Handwerk
Geigenbau: Die Kunst der Präzision

Die Firma Goldfuss in Regensburg repariert, baut und kopiert Streichinstrumente. Wir haben uns in der Werkstatt umgesehen.

06.07.2018 | Stand 16.09.2023, 6:08 Uhr

Seit 36 Jahren ist der Geigenbaumeister Thomas Goldfuss in seinem Handwerk tätig. Foto: Philipp Breu

Thomas Goldfuss sitzt rund 500 Meter vom Dom entfernt an seiner Werkbank am Schwanenplatz. Vor ihm liegt eine Geige. Das Griffbrett ist abgenutzt, der Lack am Korpus zerkratzt, Saiten und Steg hat er bereits entfernt. Präzise und gefühlvoll streicht er mit einer kleinen Feile und einem Schleifpapier abwechselnd über das Griffbrett. „Das, was ich hier gerade mache, ist eine klassische Wartungsarbeit für einen unserer Kunden“, sagt der 51-Jährige. Noch während er spricht, klingelt das Telefon. Der nächste Auftrag kommt herein.

Thomas Goldfuss ist Geigenbaumeister und betreibt das gleichnamige Unternehmen in der Domstadt bereits in der dritten Generation. Alle haben das Handwerk von der Pike auf gelernt, wurden in unterschiedlichen Betrieben und Geigenbaufachschulen auf der ganzen Welt ausgebildet und haben ihre Meisterprüfungen erfolgreich absolviert

Auf den Millimeter genau

Der 51-Jährige kramt in einer Schublade und holt einen Stift hervor. In der anderen Hand hält er einen Steg. Diesen setzt er anschließend auf den Korpus der vor ihm liegenden Geige und markiert die exakte Position. Daraufhin beginnt er den Steg mit einem Schnitzer vorsichtig abzuschaben. Schnitt für Schnitt fallen Millimeter dünne Holzspäne auf den Boden. Immer wieder hält Thomas den Stimmsteg an die Geige und bessert nach, bis er schließlich perfekt sitzt. Alleine den Steg genau anzupassen, kann bei älteren Modellen mehrere Stunden dauern. Jeder Bestandteil des Instruments wird individuell nach den Wünschen der Kunden gestaltet.“, erklärt er.

„Jeder Bestandteil des Instruments wird individuell nach den Wünschen der Kunden gestaltet.“

Goldfuss selbst hat seine Lehre 1982 im eigenen früheren Betrieb in Schwandorf bei seinem Vater Horst begonnen und ergänzte seine handwerkliche Ausbildung beim Halsschnitzer Oswald Kunstmann. 1985 siedelten sie das Unternehmen nach Regensburg um.Bis heute hat Thomas Goldfuss zahlreiche Preise gewonnen. Die Erfindung seines patentierten Cellosteges „Goldfuss-Premio“ im Jahre 2005 brachte ihm sogar weltweite Anerkennung. Nach zahlreichen Auslandsaufenthalten legte er seine Meisterprüfung im Jahre 1992 ab. „Bereits von klein auf habe ich bei meinem Opa in der Werkstatt geholfen und den Spaß an der Holzarbeit entdeckt. Eigentlich habe ich mich beruflich nie anders orientiert“, erklärt der Geigenbaumeister.

„Eigentlich habe ich mich beruflich nie anders orientiert“

Sein Blick schweift dabei durch die Werkstatt. Messer, Feilen, Hobel, Stechbeitel, die Liste an Werkzeugen, die fein säuberlich an den Wänden aufgehängt wurden, ist lang. Auf Maschinen zur Holzbearbeitung verzichten die Regensburger Geigenbauer zu einem großen Teil. „Bei uns wird in der Werkstatt fast alles per Hand gefertigt. Nur bei sehr präzisen Arbeiten, wie Stimmstöcke abdrehen oder Hartholz sägen, greifen wir auf unsere Maschinen zurück.“

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Neben ihm fasst ein Mitarbeiter einen Bassbalken in ein Cello ein. Weiter rechts bezieht Vater Horst, einen Geigenbogen. Mit 77 Jahren arbeitet er immer noch im Unternehmen. Im Nebenraum steht ein großes Regal mit unzähligen beschrifteten Gläsern. In diesen werden Farbstoffe und Lackbestandteile aufbewahrt. Aus diesen mischen die Geigenbauer ihren eigenen Lack zusammen.

Kassenbuch statt Registrierkasse

Im Vorraum der Werkstatt befindet sich der Laden. Rings um den Verkaufsraum stehen alte Holzkommoden, auf denen einige Geigen präsentiert werden. Das Licht scheint leicht gedimmt auf den Korpus der Streichinstrumente, ein frischer Holzduft liegt in der Luft. Unten am Boden, links neben der Eingangstür, stehen die eigens gefertigten Celli in Viererreihen. Die Preisschilder an den Hälsen der Streichinstrumente werden alle noch handschriftlich gestaltet, ein einfaches Kassenbuch ersetzt die Registrierkasse.

Hier erhalten Sie Informationen über Arbeitsschritte beim Geigenbau:

Thomas Goldfuss zieht aus einer Schublade im Laden fünf kleine Fotoalben hervor. Stolz deutet er im ersten Album auf die einzelnen Bilder einer Geige. Der Korpus war in mehrere kleine Einzelteile zerbrochen, das Griffbrett stark beschädigt, einzelne Seiten waren gerissen. „Die Bilder zeigen einen Fall aus den 90er Jahren. Der Auftrag kam damals von der Mannheimer Versicherung“, erklärt er. Der 51-Jährige blättert durch die einzelnen Seiten der kleinen Fotobücher, in denen die Reparatur der Geige mit Bildern dokumentiert wurde. Im letzten Album angekommen zeigt er mit dem Finger auf das Foto des Endprodukts. Nach zehn Monaten war die Geige wieder komplett hergestellt. Heute spielen junge Talente der Mannheimer Sinfonima-Stiftung auf ihr.

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