Erlebnis
Facetten jüdischen Lebens in der Stadt

Am Welterbetag entdeckten die Besucher in Regensburg jüdische Kultur. Klezmerklänge schwebten über dem Marc-Aurel-Ufer.

02.06.2019 | Stand 16.09.2023, 5:41 Uhr
Gabi Hueber-Lutz

Rabbiner Efraim Yehoud-Desel schrieb die Namen der Besucher in hebräischen Schriftzeichen. Fotos: Hueber-Lutz

Im 13. Jahr ist Regensburg nun Welterbestadt. Zum Welterbetag stand heuer das Daheimsein der Jüdischen Gemeinde in der Stadtgesellschaft im Mittelpunkt eines Festes am Marc-Aurel-Ufer entlang der Thundorferstraße.

Es war kein lautes und umtriebiges Fest, sondern ein gemächliches. Mit viel Zeit, sich in Aspekte jüdischen Lebens zu vertiefen. Die Töne der jüdischen Klezmermusik, gespielt von Heinz Grobmeier und Fredy Granzer zogen am Ufer entlang, vermischten sich mit dem Duft von Bratwürsten auf der einen Seite und jüdischer Fischspeise ein paar Meter weiter.

Gegenwart spielte eine große Rolle, Vergangenheit ebenso. Kulturreferent Clemens Unger eröffnete das Fest mit einem Dank an die Jüdische Gemeinde, ohne deren Mithilfe dieser Welterbetag in Regensburg nicht möglich gewesen wäre. Welterbe sei ja kein Zustand, sondern ein dauernder Prozess, der gepflegt werden wolle.#

Immer dicht umdrängt war der Tisch von Rabbiner Efraim Yehoud-Desel. Er hatte Karten aus schönem Papier dabei, die Kinder und Erwachsenen mit filigranen Motiven bedrucken durften. Auf diese Karten schrieb der Rabbiner dann die individuellen Namen. Eine Touristin aus Korea war sehr fasziniert von der Technik. Sie wollte Karten für ihre Enkelkinder mitnehmen. Yehoud-Desel wollte gerne wissen, ob die Namen spezielle Bedeutungen haben. Ganz klappte es nicht, die Bedeutungen zu verdeutschen, aber so viel war klar: In jedem der Namen steckt das Wort „Liebe“. Als die Karten fertig waren, sahen sie aus wie kleine Kunstwerke.

Eiszeit im Sommer

Diejenigen, die an diesem Tag historische Figuren mimten, hatten es nicht ganz leicht. Der junge Darsteller eines Musketiers aus dem 18. Jahrhundert suchte den Schatten. Zu seiner historischen Zeit habe in Europa Eiszeit geherrscht, erklärte er. Entsprechend war die Bekleidung. Auch sein Kompagnon, ein bischöflicher Soldat aus dem 13. Jahrhundert im Kettenhemd war um jeden Baum dankbar.

Nicht recht viel kühler hatten es ein paar Jugendliche des St. Marien-Gymnasiums. Genauso wie ihre jungen Kollegen vom Lappersdorfer Gymnasium und vom Albrecht-Altdorfer-Gymnasium luden sie zu Schauspielführungen ein. Johanna stöhnte ein wenig. Sie und Paula mimten römische Soldaten und die Helme auf ihren Köpfen hatten ein ordentliches Gewicht.

Bei der Porta Praetoria erwarteten die beiden Mädchen die Besuchergruppe bereits im Kostüm und vermittelten viele Informationen. Weiter ging es zur Steinernen Brücke. Dort unterhielten sich die Baumeister. Im Hintergrund lauerte aber auch der Teufel, der den Besuchern dann die Sage vom Pakt des Brückenbaumeisters mit dem Teufel erzählte. Luzifer bekam die ersten Seelen, die über die Brücke gingen. „Teufelchen“ Sofie hatte deswegen auch einen guten Rat für die Besucher dabei: „Passen Sie auf, dass Ihnen der Teufel nicht in die Quere kommt, wenn Sie nach der Sanierung über die Brücke gehen.“

Auch Führungen durch die neue Synagoge gab es. Da hatte man aber schnell sein müssen, um einen Platz zu ergattern. „Die sind schon lange ausgebucht, der Run ist enorm“, wusste Rudolf Saule, der ehemalige Leiter des Regensburger Planungsreferats. Wer keinen Platz mehr bekommen hat, möge sich trösten. Das Evangelische und das Katholische Bildungswerk wollen weitere Führungen organisieren, sagte Saule.

Challa und gefilte Fisch

Viel Information gab es auf Schautafeln. Sie waren so gestaltet, dass die Leute sich gern in die Inhalte vertieften. Sehr aufschlussreich waren zum Beispiel die Zusammenstellungen zur jüdischen Kultur. Da ging es um die Architektur, um Sprache und Traditionen und jüdische Küche. Noch spannender war es natürlich, die jüdische Küche zu zu probieren: Challa, also jüdisches Brot, Humus, die Kichererbsenpaste, Oliven, Gefilte Fisch, dazu eine scharfe Creme aus Meerrettich und Roter Beete – die Schlange der Verkoster riss nicht ab.

Ganz mittelalterlich lebensnah konnten die Besucher bei der Jugendbauhütte zu drechseln. „Ohne Strom, den gab’s damals nicht“, sagte Stefan Aichner, deren Leiter. Ein fußbetriebenes Pedal brachte den nötigen Schwung. Noch viel gab es zu sehen an diesem Tag. Unter anderem im Besucherzentrum und eine Ausstellung im Haus der Bayerischen Geschichte.