Wachstum
Deining steht in der Kritik

Das Wachstum der Gemeinde ist manchen im Landkreis Neumarkt nicht geheuer. Bürgermeister Alois Scherer kontert die Kritik.

16.01.2019 | Stand 16.09.2023, 5:54 Uhr

Das große Baugebiet am Oberbuchfelder Weg hat inzwischen bald 17 Bauabschnitte. Fotos: Endlein

Deining, die Gemeinde mit Herz, wie es der eigene Werbeslogan verspricht, hat nicht jeder im Landkreis ins Herz geschlossen. Immer wieder kann man, meist hinter vorgehaltener Hand, Kritik an der Entwicklung in Deining vernehmen. Der Tenor: Deining wachse in ungesunder Weise.

Diese Kritik ist auch Deinings Bürgermeister Alois Scherer (CSU) nicht neu. Der Rathauschef sieht sich und seine Gemeinde aber fehlbeurteilt. Ja, man ziehe viele neue Bewohner an, aber man tue auch viel, um das Wachstum zu meistern. „Aber, um das zu erkennen, muss man schon genauer hinsehen“, sagt Scherer, der zudem erklärt: „Neid muss man sich erarbeiten“.

600 Bauplätze in 30 Jahren

Fakt ist: Im Jahr 2000 hatte Deining noch 3900 Einwohner, aktuell sind es rund 4800. In den vergangenen 30 Jahren hat die Gemeinden nach eigenen Angaben rund 600 Bauplätze ausgewiesen, den Großteil davon im Hauptort mit seinem großen Baugebiet im Oberbuchfelder Weg. Aktuell ist man dort bei Bauabschnitt 17 angelangt, in den die Gemeinde fünf Millionen Euro investiert hat, um weitere 72 Parzellen auf insgesamt rund 62 000 Quadratmetern bereitzustellen.

„Flächensparen passiert dort nicht“, sagt Sigrid Schindler, Vize-Vorsitzende des Bund Naturschutzes im Landkreis, und eine Kritikerin Deinings, die sich auch öffentlich zitieren lässt. Schindler sieht ebenso bei der Art der Entwicklung in Deining die sozialen Aspekte von Bauen nicht genug bedacht. Dem großen Neubaugebiet fehle der soziale Bezug zum Rest der Gemeinde.

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Zu einem ähnlichen Urteil kommt ein Einheimischer. SPD-Gemeinderat Matthias Seger hatte bei einer Sitzung im November gemeinsam mit anderen Sozialdemokraten Kritik an immer neuen Bauabschnitten imBaugebiet Oberbuchfelder Weggeübt. Seger sieht Deining inzwischen in zwei Hälften geteilt: der Altort unten und das Neubaugebiet oben. „Das ist allein schon aufgrund der geografischen Lage so“, sagt der Seger, der die fehlende Verbindung aber auch bei sozialen Treffen wie etwa der Kirchweih beobachtet haben will. „Wer kommt, sind immer die Gleichen: die Alteingesessenen.“

Wie Seger fordert auch seine SPD-Kollegin im Gemeinderat, Gaby Feierler-Engler, dass statt weiterem Wachstum zunächst einmal die nötige Zeit für das Zusammenwachsen angesagt sein sollte. Aber auch am Flächenverbrauch stören sich die SPD-Gemeinderäte. Dennoch betont Seger: „Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, dass sich Deining weiterentwickelt, aber mir ist es zu viel, zu groß und zu schnell“.

„Das Niveau, auf das wir uns in Deining entwickelt haben, können wir nicht halten, wenn wir still stehen.“Bürgermeister Alois Scherer

Bürgermeister Alois Scherer kennt diese Argumente, aber auch viele, mit denen er dagegen hält. Etwa mit diesem: „Das Niveau, auf das wir uns in Deining entwickelt haben, können wir nicht halten, wenn wir still stehen.“ Zuzug nach Deining gehöre dazu, wie auch ein Motor regelmäßig neues Öl brauche.

Das gilt nicht zuletzt für die Kindertagesstätte, die die Gemeinde laut Scherer auf inzwischen zehn Gruppen für rund 210 Kinder ausgebaut hat. Auch in die Schule investiere die Gemeinde, sagt der Bürgermeister, der weitere Faktoren wie das Naturbad, die Nahversorgung vor Ort, die Anbindung an Neumarkt durch das Rufbus-System oder die 50 Vereine im Gemeindegebiet erwähnt, die Deining zu einem attraktiven Ort machen sollen.

Der Kritik, dass die Gemeinde nicht die Folgen des Zuzugs bedacht habe, tritt er auf diese Weise entgegen, sieht aber zugleich darin wichtige Argumente im Wettbewerb mit den Städten um insbesondere junge Familien. Die lockt Deining wie andere Gemeinden mit finanzieller Förderung und günstigem Bauland. Aber es gehe generell nicht darum, Wachstum nur auf der grünen Wiese zu realisieren, erklärt Scherer. Der Rathauschef sieht in Leerständen, Lücken im Ort und gebrauchten Immobilien viel Potenzial.

Scherer schwebt ein Kreislauf vor, den er das Deininger Wohnmodell nennt. Kern des Ganzen: Jeder soll die Möglichkeit haben, den Wohnraum an die sich während des Lebens verändernden Bedürfnisse anzupassen.

Das böse Wort Flächenfraß

So wie beispielsweise Marianne Heitz. Das zu groß gewordene Haus der 79-Jährigen ist heute an eine junge Familie mit Kindern vermietet, während Heitz in einer neuen Wohnung im Deininger Ortskern wohnt. „Das ist praktisch für mich“, sagt die Seniorin, die damit im Trend liegt. Wohnungen sind auf dem Land gefragt. Doch die mussten erst entstehen. Vor vier Jahren habe es so gut wie keine in Deining gegeben, sagt Scherer. Inzwischen seien es 60 und im Baugebiet entstünden weitere 30.

Zugleich gebe es aber nach wie vor den Traum vom Haus, den vor allem junge Familien träumten, sagt Scherer. Ein Traum, der sich nicht nur im Baugebiet erfüllen lasse, sondern auch im Bestand. So haben es Henry Kohlsdorf-Greiling und Franziska Greiling gemacht. Sie wohnen in einem Haus im Deininger Ortskern, welches die Vorbesitzer abgaben, um im Alter in eine Wohnung zu ziehen. Für Henry Kohlsdorf-Greiling war der Kauf im Bestand eine bewusste Entscheidung, die ihm Zeit und Geld gespart habe.

Wie viele neue Wohngebäude im Landkreis in den vergangenen Jahren errichtet wurden, zeigt diese Grafik:

Für Alois Scherer sind es zwei Beispiele dafür, dass das Wohnmodell funktionieren kann. Auch wenn er sagt, dass es sicherlich nicht für jeden passend sei. Trotzdem glaubt er, dass sich dadurch Flächenverbrauch in vernünftigen Grenzen halten lasse. Das sei schließlich auch im Eigeninteresse der Gemeinde wie überhaupt die Sorge um die Natur. Von Flächenfraß will Scherer daher nichts hören. „Ich habe noch nie persönlich einen einzigen Quadratmeter verspeist.“ Er spricht vielmehr von sinnvoller Umnutzung von Flächen.

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