Ukraine-Flüchtlinge
Flucht vom Krieg endet in Breitenbrunn

Die Familie Hryschenko hat eine lange 2200 Kilometer lange Reise hinter sich. Sie findet nun Zuflucht in Breitenegg.

18.03.2022 | Stand 15.09.2023, 6:39 Uhr
In der Ferienwohnung bei Gerd und Birgit Kobl in Breitenegg hat die Familie Hryschenko herzliche Aufnahme gefunden. −Foto: Werner Sturm

„Wir haben immer gedacht, wir leben im 21. Jahrhundert in einer zivilisierten Welt. Deshalb haben wir niemals erwartet, dass Putin unser Land mit einem fürchterlichen Krieg überzieht. Noch dazu, wo von russischer Seite immer wieder davon gesprochen wurde, dass wir ein Brudervolk sind.“ Die 36-jährige Anastasiia Hryschenko ist zusammen mit ihrem Ehemann Yevhenii (38) und ihrer bald zwölfjährigen Tochter Valeriia mit dem Auto Anfang März aus der Ukraine geflüchtet. Rund 2200 Kilometer lang war die Flucht aus ihrer Heimatstadt Kirowohrad in der Zentralukraine nach Deutschland.

Jetzt hat die von den Wirren des Krieges gebeutelte Familie eine Bleibe in der Ferienwohnung von Gerd und Birgit Kobl in Breitenegg gefunden. Zurückgeblieben sind der 58-jährige Vater und die 73 Jahre alte Großmutter von Anastasiia Hryschenko. „Wir machen uns große Sorgen um die beiden und versuchen jeden Tag telefonisch mit ihnen, genauso wie mit unseren ehemaligen Arbeitskollegen, in Kontakt zu treten“, erzählt die junge Frau. „Beim letzten Anruf erzählte mein Vater von Bombeneinschlägen und Raketenangriffen, von andauerndem Sirenengeheul und von Aufenthalten im Luftschutzbunker.“

Es gab keine andere Möglichkeit

Kirowohrad zählt rund 230 000 Einwohner und liegt 300 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Kiew und rund 350 Kilometer entfernt von der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer. „In Kirowohrad hatten wir eine schöne Wohnung, wir haben beide bei einer Bank gearbeitet, unsere Tochter besuchte die sechste Klasse des Gymnasiums und ging ihrem Hobby, dem Tanzen, nach. Wir planten miteinander für eine gute Zukunft“, sagt Yevhenii.

„Die Lage in unserer Stadt war zunehmend beängstigend, es ist unglaublich, dass so ein Krieg in der gegenwärtigen Welt möglich ist“, sagt Anastasiia und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Deswegen habe man keine andere Möglichkeit gesehen, als zu fliehen. Die fünftägige Flucht führte die Hryschenkos zunächst in Richtung Grenze zur Republik Moldau. „Wir hatten Angst auf der Straße, denn überall waren Kampfflieger und Soldatenkonvois unterwegs, es gab viele Passkontrollen“, sagt Yevhenii Hryschenko.

Spende:Kontakt:
Die Spendenbereitschaft der Deutschen ist groß, auch in Breitenbrunn. Wer helfen möchte, kann Hilfstransporte in die Ukraine mit einer Spende unterstützen. Die Familie Kucina, die aus der Ukraine kommt und in Breitenbrunn wohnt, bringt Hilfsgüter nach Landshut.Benötigt werden warme Bekleidung, Decken, Luftmatratzen, Schlafsäcke, aber auch haltbare Nahrungsmittel sowie Hygieneartikel. Wer die Aktion unterstützen kann, wird gebeten, sich bei Marjana und Slavik Kucina zu melden, Telefon 0157 / 59 13 05 09.

Er durfte mit seiner Familie ausreisen, weil er, gesundheitlich angeschlagen, nicht der Militärpflicht unterworfen war. Weiter ging es über Rumänien, wo die Familie wegen einer Autopanne eine zweitägige Zwangspause einlegen musste. Über Ungarn und Österreich kamen sie nach Neumarkt. Hier ist die Schwester von Yevhenii Hryschanko seit vielen Jahren verheiratet und dort haben weitere Verwandte ihren Lebensmittelpunkt. Auch seine Mutter weilt gerade in der Großen Kreisstadt. Sie hatte ihre Tochter besucht und kann wegen des Krieges nicht in die Ukraine zurück.

In Neumarkt verbrachte die Familie eine Nacht in einem Hotel und wurde schließlich vom Landratsamt an Gerd und Birgit Kobl vermittelt, wo sie nun Zuflucht gefunden hat. Mitgebracht hat sie Basset-Hund Doscha und die Katze Tichon. „Es ist nicht einfach für uns in einem fremden Land. Wir beherrschen die Sprache nicht, aber wir fühlen uns hier in Sicherheit und freuen uns sehr, dass wir von der Familie Kobl so herzlich aufgenommen wurden“, sagt Anastasiia Hryschenko. In Breitenbrunn gebe es alles, was man zum Leben brauche. Mit Hilfe ihrer Gastgeber finden sich die Hryschenkos schon ganz gut zurecht.

Auf der Suche nach Arbeit

Mutter Anastasiia bereitet ukrainische Gerichte wie Borschtsch oder gefüllte Krautknödel zu, Vater Yevhenni wird medizinisch gut versorgt, Tochter Valeriia hat schon eine gleichaltrige Freundin gefunden und die Kobls kümmern sich liebevoll um ihre Gäste. Die wollen in Deutschland bleiben und hoffen, Arbeit zu finden. Valeriia möchte, wenn es denn möglich ist, das Gymnasium in Parsberg besuchen. „Hier können wir in Sicherheit leben. Das Land und die Mentalität der Menschen gefallen uns“, sagt Anastasiia Hryschenko. „In der Ukraine haben wir keine Zukunft mehr. Inwieweit sich das Land jemals von der russischen Aggression erholt, ist ungewiss.“