Verwaltung
Der „Hintermann“ führt die Geschäfte

Nach dem Skandal in Wenzenbach steht das Rathaus vor einer Herausforderung: Der stellt sich der 28-jährige Benjamin Leistner.

04.02.2015 | Stand 16.09.2023, 7:03 Uhr
Martina Schaeffer
Benjamin Leistner, bisher „Hintermann“ des Geschäftsstellenleiters und hier mit dem Rosinsky-Bild „Der Ritter“ im Hintergrund, hat die Amtsgeschäfte kurzfristig übernommen. −Foto: Schaeffer

Die Gemeinde Wenzenbach steht seit Monaten vor einer großen Herausforderung: Der vermeintliche Finanzskandal um die angebliche Veruntreuung von Steuergeldern hat nicht nur bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, sondern auch in der Verwaltung der Vorwaldgemeinde eine Lücke gerissen. Der Geschäftsstellenleiter, gut 40 Jahre im Dienst, wurde suspendiert. Sein Weggang, das Wegbrechen seines Know-hows muss jetzt irgendwie aufgefangen werden. Und das hat sein bisheriger Stellvertreter, sein „Hintermann“, der 28-jährige Verwaltungsfachwirt Benjamin Leistner übernommen.

Dabei hätte in Wenzenbach leicht das totale Chaos ausbrechen können. Denn seit der Wahl 2014 ist in der Vorwaldgemeinde Vieles ganz anders: Mit Sebastian Koch (SPD) führt seit Mai ein neuer und mit 27 Jahren obendrein sehr junger Bürgermeister die Geschäfte. Auch der Bauamtsleiter schied aus, weil er in einer anderen Gemeinde Bürgermeister wurde. All dies, mit dem damit nötigen Wissenstransfer, musste im Rathaus, in der Verwaltung in kürzester Zeit bewältigt werden, obendrein erschwert durch die Aufarbeitung der vermeintlichen Finanzunregelmäßigkeiten.

Kämmerer gesucht

Aktuell steht jetzt gerade die Vorbereitung des Haushalts 2015 für die Gemeinde an, mit dem Finanzwerk werden die Weichen für die weitere Entwicklung gestellt. Diese Aufgabe hatte bisher ebenfalls der suspendierte Geschäftsführer inne, der zugleich Kämmerer war, was wegen des fehlenden Vier-Augen-Prinzips überhaupt dem vermeintlichen Finanzskandal erst Vorschub geleistet haben soll. Und so wird aktuell in Wenzenbach auch ein neuer Kämmerer gesucht, der die Finanzverwaltung mit Kämmerei, Kasse, Vermögens- und Liegenschaftsverwaltung samt Überwachung einmal übernehmen soll. Bis 6. Februar läuft die Bewerbungsfrist.

Den Haushalt für das laufende Jahr aber bereitet nun Benjamin Leistner vor. Und der Erfahrungsschatz, den er in den letzten Jahren gesammelt hat, kommt dem 28-Jährigen dabei zugute. Er hat selber in der Verwaltung gelernt, wurde bereits 2007 zum Kassenverwalter der Gemeinde bestellt. Buchführung, Rechnungsprüfung und ähnliches sind ihm wohlvertraut und kein Buch mit sieben Siegeln.

Vom Geschäftsführer gelernt

Aktiv war Leistner auch in der Vergangenheit schon an der Aufstellung des Haushalts beteiligt. Denn: Der Verwaltungsfachwirt stand sechs Jahre dem Geschäftsstellenleiter zur Seite, war in den letzten zwei Jahren als Stellvertreter „sein Hintermann“, wie er seine Aufgabe selbst flapsig bezeichnet. Das sei ihm sehr zugute gekommen, meint er. Denn der bisherige Geschäftsführer sei ein sehr, sehr fundierter Rechtskenner und ein sehr akribischer Arbeiter gewesen. Für Leistner „ein Glück“, damit er seine Aufgaben jetzt alle stemmen könne.

Zum Finanzgebaren in Wenzenbachs Vergangenheit will er nichts sagen. Für die Gemeinde sei mit Übergabe der Akten an die Staatsanwaltschaft die Sache vorerst erledigt. Jeder habe aber verdient, jenseits von Ressentiments, dass vor einer Vorverurteilung ein Urteil der Judikative, des Gerichts, abgewartet werde. Auf das Urteil in diesem Fall warteten selbst viele Juristen gespannt.

Schwierige Situation

Aber für Wenzenbach bedeute dies jetzt: „Wir können endlich wieder objektiv arbeiten.“ Doch ganz spurlos ist der Fall an der Verwaltung nicht vorübergezogen. „Es ist eine schwierige Situation“, räumt Leistner ein.

Wenzenbach sei neben den Städten und Märkten die größte Gemeinde im Landkreis. Und die Doppelfunktion als Kämmerer und Geschäftsführer sei eine „immense Aufgabe“. Eine Vollzeitkraft, die 40 Jahre Erfahrung habe, könne man nicht auf einen Schlag ersetzen. Und so müsse die Verwaltung derzeit schon stark rudern, um zeitlich alles noch unter Dach und Fach zu bringen.

In der Rolle des Geschäftsführers bereitet Leistner aktuell die Sitzungen von Gemeinderat oder Schulverband vor, arbeitet dem Bürgermeister zu, ist zuständig für Finanzgeschäfte, Grundstücksfragen, Versicherung oder Personalwesen. Und ohne Überstunden, wie sie übrigens auch der derzeit suspendierte Geschäftsführer regelmäßig erbrachte, sei das gar nicht zu leisten. Mindestens 50 Stunden die Woche ist Leistner aktuell im Büro, auch abends oder an Wochenenden.

Noch jung und belastbar

Aber er klagt nicht: „Ich sehe das nur als temporär an und ich bin noch jung und belastbar.“ Auch seinen Humor hat er sich bewahrt: Immerhin sei er glücklich, dass er noch unter der Stundenzahl des Bürgermeisters liege. Neue Aufgaben gingen relativ schnell vonstatten, die älteren brauchten dagegen viel Zeit. „Weil ich in den Akten wühlen muss“, erklärt Leistner.

Und der 28-Jährige kann der Situation durchaus auch positive Seiten abgewinnen: In der sehr unterbesetzten Wenzenbacher Verwaltung herrsche ein großer Zusammenhalt. „Ich finde schon, dass wir in vielen Bereichen sehr fundiert und sehr konstruktiv zusammenarbeiten.“ Die Krise schweißt zusammen.