Höchstpersönlich
Die Künstlerin mit spirituellem Eifer

Kunst ist für Birgit Eiglsperger das Erkunden von Material und Möglichkeiten. Die Professorin will junge Menschen fördern.

15.12.2017 | Stand 16.09.2023, 6:16 Uhr
Michael Scheiner

Birgit Eiglsperger Foto: Scheiner

Lächelnd hält sie die schwere metallene Tür auf. „Ich dachte, ich zeige ihnen erst die Werkstatträume“, deutet Professor Dr. Birgit Eiglsperger in den aufgeräumt und gleichzeitig vollgestellt wirkenden lichtdurchfluteten Raum. Die Nordwand ist komplett verglast und gibt den Blick auf den funktionalen Turm des Sammelgebäudes, den Gebäudekomplex Recht und Wirtschaft und ein Stück des Audimax der Uni Regensburg preis. Drei Seiten sind mit tiefen Regalen bestückt. Darin lagern Kartons mit Draht und Gipsresten, kleinen Figuren, Farbdosen und Arbeitshandschuhen, Kieferknochen und andere Utensilien. „Danach können wir immer noch ins Büro gehen.“ Dr. Eiglsperger hat den Lehrstuhl für Kunsterziehung an der Uni inne und ist Leiterin des dazugehörenden Instituts. Vor zehn Jahren hat sie ihren Vorgänger, Professor Hermann Leber, beerbt. Wenige Jahre zuvor war er Zweitgutachter für ihre Dissertation „Differenziertes Raumwahrnehmen“, mit der sie in Regensburg zur Dr. Phil. promovierte.

Im ersten Raum verteilt stehen eine große Frauenfigur, die zum Fenster hinausschaut, ein in Kunststofffolie verpacktes lebensgroßes Tonmodell, Hocker und andere Utensilien. Sie weisen auf eine rege kreative und künstlerische Tätigkeit hin. Jetzt ist es still. Auf einem fleckenübersäten Holztisch steht ein kleiner Kocher mit einem Milchkännchen, in dem schwarz gefärbtes Modellierwachs erhitzt worden ist. Daneben einige rechteckige Platten aus Wachs, in die reliefartig Linien, Schraffuren und Flächen geschnitten sind. Hält man eine der Platten schräg ins Licht, erkennt man Landschaften, Hügel, vielleicht einen Flusslauf. „Damit arbeite ich zur Zeit viel“, erklärt sie. Zusammen mit den Studenten erkunde sie das Material und seine Möglichkeiten für den künstlerischen Einsatz. In den zwei Werkstatträumen können zehn bis zwölf Personen an den Tischen und Staffeleien arbeiten. Insgesamt sind es hundert im Hauptfach und einige hundert Studierende im Nebenfach. Dazu kommen Promotionsstudenten. Bei der nahe Straubing aufgewachsenen Niederbayerin lernen sie viel über „Figürliche Plastik – Porträt und Akt“, über Farbholzschnitte und thematische Projekte in Kunst und Wissenschaft. Natürlich gibt es auch noch Einführungsseminare in die Bildende Kunst und ästhetische Erziehung. In der Vita von Dr. Eiglsperger heißt es, ihr Forschen und Lehren ist geprägt von der „wechselseitigen Durchdringung von Kunstpraxis und Kunsttheorie mit Theorie und Praxis der Vermittlung“. „Das klingt abstrakt, beschreibt aber nur, dass ich nicht zwischen der Kunst, die ich mache, meiner Aufgabe als Wissenschaftlerin und dem Lehren trenne.“ Das gehöre natürlich zusammen, betont die Akademikerin, die sich ganz selbstverständlich auch als Künstlerin versteht.

„Das Kostbarste an unserem Fach ist, die Imagination junger Menschen zu fördern, damit sie aus dem Nebulösen heraustreten und Gestalt annehmen können.“Birgit Eiglsperger

Wie so etwas praktisch aussieht, kann man im neuen Zentrum für Altersmedizin (ZAM) im Stadtwesten sehen. Das auf dem Gelände des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder errichtete „Paul Gerhardt Haus“ ist von Dr. Eiglsperger zusammen mit Studierenden und Lehrenden, wie dem Theatermaler Peter Engel, künstlerisch ausgestaltet worden. Anders als sonst oft mit einem Kunst-am-Bau-Anhängsel, das wie ein Feigenblatt nach Fertigstellung eines Gebäudes noch drangepappt wird, war die Projektgruppe bereits in einem frühen Baustadium beteiligt. In einem intensiven Prozess setzten sich die Beteiligten mit Themen wie Altersmedizin, Kreativität im Alter, Prozessen von Heilung und Wahrnehmung auseinander, um daraus Ideen zu entwickeln. Daraus sind schließlich Bilder, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen hervorgegangen, die dem äußerlich unaufdringlichen Haus eine ganz eigene, fast magische Fasson geben.

Die Mentorin ist angetrieben von einer kaum stillbaren Neugier

Und nicht nur das, die Mentorin ist auch angetrieben von einer kaum stillbaren Neugier. Die Vorstellung, wie ein Mensch von einem Gedanken Schritt für Schritt dahin kommt, dass aus dieser immateriellen Eingebung im Kopf etwas Handfestes, etwas Solides wie eine Figur aus Bronze, Stein oder auch eine Zeichnung auf Papier wird, lässt sie nicht ruhen. „Die Entwicklung (eines) bildnerischen Denkens als produktive Intelligenz des schöpferischen Menschens“, schreibt sie, „ist eine Kernaufgabe für das Institut für Kunsterziehung“. Dafür gebe es aber kein Patentrezept. Im ZAM ist die Kunstprofessorin mit Gemeinschaftsarbeiten in den Lichthöfen und zwei Figuren, einem nachdenklich wirkenden Porträt des Namensgebers Paul Gerhardt und einer jungen, lächelnden Frau beteiligt. Letztere steht für die „Hospitalität“, gelebte Gastfreundschaft, nach dem Leitspruch der Barmherzigen Brüder.

Sie findet sich noch einmal als Modell im Werkraum des Studentenhauses wieder. Hier steht die Figur auch für den „Respekt“, als Achtung vor der eigenen Arbeit, immer aber auch für die Arbeit, die ein anderer leistet. Für die zielstrebige und „durchaus ehrgeizige“ Kunstschaffende einer der wichtigsten Aspekte im Umgang mit anderen Menschen. Diesen zentralen Wert kann sie sogar mit dem Katholischen verbinden, mit dem sie aufgewachsen ist. Im christlichen Anspruch des „Liebe deinen Nächsten“ erkennt sie den humanistischen der Wertschätzung. Diese fordert sie für eine Sache ebenso ein wie für eine Person. Neben dem hohen Stellenwert der Arbeit, liegt der Schlüssel für diese konservative Haltung vermutlich im Leben auf dem Bauernhof, auf dem sie als mittlere mit zwei Schwestern aufgewachsen ist. Für eine im kommenden Jahr zum 50. geplante Ausstellung beschäftigt sie sich verstärkt wieder mit Eindrücken ihrer Kindheit und mit der niederbayerischen Landschaft. Dabei geht es ihr nicht in erster Linie um die Linien und Strukturen, wie sie in den Reliefs erkennbar sind, vielmehr interessiert sie, „was dahintersteht“. Es wirkt wie ein spiritueller Eifer, ein Fieber, das sie antreibt. Damit lässt sie die Aufklärung in einem zentralen Bereich hinter sich, wie vor ihr auch schon weitsichtige Autoren und Denker in der frühen Nachkriegszeit, die der Objektivität von Wissenschaft und Rationalität zu Recht misstrauten.

Werte sind es auch, die sie ihren „zwei wunderbaren Jungs“, 11 und 13 Jahre, mitgeben will. Selbst im Urlaub, wie dieses Jahr im turbulenten Barcelona, haben sie mindestens drei Reisefarbkästen im Gepäck. „Und wenn es nur ein Boot oder eine Landschaft ist, die einer malt“, erzählt sie mit weicher Stimme, „sind das bleibende Erinnerungen“. Mit der Erziehung hat sie sich nicht immer leichtgetan, weshalb sie als Rollenvorbild auch nur bedingt tauge. „Wenn die Kinder mal krank waren oder als ich anfangs stillte, war es manchmal verdammt schwierig, Arbeit, Engagement und Familie unter einen Hut zu bringen.“

Einsatz als Frauenbeauftragte an der Universität

Die Uni mit ihren inzwischen vielfältigen Betreuungsangeboten habe da viel Entlastung gebracht. Einblicke in solche und weitere Probleme von vor allem Frauen hat sie reichlich machen können. Zwei Jahre war sie Frauenbeauftragte der Uni und hat diese Aufgabe mit viel Einfühlungsvermögen und viel Zeit zusätzlich ausgefüllt. Heute ist sie noch Mitglied im Kunstrat Bayern. Ansonsten geht sie mit ihren Studierenden gern an die Öffentlichkeit. Denn die meisten von ihnen kommen aus der Region und wollen hier – wie ihre Professorin – etwas bewirken.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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