Wirtschaft
Das Gasthaus Gierstorfer schließt

Aus gesundheitlichen Gründen geben die Wirtsleute zum Jahresende auf. Viele Pfatterer Ortsvereine bangen um ihre Herberge.

24.10.2015 | Stand 16.09.2023, 6:55 Uhr
Antonie Beiderer
Artur und Inge Gierstorfer – ein Wirtsehepaar in Pfatter mit Leib und Seele −Foto: Fotos: Biederer

Ungläubig vernahmen die Pfatterer in den letzten Tagen die Nachricht, dass ihr renommiertestes Gasthaus am Ort zum Jahresende schließen soll. Die meisten ordneten es jedoch der Gerüchteküche zu, denn immer wieder war auch in Pfatter die Rede vom Wirtshaussterben.

„Ja, es stimmt“, gab Wirtin Inge Gierstorfer nun offiziell bekannt. Mit viel Wehmut teilt sie mit, dass sich die Familie dazu entschieden hat, die Traditionsgaststätte nach 87 Jahren zum 31. Dezember 2015 zu schließen. „Der gesundheitliche Zustand meines Mannes macht eine Weiterführung unmöglich“, so die Wirtin. Da sie sich voll und ganz der Pflege ihres schwer erkrankten Gatten Artur widmen möchte, sei kein zeitlicher Rahmen für die Fortführung der Gastronomie mehr möglich. Wie es letztendlich mit dem Betrieb ab Januar weitergehen werde, dazu konnten Inge Gierstorfer und ihr Sohn Artur jun. noch nichts mitteilen.

Umdenken bei der Organisation

Bereits vor einigen Jahren musste man umdenken bei der Organisation des Gasthauses. Während der ältere Sohn Artur die Metzgerei übernahm und zu einem allseits bekannten Qualitätsunternehmen mit mehreren Filialen ausbaute, zog es Sohn Christian in die Schweiz, wo er als erfolgreicher Unternehmer das Gastrokonzept „energyKitchen“ betreibt. Um das Wirtshaus weiterführen zu können, gründete man den Verein „Dorfwirtshaus e.V.“, dessen Vorsitzende Inge Gierstorfer seither ist. Während die Wirtin und langjährige Mitarbeiterinnen für die Küche und den Service verantwortlich sind, in der hausgemachte Spezialitäten nach altem Hausrezept und selbstverständlich ohne Fertigware zubereitet werden, ging Artur Gierstorfer sen. von Tisch zu Tisch und überzeugte sich stets persönlich von der Zufriedenheit seiner Gäste.

Betriebsjubiläum gefeiert

Der große Saal mit dem idealen Parkettboden war zu jener Zeit jedes Wochenende für Hochzeiten ausgebucht. „Einmal bekamen wir so viele Torten zu einer Hochzeitsfeier angeliefert, dass wir gar nicht mehr wussten, wohin damit. Auch zwei Hochzeitstorten wurden angeliefert. Am Spätnachmittag, als bei uns das Kaffeetrinken vorbei war, stellte sich dann heraus, dass die Hälfte der Torten eigentlich zu einer Hochzeitsfeier in den Landgasthof Fischer gehörten“, erinnert sich die Wirtin an eine lustige Anekdote.

300 ehemallige Brautpaare kamen

Gerne erinnert sich Inge Gierstorfer, die vor allem die Küche als „ihr“ Reich bezeichnet, in diesem Zusammenhang an das Jahr 2000 zurück: „Wir haben damals alle Brautpaare der letzten 70 Jahre eingeladen. Über 300 Paare sind der Einladung gefolgt. 15 Bräute trugen sogar ihr Original-Hochzeitskleid.“

Die Geschichte der Gaststätte begann jedoch viel früher. Nach der Kaiserlichen Reichspostanstalt benannt, mit der es seit dem Dreißigjährigen Krieg bis 1660 verbunden ist, war der „Gasthof zur Post“ zentraler Rastplatz für die Schiffer, die dort ihre Pferde auswechseln und selbst einkehren konnten. Ein Relikt aus dieser Zeit ist eine alte Urkunde, die den Verkauf von Gastwirtschaft und Metzgerei sowie des Posthauses mit Autogarage am 1. Oktober 1929 an den aus Geisling stammenden Metzgermeister und Landwirt Ludwig Gierstorfer und seine Frau Sofie (die Eltern des jetzigen Eigentümers) belegt.

Ludwig Gierstorfers Tätigkeit als Großviehhändler, der dadurch weit in Deutschland umherreiste, ist es zu verdanken, dass das Gasthaus vor allen anderen Dorfbewohnern Schritt hielt mit der Modernisierung.

Den urigen Flair behalten

Der Generationswechsel kam 1968, als Artur Gierstorfer, das zweitälteste der vier Kinder Erna, Artur, Sofie und Ludwig, nach seiner Ausbildung zum Metzgermeister zusammen mit seiner Frau Inge den Betrieb übernahm. Trotz der vielen Umbaumaßnahmen hat das Gasthaus stets den urigen Flair behalten. Gemütlichkeit strahlt nicht nur im Gastzimmer die rund hundertjährige Theke aus. Sentimentalität aufkommen lässt ebenso das alte Schenkfenster mit der Glocke, mit der man früher für ein Bier klingelte. Dieses bezieht die Familie seit 85 Jahren von der Brauerei Thurn und Taxis, deren Posthorn heute noch an der Hausfront prangt.

Bis zuletzt war das Ansehen des Gasthauses Gierstorfer ungebrochen. 100 bis 150 Gäste kamen jeden Sonntag aus der näheren und weiteren Umgebung, um die Gierstorfersche Küche zu genießen, die regional, der Saison entsprechend, sowohl gutbürgerlich als auch für gehobene Ansprüche steht – nicht zuletzt auch wegen der moderaten Preise. Die meisten Dorfvereine wie die Feuerwehr, der Motorsportclub, der Männergesangverein, die SV-Damenturngruppe, der Frauenbund, die Pfatterer Jagdhornbläser, der Tennisstammtisch sowie der Chor Jubilate und der Hantelsportclub haben sich den Gasthof Gierstorfer als ihr Vereinslokal auserkoren. Sie alle bangen nun um ihre Herberge.

Dank an die Belegschaft

Nachdem die Familie Gierstorfer aus familiären Gründen zum 31. Dezember 2015 das Gasthaus schließt, möchte Wirtin Inge einen ganz großen Dank an die Belegschaft richten: „Auf unsere Mitarbeiter konnten wir uns immer verlassen. Sie haben stets zu uns gehalten und uns auch die Treue gehalten, als wir vor und seit der Gründung des Vereins „Dorfwirtshaus e.V.“ schwere Zeiten durchstehen mussten“, betont sie.

Ihr Dank richtet sich ebenso an die die vielen Stammgäste, die die traditionelle Küche und das Wirtshausflair zu schätzen wussten. Sogar das Bayerische Fernsehen wurde vor ein paar Jahren auf das Gasthaus aufmerksam und brachte in einem Beitrag die Zubereitung der „Pfadara Roum“ von Wirtin Inge Gierstorfer in einem Beitrag.