Manhattan in den 50ern. Sie lächelt ihn an mit ihren blutrot geschminkten Lippen, die Augenbrauen spöttisch hochgezogen, hebt das Martiniglas und prostet ihm zu. Nach einem Schluck greift sie in ihre Handtasche und holt ein silbernes Zigarettenetui hervor. Sie nimmt eine heraus, steckt sie auf die Zigarettenspitze. Ohne den Augenkontakt zu verlieren, greift er zu seinem Zippo … und schon funkt’s.
Bilder wie aus alten Filmen tauchen jetzt auch wieder in Regensburger Straßencafés auf. Die Kunst des stilvollen Rauchens kehrt wieder. Peter Götz, größter Tabakhändler Ostbayerns (sechs Läden in Regensburg, Kelheim, Weiden und Bayreuth), hat in einem Monat 300 Zigarettenetuis verkauft. Der Grund ist ein profaner: Abgestorbene Füße, offene Kehlen, vergammelte Zähne, frustrierte impotente Raucher will niemand neben seiner Kaffeetasse sehen. Seit es im Mai Pflicht wurde, 65 Prozent der Vor- und Rückseite einer Zigarettenschachtel mit Ekelbildern zu bedrucken, gehen Raucher dazu über, die Zigaretten nach dem Kauf sofort umzufüllen.
Hersteller mit Lieferschwierigkeiten
Aufkleber wie „Rauchen verursacht Schlaganfälle und Behinderungen“ reicht nicht mehr. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte: Schaut alle her! So sehen demnächst eure Lungen aus! Wie eine frisch geteerte Straße, über die ein Dutzend Panzer gerollt sind! 12 Motive sind zur Zeit im Umlauf. Insgesamt gibt es 42 Bilder und 14 Warnhinweise. Jedes Jahr werden die Fotos ausgetauscht, um einen Gewöhnungseffekt zu vermeiden. Die Wirkung wurde an 8000 Probanden in zehn EU-Mitgliedsstaaten getestet. In Australien, wo die dieStarkes Engagement gegen das RauchenSchockbilder schon seit 2012 auf den Schachteln sind, rauchen nur noch etwa 16 Prozent. In Deutschland liegen wir nach Zeitungsberichten bei 25 Prozent. Bei Peter Götz ist der Umsatz gleichgeblieben. Erstens ist die Zahl der Tabakläden in Regensburger von acht auf zwei geschrumpft. Und zweitens: „Es ist kaum ein Schaden, wo nicht auch ein Nutzen dabei ist“, sagt der sportliche 57-Jährige und lächelt breit. Seine Verkäuferin Claudia Hetzenecker, die 37 Jahre ununterbrochen im Flaggschiff-Geschäft am Neupfarrplatz arbeitet, breitet sie auf dem Verkaufstresen aus. Alle Materialen, alle Preislagen. Pappe, Metall, Plastik, Leder bis Sterlingsilber. Schön ist die rote Pappschachtel mit dem Aufdruck „Kiss“ für einen Euro. Der Renner ist das metallene Etui für 14,50 Euro. Der Hersteller hat Lieferschwierigkeiten.
Aber das Sterling-Etui ist eindeutig ihr Schmuckstück im Laden, schwer liegt es in der Hand. Auf Druck springt der mit blauem Emaille verzierte Deckel auf und zeigt sechs Zigaretten, gehalten von einem Gummiband. 789 Euro kostet das Raucher-Kleinod. Davon hat er auch schon eins verkauft. Peter Götz ist verheiratet, kinderlos, Skorpion. Im November wird er 58 Jahre alt. „Nach mir“, sagt er, „keinTabak Götzmehr.“ Den Namen gibt es seit 70 Jahren am Neupfarrplatz. Peter Götz führt die Firma in dritter Generation. Hürden gab es in seinem Tabakhändlerleben schon einige. „Da war in den 90er Jahren erst einmal der Sprung auf 5 Mark pro Schachtel. Dann kamen die Aufkleber. Und jetzt sind die Ekelbilder da.“
Einmal die Woche steigt er in den Boxring. Das braucht der impulsive Mann, der Zigarren raucht, Playboy liest und hin und wieder mit guten Kunden Whiskey schlürft. Er war schon im Geschäft, da war der Neu pfarrplatz auch noch zum Parken da. Standlmann Adolf Murr rief Südfrüchte aus. „Banane, Banane, die Lieblingsfrucht für die Dame.“ ImCafé Schürnbranddurfte selbstverständlich geraucht werden. Peter Götz: „In den 60er, 70er Jahren legte der Mann von Welt sein Silberfeuerzeug und sein graviertes Zigarettenetui auf den Tisch. Da wusste jeder, was Sache ist.“ Der Trend zurück zum Stil ist stimmig. Rauchen ist Luxus. Eine Schachtel mit 20 Zigaretten kostet 6 Euro. Das lohnt sich wieder einmal, in DM umzurechnen. Im Wirtschaftswunder gab es die Schachtel Stuyvesant im Straßenverkauf für 50 Cent.
Die Menge macht das Gift
Sogar Menschen, die in ihrem Leben noch keine Fluppe in den Mund genommen haben, bekommen angesichts dieser Ausgrenzung der Raucher solidarische Gefühle mit den neuen Parias der Gesellschaft. Im Netz ist von Erziehungsdiktatur die Rede. Man beklagt, dass man den EU-Bürgern vorschreibt, wie sie sich ernähren, wie viel CO2 sie verbrauchen dürfen.
Peter Götz bestreitet nicht, dass Rauchen ungesund ist. „Genauso wie Übergewicht und Alkohol auch.“ Er zitiert aber die Kurzform des Paracelsus-Zitats: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“ Götz propagiert deswegen das durch Eigenverantwortung kontrollierte Genussrauchen. „Ich habe Kunden, die rauchen zwei Zigaretten am Abend. Ich selbst rauche zwei Havannas in der Woche.“ Er holt sie aus dem begehbaren Humidor und bläst dicke Kringel.
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