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Der „grüne Hügel“ hat Nebenwirkungen

Elke Nitzl-Willner ist seit gut einem Jahr als Festspiel-Ärztin in Bayreuth im Einsatz. ddp-Korrespondentin Christa Sigg sprach mit der Internistin über die gesundheitlichen Anforderungen an Besucher und Akteure.

12.08.2008 | Stand 12.08.2008, 17:36 Uhr

Frau Dr. Nitzl-Willner, wie wird man eigentlich Hügel-Ärztin?

Nitzl-Willner: Das war einfach ein glücklicher Zufall. Als die Stelle im vergangenen Jahr frei wurde, hat mich ein Bekannter empfohlen.

Hand aufs Herz, mögen Sie die Musik Wagners?

Nitzl-Willner: Aber ja! Ich bin Bayreutherin und hier aufgewachsen. Im Alter von 9 bis 16 habe ich jedes Jahr bei den Festspielen als Statistin mitgemacht – in „Rheingold“, „Götterdämmerung“ und „Lohengrin“ zum Beispiel. Da entwickelt sich natürlich einen Bezug zum Hügel.

Sie waren bestimmt auch mal „Blaues Mädchen“ (Platzanweiserin)?

Nitzl-Willner: Nein, das ging dann später aufgrund des Studiums nicht, da hatte ich meistens Prüfungen.

Mit was kommen die Leute denn hauptsächlich zu Ihnen?

Nitzl-Willner: Zum einen darf jeder kommen, also die Zuschauer, Bühnenarbeiter, die Leute von der Pforte, vom Kartenbüro, natürlich die Sänger, die Musiker. Die Zuschauer haben vor allem das Problem mit der Hitze, kollabieren, haben zu viel oder gar nichts gegessen. Auch Blasen an den Füssen kommen vor. Oder Wespenstiche. Die Sänger haben eher Probleme mit grippalen Infekten, vor allem wenn die Stimme wegbleibt. Einige haben auch Blutdruck-Probleme – Sänger stehen ja oft sehr unter Stress. Bei den Bühnenarbeitern kommen dafür eher Verletzungen vor.

Die Leute arbeiten ja alle sehr intensiv, wie man immer wieder von den Künstlern hört.

Nitzl-Willner: Allerdings, die Festspiele und die Probenzeit davor sind ja ein regelrechter Ausnahmezustand. Da geht es bei vielen fast ohne Pause durch. Und natürlich ist man dann anfälliger für Infekte, Verspannungen, was auch immer.

Müssten Sie als Ärztin nicht vor den Nebenwirkungen des Hügels warnen?

Nitzl-Willner: Der Hügel ist einfach der Hügel, da kann man nichts ändern. Jeder muss natürlich wissen, was er sich zumutet. Ich bewundere schon manche älteren Festspielgäste. Es ist erstaunlich, welches Durchhaltevermögen viele haben. Da gibt es über 90-Jährige, die von Übersee geflogen kommen, nur um ein, zwei Vorstellungen zu sehen. Und das womöglich noch in der Galerie, also auf einem eher engen Platz. Ehrlich gesagt: Mich wundert, dass da nicht mehr passiert.

Der Wagnerianer ist vermutlich hart im Nehmen?

Nitzl-Willner: Das kann man wohl sagen. Die Begeisterung macht da vieles möglich.

Als Hügelbesucher braucht man eigentlich Stützstrümpfe und einen Masseur. Was empfehlen Sie?

Nitzl-Willner: In der Hitze wird kein Mensch Stützstrümpfe tragen. Aber Spaß beiseite: Wichtig ist es, viel zu trinken – doch nicht direkt vor der Aufführung. Am besten morgens bis mittags, nachmittags nur noch wenig. Auf jeden Fall sollte man genug essen, aber etwas Leichtes, also keinen Schweinebraten mit Knödeln. Dann ist es auch ratsam, eine Kleinigkeit in der Tasche zu haben, ein Stück Schokolade zum Beispiel. Das Wichtigste ist aber bequeme Kleidung. Und bloß keine hochhackigen Schuhe! Wer leicht umkippt oder Platzangst hat, kann ja die Besucher am Rand fragen, ob sie nicht den Platz tauschen.

Sehen Sie sich auch die Vorstellungen an?

Nitzl-Willner: Ich nehme mir immer vor, alle Generalproben zu sehen. Es gibt ja im Zuschauerraum ganz vorne einen Sitz für den Theaterarzt. Den benutze ich aber nur in der Generalprobenzeit. Es würde zu sehr stören, wenn ich während einer Vorstellung hinter die Bühne müsste. Also bin ich im Arztzimmer auf Abruf.