei jetzt in der 6a Vergangenheit. Mittlerweile kämen alle bestens miteinander zu Recht. Und in Charline, die wie sie E-Gitarre gelernt hat, habe sie mittlerweile „meine beste Freundin“ gefunden – berichtete Selina. Mächtig stolz macht Erza, eine weitere Gitarristin, wie die anderen in der Schule auf die Bandklasse reagieren würden: „Die finden uns ziemlich cool.“

Ähnlich cool findet es Professor Dr. Wolfgang Pfeiffer, dass das Projekt von der örtlichen Sparkasse und dem örtlichen Lions-Club finanziell unterstützt wird. Das ist zusätzlich zu den 4000 Euro der Fall, die als Grundausstattung jeder Schule für den Kauf von Instrumenten zufließen.