Album
Der traurige Kosmonaut Jason Pierce

Trost für Herz und Seele: Der Spaceman hat für sein Bandprojekt Spiritualized das neue Album „And Nothing Hurt“ geschrieben.

13.09.2018 | Stand 12.10.2023, 10:03 Uhr
Angelika Sauerer

Jason Pierce alias J. Spaceman veröffentlichte nach sechs Jahren ein neues Album. Foto: Juliette Larthe

Mit Musik von Spiritualized hat es eine eigenartige Bewandtnis: Du bist mies drauf, dein Kopf ist in Unordnung, alles tut weh, alles geht schief. Dann hörst du den Spaceman. Und alles wird gut. Funktioniert übrigens auch so: Wenn alles gut ist, wird es noch besser. Songs von Jason Pierce sind schon ein kleines Wunder, besser als jede Pille, jede Droge. Süchtig machen sie trotzdem. „And Nothing Hurt“ heißt das neue Album des 52-jährigen Briten und das ist freilich auch eine Botschaft. Glück ist bereits der Zustand, wenn nichts weh tut.

Er hat sich sechs Jahre Zeit gelassenseit seinem letzten Album „Sweet Heart Sweet Light“. Und doch scheint es so, als wäre keine Sekunde vergangen. So nahtlos, so zeitlos, so endlos, so klassisch ist sein Space-Rock-Sound seit über 20 Jahren. „Ladies and Gentlemen We are Floating in Space“ (1997) lautete der Titel des dritten Albums von Spiritualized, dem Bandprojekt gegründet Anfang der 90er Jahre, hinter dem als einziges dauerhaftes Mitglied Pierce steht.

Das Magazin Pitchfork gab „Ladies and Gentlemen“ zehn von zehn Punkten, der New Musical Expresses rankt es auf Platz 156 der besten 500 Alben aller Zeiten, der Rolling Stone zählt es zu den besten der 90er Jahre. Jason Pierce nennt seine Musik eine Medizin für Herz und Seele. Gezeichnet von Krankheit und Sucht schreibt er immer wieder ein neues Rezept.

„Es war dermaßen harte Arbeit. Ich sah mich dabei fast verrückt werden.“Jason Pierce

Dieses Mal ganz alleine. Ein Kampf, der an seine Grenzen ging. „Es war dermaßen harte Arbeit. Ich sah mich dabei fast verrückt werden“, sagt Pierce, der sich auch J. Spaceman nennt. Spaceman 3 hieß die erste Formation, die Pierce in seiner Heimatstadt Rugby 1982 mit Peter Kember gründete. 1991 löste sich die Band auf – im Streit und man kann sagen, mehr oder weniger auch im Drogenrausch. Nachdem Pierce 2005 beinahe an einer Lungenentzündung gestorben wäre, hörte er angeblich mit dem Heroin auf.

„And Nothing Hurt“ ist eine Low-Budget-Produktion, entstanden in einem kleinen Zimmer in seinem Haus im Osten Londons. Weil er kein Geld für eine aufwendige Studioproduktion hatte, kaufte er sich einen Laptop und mietete sich stundenweise in einem Studio ein. Aus den eingespielten Sequenzen puzzelte er daheim ein überwältigendes Werk zusammen, das wirkt wie aus einem Guss. Es zieht – wie immer bei Spiritualized – seine Kraft aus dem Widerspruch von Sanftem und Rauem.

Was heute nicht geht, geht immer auch morgen

Eine zartes Schlaflied mit bitterer Botschaft („A Perfect Miracle“) wird gefolgt von melodiösem Gitarrenrock („I’m Your Man“, „Here It Comes“). „Let’s Dance“ startet leise, verdichtet sich zum breiten Strom und einer fast verzweifelten Aufforderung zum Tanz. Rotzig-rockig danach „On The Sunshine“ das mit der entwaffnenden Botschaft lärmt: „You can always do tomorrow / What you cannot do today“. So einfach ist das. Was heute nicht geht, geht immer auch morgen. Das ist die Lebensweisheit eines Geplagten, eines Zweiflers und Zauderers, eines Perfektionisten, für den ein veröffentlichtes Album immer nur ein schmerzhafter Kompromiss ist.

„Damaged“ tröstet mit wankendem Blues, während die Zeilen keinen Schimmer Hoffnung lassen. „The Morning After“ rockt sich zur Noise-Orgie hoch, dystopisch im Sound und im Inhalt. „Prize“ zweifelt an der Liebe und ist wie „Sail On Through“ eine Hymne der Hilflosigkeit, inszeniert mit Fiedeln, Chorgesang, Morsezeichen und orchestralem Arrangement, die gut beschützt in ihrer kleinen Blase in den Himmel abhebt und schwerelos in schwindelnde Höhen treibt.

Trotz aller Verlorenheit in Raum und Zeit bleibt am Ende ein Gefühl von gelassener Seelenruhe. Die Medizin wirkt.

Sehen Sie hier das Video zu „I’m Your Man“:

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