Kriminalität
Geklaut wird, was klein und teuer ist

Der Schwund aus den Regalen kostet die Händler mehr als drei Milliarden Euro jährlich. Auch der Kampf dagegen ist teuer.

12.07.2016 | Stand 12.07.2016, 10:29 Uhr
Kosmetikartikel wie Lippenstifte sind bei Dieben beliebt. −Foto: dpa

Bei der Firma Scholl hält sich die Begeisterung über den neuen Titel in Grenzen. Einer ihrer Hornhauthobel wurde gerade in der Rossmann-Mitarbeiterzeitung zum „Klaurenner Nr. 1“ in den gut 2000 Filialen der Drogeriemarktkette gekürt. „Solche Publicity wünscht man sich eigentlich nicht“, sagt eine Sprecherin. Ob sie eine Erklärung für die hohe Attraktivität des Hightech-Hobels bei den Langfingern hat? „Ich tippe sehr auf den Wiederverkauf“, erklärt sie.

Klein und handlich sind sie – und mit rund 40 Euro Ladenverkaufspreis offenbar eine ideale Beute für Ladendiebe. Die im März auf den Markt gekommene Deluxe-Variante „wet & dry“ bringt es sogar auf rund 50 Euro. „Geklaut wird alles, was klein und teuer ist“, bestätigt Ute Holtmann vom Kölner Handelsforschungsinstitut EHI. Im Elektronikhandel sind das Smartphones und Speicherkarten, bei den Baumärkten Akku-Schrauber, beim Bekleidungshandel Gürtel, Tücher oder teure Funktionsbekleidung.

„Kleine, aber teure Waren, die beim Wiederverkauf viel Geld bringen, sind Dauerbrenner beim Ladendiebstahl“, sagt Stefan Hertel vom Handelsverband Deutschland (HDE). Er spricht von einer hohen Frustration vieler Händler: „Es gibt so einige, die Ladendiebstahl gar nicht mehr anzeigen, weil viele Verfahren wegen Geringfügigkeit schnell wieder eingestellt werden“. Die Dunkelziffer sei daher hoch. Nach einer EHI-Studie betrug der Verkaufswert der 2015 von Kunden gestohlenen Waren 2,24 Milliarden Euro. Dazu kommen 810 Millionen Euro Diebstähle durch eigene Mitarbeiter.

Rechnet man die 340 Millionen Euro an Verlusten durch Lieferanten und Servicekräfte mit ein, beträgt der Gesamtschaden durch Diebstahl knapp 3,4 Milliarden Euro. Weitere Kosten entstehen unter anderem durch Investitionen von 1,3 Milliarden Euro in Technik und Personal zum Diebstahlschutz. Insgesamt gehen dem Einzelhandel 1,3 Prozent des Umsatzes verloren, fand das Institut in der im Juni veröffentlichten Studie heraus.

„Sehr begehrt ist zur Zeit auch Babynahrung“, sagt Holtmann. Palettenweise werde sie immer öfter aus den Läden entwendet. Als Hintergrund gilt das brummende Geschäft damit in Asien, das die Preise hochtreibt. Chinesische Eltern schrecken nach einer Reihe von örtlichen Lebensmittelskandalen vor heimischen Produkten zurück und greifen verstärkt zu Babynahrung aus Europa. Als Reaktion auf die sprunghaft gestiegene Nachfrage haben Milupa und Nestle deshalb bereits neue Produktionsanlagen in Betrieb genommen.

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