People for Future
Klimaschutz: Heikle Debatte in Neumarkt

Die Bundestagskandidaten diskutierten im Johanneszentrum. Passend zum Thema entwickelte sich eine recht aufgeheizte Stimmung.

06.09.2021 | Stand 16.09.2023, 0:36 Uhr
Benjamin Weigl
In Neumarkt diskutierten die Kandidaten für die Bundestagswahl bei einer von People for Future organisierten Veranstaltung über die Themen soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz. Von links: Jesuitenpater Dr. Jörg Alt, Daisy Miranda (FW), Nils Gründer (FDP), Susanne Hierl (CSU), Michaela Zeitz (Moderation), Johannes Foitzik (SPD), MdB Stefan Schmidt (Grüne, Wahlkreis Regensburg) Susanne Witt (ÖDP) und Markus Sendelbeck (Linke) −Foto: Benjamin Weigl

Sie wollen das Klima retten und dabei sozial gerecht vorgehen: Wie das funktionieren soll, diskutierten am Freitagabend die Direktkandidaten von sieben Parteien im Kreis Neumarkt. Das Publikum konfrontierte sie mit teils unangenehmen Nachfragen – aber auch innerhalb der Politiker-Runde erreichte die Stimmung bereits nach wenigen Minuten einen Siedepunkt.

Nachdem Nils Gründer, der 24-jährige Kandidat der FDP, seine Vision eines Emissionshandels vorgestellt hatte, wollte Susanne Witt (ÖDP) von ihm wissen, welchen Preis die FDP dann für ein Kilogramm ausgestoßenes CO2 verlangen würde. Dass sich der CO2-Handel über den Markt regeln könne, bezeichnete Witt als „Zeit-verschwenden-Methode“. Als Gründer konterte, Witt habe bis dahin in der Diskussion noch gar kein Klimaschutz-Konzept vorgeschlagen, entgegnete Witt sinngemäß, Gründer habe die vergangenen 20 Jahre wohl verschlafen. Das wiederum fasste der junge FDP-Kandidat als Angriff auf sein Alter auf – es wurde kurzzeitig laut im Johanneszentrum.

Kandidaten stellten sich erstmals dem Format

„Ich möchte klipp und klar feststellen: Ich habe keine Lust mehr, mich von älteren Herrschaften anmachen zu lassen, weil ich mich für meine und unsere Zukunft interessiere“, entgegnete der aufgebrachte Gründer. Markus Sendelbeck, der Kandidat der Linken, versuchte sich als Schlichter: Er finde es gefährlich, wenn eine Debatte über Klimaschutz zu einer Diskussion zwischen Jung und Alt werde. Mit deutlichen Worten warb er gleichzeitig für eine gerechtere Verteilung der finanziellen Mittel: „Geld ist da wie Dreck. Wie kann es sein, dass eine Familie Milliarden Euro hat und Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, haben zu wenig?“

Gut zwei Stunden dauerte die Veranstaltung, die von der Neumarkter Bewegung People for Future (PfF) ins Leben gerufen wurde. Organisator Günter Richlowski war insgesamt zufrieden, schließlich sei in Neumarkt zum ersten Mal überhaupt in dieser Form über die Themen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit diskutiert worden. „Sehr positiv ist, dass sich die Kandidaten dem gestellt haben.“ Dennoch kritisierte Richlowski, die Politiker hätten sich zu sehr darauf versteift, ihr Parteiprogramm zu vertreten, anstatt konkrete Lösungen des Klimaproblems zu diskutieren.

Zwei Lager bildeten sich heraus

Dabei hatte sich der geladene Jesuitenpater, Priester und Hochschulseelsorger Dr. Jörg Alt in seinem einleitenden Impulsvortrag redlich Mühe gegeben, die Politiker auf die Brisanz der Klimakrise aufmerksam zu machen. Wenn bestimmte Kipppunkte wie das Abschmelzen von Arktis und Antarktis oder das Auftauen des Permafrostbodens in Sibirien überschritten würden, lebten wir künftig in einer anderen Welt. „Und in dieser Welt will ich nicht leben“, mahnte Alt. Die Lösung sei schnelles Handeln und sich darauf zu besinnen, was den Menschen wirklich wichtig sei: Gute Freunde, Familie, Bildung – diese Lebensziele blieben unverändert erhalten, während in anderen Punkten Verzicht angebracht sei. Die Parteien propagierten, man würde ja bereits vieles unternehmen. „Grün ist das Wort der Stunde, selbst wenn man schwarz ist. Aber: Keines der Wahlprogramme erreicht das 1,5 Grad-Ziel“, erklärte Alt.

Organisator Richlowski analysierte im Nachgang der Diskussion, gerade die konservativen Kandidaten und etablierten Regierungsfraktionen hätten in „keinster Weise die Politik der vergangenen Jahre hinterfragt“. Richlowski sah an diesem Abend zwei Lager: „Auf der einen Seite: Wir machen weiter wie bisher und wenn Probleme da sind, werden wir eine Lösung finden“, womit er Daisy Miranda (FW), Susanne Hierl (CSU), Nils Gründer (FDP) und zu Teilen auch Johannes Foitzik (SPD) einschloss. Auf der anderen Seite sah Richlowski Markus Sendelbeck (Linke), Susanne Witt (ÖDP) und MdB Stefan Schmidt aus Freystadt, der für den erkrankten Grünen-Kandidaten Karl-Heinz Herbst teilnahm. Sie hätten glaubhaft gemacht, für grundlegende Veränderungen einzustehen – doch auch hier kritisierte der PfF-Aktivist: „Es kamen nur wenig konkrete Lösungsvorschläge.“

Frage:Daisy Miranda (FW):Nils Gründer (FDP):Susanne Witt (ÖDP):Markus Sendelbeck (Linke):Stefan Schmidt (Grüne):Susanne Hierl (CSU):Johannes Foitzik (SPD):
Moderatorin Michaela Zeitz fragte die Kandidaten zum Abschluss, welche Maßnahmen sie privat für mehr Klimaschutz umsetzten.„Regional einkaufen wird bei uns zu Hause großgeschrieben.“„Ich bin stolzer Besitzer von zehn Bäumen im Amazonas.“„Mein E-Auto ist jetzt fünf Jahre alt und meine letzte Flugreise schon lange her.“„Ich schaffe es, einmal pro Woche mit dem Fahrrad nach Nürnberg in die Arbeit zu fahren.“„Ich beziehe Ökostrom und setze auf nachhaltige Geldanlagen.“„Ich bestelle aus Überzeugung nicht im Online-Handel.“„Ich versuche, stets darüber nachzudenken, was ich tue und wie ich es tue.“

Hierl: B299-Ausbau „notwendig“

Lediglich in wenigen Momenten drehte sich die Diskussion um regionale Themen, etwa als ein Zuschauer unter anderem Susanne Hierl fragte, wie sie zum Flächenverbrauch an der B299 stehe. Hierl verwies darauf, dass es in Zukunft möglich sei, CO2-frei zu fahren und man sich nicht nur auf den ÖPNV verlassen könne. Verkehrsgutachter seien zu dem Schluss gekommen, die Straße müsse dreispurig werden. „Ich sehe es daher so, als würde das notwendig sein“, sagte Hierl.

Zum Thema Windkraft sagte Grünen-MdB Stefan Schmidt in Richtung von Daisy Miranda, ihre Freien Wähler seien mit daran schuld, „dass wir in Bayern eine unsinnige Abstandsregel bei den Windrädern haben.“ Der Bundespolitik warf er vor, neue Technologien auszubremsen. Dabei seien erneuerbare Energien vorhanden: „Wenn wir auf klimaneutral umstellen wollen, brauchen wir deutlich mehr Strom“, forderte Schmidt.

Als Michaela Zeitz, die Moderatorin des Abends, nach konkreten Vorschlägen im Kampf gegen den Klimawandel fragte, antwortete Johannes Foitzik, die Mobilität müsse sich grundlegend ändern. Autonome Fahrzeuge könnten, auch auf dem Land, die Menschen bei Bedarf abholen, wodurch weniger Autos gebraucht würden und viel Energie eingespart werden könne. Susanne Witt forderte deutlich mehr Windräder und „Photovoltaik auf jedes Dach, das sich nicht wehrt“. Markus Sendelbeck wünscht sich einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, „der den Namen verdient“ – wirtschaftlich müsse er nicht sein. Und Nils Gründer brachte die Idee ins Spiel, auch als Staat Eigentum in Regenwäldern wie dem Amazonas zu erwerben und so gegen Abholzung vorzugehen.

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