Regensburg.
Klug gesetzte Bilder, wild entschlossene Helden

„Operation Walküre“ mit Tom Cruise als Stauffenberg ist weit besser als erwartet: seriös, spannend und ohne großes Pathos.

22.01.2009 | Stand 22.01.2009, 18:52 Uhr

Von Katharina Kellner, MZ

Selten wurde um einen Film so viel Getöse veranstaltet wie um „Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat“: Da schalteten sich der Verteidigungsminister und die Sektenbeauftragte ein, weil der Scientologe Cruise im Berliner Bendlerblock drehen wollte. Cruise wurde vorgeworfen, er wolle durch die Rolle als Hitler-Attentäter sein durch Scientology angeschlagenes Image aufpolieren. Der Kinostart wurde mehrmals verschoben. Dann war zu lesen, es sei Cruise auch noch mulmig geworden, als er die Nazi-Uniform anziehen musste. Die Augenklappe verursache ihm Gleichgewichtsprobleme.

Nun erweist sich der Film von Regisseur Bryan Singer als unerwartet seriös und sogar unprätentiös. Der Streifen ist weder eine plumpe Geschichtsfälschung, noch ein purer Actionthriller, wie vor dem Kinostart oft verbreitet wurde. Vielmehr hat er einen erstaunlichen Blick für historische Details. Der Film beginnt mit dem Tieffliegerangriff der Alliierten im April 1943, bei dem Stauffenberg schwer verwundet wurde – er verlor das linke Auge, eine Hand sowie zwei Finger der anderen – und endet mit der Erschießung Stauffenbergs und einiger seiner Mitverschwörer in der Nacht zum 21. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock.

Obwohl der Ausgang des Attentats hinlänglich bekannt ist, gelingt es dem Regisseur, Spannung aufzubauen. Die Verschwörer planen, Hitler eine manipulierte Fassung des „Operation Walküre“-Befehls unterschreiben zu lassen. Durch diesen Befehl wird das Ersatzheer mobilisiert, wenn es einen Aufstand gegen das Regime geben sollte. Mit Hilfe von „Walküre“ wollen die Verschwörer die SS ausschalten.

Mit stoischem Gesichtsausdruck

Mit viel Atmosphäre empfindet der Film die Situation nach, als Stauffenberg dem „Führer“ zum ersten Mal auf dem Obersalzberg gegenüber tritt. Hitler unterschreibt beiläufig den gefälschten Befehl. Singers Botschaft: Stauffenberg lässt sich nicht vom viel beschworenen Charisma Hitlers einlullen.

Es gelingt Singer mit klaren, manchmal etwas plakativen Einstellungen, Situationen in anschauliche Bilder umzusetzen. Am 15. Juli 1944 unternimmt Stauffenberg selbst einen Attentatsversuch. Er fährt zur Wolfsschanze, die tief im Wald gelegen ist, ein düsterer Bunker als geheimster Rückzugsort der Regimeoberen. Singer zeigt das Auto, das sich seinen Weg durch das unendliche Grün bahnt: Da ist ein Mann unterwegs, der straight auf sein Ziel zugeht, heißt das. Einer, der nicht anders kann. Bei der Zusammenkunft stellt Stauffenberg seine Tasche nah bei Hitler ab. Doch dann verlässt dieser vorzeitig die Besprechung. Das Vorhaben ist fehlgeschlagen. Beim zweiten Versuch am 20. Juli hat Cruise seine schauspielerische Sternstunde, als er sich als behinderter Stauffenberg müht, mit seinen verbliebenen drei Fingern die Bombe scharf zu machen und sie in der Tasche zu verstauen. Für die zweite Sprengstoffladung bleibt ihm verhängnisvollerweise keine Zeit.

Nun erreicht die Dramaturgie ihren Höhepunkt. Wieder kann er die Tasche nah bei Hitler platzieren. Der Zuschauer hört die Bombe förmlich ticken. Man hält den Atem an, denn noch immer ist Stauffenberg im Raum. Dann wird er hinausgerufen. Hitler steht über den Kartentisch gebeugt. Da passiert es. Stauffenberg sieht die Detonation und ist überzeugt, dass Hitler tot ist.

Cruise geht stoisch und mit dem immergleichen Gesichtsausdruck durch den gesamten Film. Er spielt einen kühlen, überlegenen Helden, den nichts von seinem Weg abbringen kann. Auch die Szene, als er nach Hause kommt und seine Kinder sich voll Freude um ihn scharen, er seine Frau ansieht und ihm schlagartig die Tragweite seines Tuns bewusst wird, driftet keineswegs in große Emotionen ab. Singer bleibt seinem Vorsatz treu, Stauffenberg als einen Helden darzustellen, den keine persönlichen Schwächen in seiner Tatkraft behindern. Und Nina Gräfin von Stauffenberg (Carice van Houten) ist mit ihrer Zurückgenommenheit ganz die Frau, die an die Seite dieses Mannes passt.

Die Entschlossenheit der Hauptfigur unterstreicht die Kameraführung. Immer wieder zeigt sie Stauffenbergs Gesicht in Großaufnahme, häufig angeschnitten und mit Augenklappe, die Cruise heroisch wirken lässt.

Auch wenn die Details im Film getreu den historischen entsprechen, blendet er die historische Persönlichkeit Stauffenbergs aus. Das Drehbuch beschränkt sich auf eine sehr reduzierte Charakterzeichnung Stauffenbergs. Züge seiner Persönlichkeit, die dem Bild vom Helden zuwiderlaufen oder auch nur den Plot differenziert hätten, fehlen. Indem er nur das letzte Lebensjahr Stauffenbergs beleuchtet, ist der Blickwinkel des Films festgelegt auf den „Helden“ Stauffenberg. Alle anderen Stränge dieser Persönlichkeit fehlen. Die Figur funktioniert perfekt, denn sie ist in ihrer Eindimensionalität klar und sendet eine eindeutige Botschaft: Hier kommt ein Mann der Tat, der sich uneigennützig für Deutschland aufopfert. Dass Stauffenberg sich schrittweise von Hitler und von seinem Eid löste, dass sich sein Leben zwischen Kooperation und Konfrontation, zwischen Gehorsam und Widerspruch bewegte, wird nicht thematisiert.

Verschwörer mit schwachem Profil

Auch die anderen Charaktere sind sehr einschichtig geraten, die meisten zeichnen sich nur durch ein einziges Persönlichkeitsmerkmal aus: Friedrich Olbricht (Bill Nighy) spielt den Zauderer, Mertz von Quirnheim (Christian Berkel) ist der zweite wild Entschlossene neben Stauffenberg. Ludwig Beck und Karl Goerdeler bleiben als „elder statesmen“ konturlos und Henning von Tresckow (Kenneth Branagh), der ja eigentlich das „Mastermind“ der Verschwörer war, löst sich bald gar nicht mehr aus Stauffenbergs Schatten. Ob dieser insgesamt handwerklich überzeugende und sehenswerte Film mit solch eindimensionalen Profilen die Chance auf einen Oscar hat, ist zu bezweifeln.