Handwerk
Die Schnitzerin aus Nittenau

Inge Hoffmann ist gelernte Holzbildhauerin. Für sie ist es ein Traumberuf – auch wenn er nicht mehr besonders gefragt ist.

14.12.2016 | Stand 16.09.2023, 6:35 Uhr
In ihrer kleinen Werkstatt hat Inge Hoffmann besonders in der Weihnachtszeit alle Hände voll zu tun. −Foto: Fotos: scl

Eigentlich hatte Inge Hoffmann als kleines Mädchen immer davon geträumt, später einmal Floristin zu werden. Doch nach dem Schulabschluss ließ sich dieser Wunsch in Nittenau nicht so leicht verwirklichen. Gelandet ist Hoffmann trotz der Planänderung genau in ihrem heutigen Traumberuf: Die 54-Jährige ist gelernte Holzbildhauerin, arbeitet in ihrer Heimatstadt in ihrer eigenen kleinen Werkstatt und betreibt einen Holzschnitzerladen, in dem sie eine bunte Auswahl an Holzfiguren verkauft. Besonders jetzt in der Vorweihnachtszeit hat Hoffmann wie jedes Jahr alle Hände voll zu tun.

80 verschiedene Schnitzeisen

In ihrem Laden, wo Krippen- und Heiligenfiguren in allen Variationen und Größen feinsäuberlich aufgereiht die Regale zieren, deutet nichts darauf hin, dass zuvor viele Späne gefallen und einiges an Beize und Farbe verbraucht wurde. Gleich nebenan in der Werkstatt sieht es dagegen noch richtig nach Arbeit aus. An die 80 verschiedenen Schnitzeisen hat Hoffmann feinsäuberlich griffbereit an ihrer Werkbank aufgereiht.

Den professionellen Umgang mit diesen scharfen kleinen Messern musste Hoffmann in ihrer Lehrzeit mühsam trainieren. „Der Umgang mit dem Werkzeug erfordert viel Übung über eine lange Zeit hin“, sagt sie. Dass eine gute Portion Talent dabei nicht schaden kann, steht außer Frage. Inge Hoffmann hat es und wurde darin schon früh bestärkt. Sie erinnert sich noch gut daran, wie sie mit ihren zwei Geschwistern in der väterlichen Schreinerei saß, dort kleine Holzschiffchen baute und mit Hammer und Nägeln hantierte.

„Der Umgang mit dem Werkzeug erfordert viel Übung über eine lange Zeit hin.“Inge Hoffmann

In ihrer Lehrzeit bei der Holzschnitzerei Eibl in Nittenau stieg sie als junges Mädchen dann tief in die Materie ein. Zusammen mit 20 anderen Schnitzern arbeitete sie dort an Heiligen- und Krippenfiguren. Ihr Gesellenstück, die „Mater dolorosa“, also die schmerzensreiche Mutter Jesu, hält Hoffmann besonders in Ehren. Die Figur aus Lindenholz steht bis heute gut sichtbar in ihrer Werkstatt. 14 Tage hatte sie damals am Ende ihrer Ausbildung Zeit, um aus dem großen Stück Lindenholz die Gestalt und das traurige Gesicht Marias herauszuarbeiten. Noch heute ist Hoffmann stolz auf dieses ganz besondere Werkstück.

Der Preis ist das Problem

Eigentlich würde sie sehr gern viel häufiger frei nach ihren Ideen oder auf Wünsche eines Kunden hin große Figuren schnitzen und verkaufen. Doch genau hier liegt das Problem: Solche Einzelstücke, die unzählige Arbeitsstunden erfordern, haben am Ende auch ihren Preis, wenn der Schnitzer daran auch etwas verdienen möchte und seinem Handwerk nicht nur aus Spaß nachgehen will. Am Ende steht schnell ein vierstelliger Betrag auf dem Preisschild, ohne dass sich der Künstler damit bereichern würde – so viel Aufwand steckt dahinter, um aus den aus verleimten Bohlen bestehenden Lindenholzblöcken eine feine Gestalt herauszuarbeiten. „Vielen Menschen ist so eine handgearbeitete Figur am Ende viel zu teuer“, bedauert Hoffmann.

„Es ist mein Traumberuf, weil man sehr selbstständig und frei arbeiten kann. Ich würde es heute wieder genauso machen.“Inge Hoffmann

Deshalb greift sie, wie mittlerweile die meisten Holzschnitzer, für ihre Stücke auf sogenannte Rohlinge zurück. Das sind mit einer Fräsmaschine rundum sehr grob vorgefertigte Figuren, die sie dann mit ihren Schnitzmessern nach ihrem Geschmack weiterbearbeitet und sie auch mit feinen Pinseln beizt oder bemalt. „Da kann man seine eigene Handschrift reinbringen“, sagt Hoffmann. Sie hat besonders viel Freude daran, auf eine Figur nach dem Schnitzen anstelle von bunten Farben verschiedene Wachsbeizen aufzubringen. Das ergibt am Ende diverse Brauntöne. „So kommt der Holzcharakter besser zum Tragen“, sagt sie.

Reparaturaufträge vor dem Fest

In diesen Tagen, so kurz vor Weihnachten, arbeitet Hoffmann häufig auch Reparaturaufträge von Kunden ab. Denn so mancher stellt beim Inspizieren seiner Krippe fest, dass mit der einen oder anderen Figur etwas nicht in Ordnung ist und dass der Fehler pünktlich bis zum Heiligen Abend behoben sein sollte.

Auch wenn es nicht mehr viele junge Leute gibt, die sich zum Holzschnitzer ausbilden lassen – schließlich gibt es viele Berufe, die mit besseren Zukunftsaussichten locken: Inge Hoffmann hat es nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Während ihr Mann als Maschinenbauer Vollzeit außer Haus war, konnte sie daheim in der Werkstatt arbeiten und Tochter Anja immer mit dabeihaben – und gleichzeitig ihre Kreativität ausleben. „Es ist mein Traumberuf, weil man sehr selbstständig und frei arbeiten kann. Ich würde es heute wieder genauso machen“, sagt sie.