Diskussion
Landet der Adler am Donaumarkt?

Regensburg bekommt 2018 das Museum für bayerische Geschichte. Das ins Exil verbannte Wappentier wittert eine zweite Chance.

16.08.2015 | Stand 16.09.2023, 7:01 Uhr
Helmut Wanner
2001 hob der Adler ab. Er ist seitdem in seinem Versteck im Bauhof Nord. −Foto: MZ-Archiv

Mit dem Neubau der Nibelungenbrücke 2004 verschwand der Adler in den Bauhof Nord. Bereits 2001 hatte der Kunst- und Denkmalverständige Dr. Lutz Tittel eine Vorahnung. Er schrieb in einem Leserbrief: „Der Adler sollte im Bauhof überwintern, bis die Gesellschaft soweit ist, mit diesem Relikt der NS-Zeit vernünftig umzugehen.“

Im Bauhof Nord ist der vom Münchner Künstler Albert Allmann geschaffene Porphyr-Adler immer noch „versteckt“. Er war als Kunst am Bau für die 1938 eingeweihte Adolf-Hitler-Brücke gedacht, wurde aber erst nach dem Krieg aufgestellt – als Bundesadler. 70 Jahre nach Kriegsende meint Alfons Swaczyna, dass die Stadt-Gesellschaft nun so weit sei, die Nazikunst nicht mehr zu dämonisieren, sondern zu dokumentieren.

Auch Nürnberg stellt sich

Swaczyna räumt ein, der Umgang mit Kunst aus dem Dritten Reich sei ein schwieriges Thema. Das zeige ja gerade das Einsperren und Wegsperren des Adlers auf Nibelungenbrücke auf einem städtischen Bauhof. So spare man sich die Auseinandersetzung. Regensburg habe die Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit nie konsequent bis zu einem Ergebnis zu Ende geführt. Anderswo geschehe das. In Nürnberg denke man sogar darüber nach, das monströse Reichsparteitagsgelände zu erhalten.

Der ehemalige Leiter des städtischen Tiefbauamts, ehemals zuständig für den Neubau der Nibelungenbrücke und das Caravan-Kunstwerk am Neupfarrplatz, stellt deswegen die Frage: „Warum soll man also in Regensburg nicht überlegen, dem Adler aus seinem geheimen Versteck herauszuholen und ihn zum Zeigen und Dokumentieren ins Haus der Bayerischen Geschichte am Donaumarkt fliegen zu lassen?“ Angesichts seines Gewichts samt Podest müsste allerdings dazu statisch die Decke verstärkt werden.

Die Geschichte des Adlers:

Auf die Nibelungenbrücke? – Nein!

Zur Bayerischen Geschichte gehört seines Erachtens nun mal auch die Zeit der Diktatur des Dritten Reiches, die auch regionale Ausformungen in Architektur – zum Beispiel das Neue Rathaus in Regensburg – und Kunst gefunden habe, die heute noch genutzt werden bzw. übrig geblieben ist.

Die nachfolgenden Generationen müssten seiner Meinung nach einen Weg finden, mit den restlichen Hinterlassenschaften dieser unseligen Zeit positiv und nicht dämonisierend und verdrängend umzugehen. Das erklärende Zeigen und Dokumentieren dieser Kunst, zu der auch das per Verfassung vom Reichs- zum Bundesadler mutierte deutsche Wappentier zähle, sei wohl der richtige Weg, wie ihn Experten vorschlagen.

Keineswegs könne der Adler aber wieder seinen Platz auf der neuen Nibelungenbrücke finden, die von einem ganz anderen Architekturansatz, nicht monumental mit Steinverkleidung sondern filigran und zurückhaltend in Stahl und Beton, geprägt sei.

Damit reagiert der ehemalige Stadtbaudirektor auf einen entsprechenden Vorschlag aus der Leserschaft der MZ. Schreinermeister Siegfried Gratzl hatte geschrieben: „Es wäre einmal an der Zeit, dass die Nibelungenbrücke endlich fertig gemacht wird. Es fehlt doch immer noch der Nibelungen-Adler.“ Der Handwerksmeister vergleicht den Adler der Nibelungenbrücke mit den Bad Abbacher Löwen. „Ich freue mich stets, wenn ich da vorbeifahre und diese sehe.“ So solle es auch mit dem Adler sein. Gratzl: „Ist er auf seinem Platz, dann ist auch die Brücke fertig. Oder muss man 100 Jahre warten wie beim König Ludwig Denkmal am Dom?“ Gratzl findet, der Adler sei als Wappentier unverfänglich. Auch auf dem Euro sei ein Bundesadler zu finden. Zurück auf die Nibelungenbrücke? Da führt für den Adler, wie es scheint, aber kein Weg hin.

Letztlich eine Frage des Kontextes

Eher noch landet er am Donaumarkt. In einem Vier-Augen-Gespräch habe Swaczyna seinen Vorschlag, den Nibelungenadler in das Haus der Bayerischen Geschichte aufzunehmen, bereits unterbreitet. Weder der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, Dr. Richard Loibl, noch sein Stellvertreter waren für eine Stellungnahme erreichbar.

Kulturreferent Klemens Unger wollte sich dazu nicht äußern. Dafür sei er nicht verantwortlich. Die Aufnahme des Nibelungen-Adlers in das Historische Museum am Dachauplatz schloss er jedoch definitiv aus. Rein technisch sei dies nicht möglich. „Da müsste man ja das Dach abdecken.“

Die Diskussion um den Adler der Nibelungenbrücke ist nicht neu. 2004 hatte Wolfgang Grimm und der Kunstverein GRAZ darüber eine Podiumsdiskussion veranstaltet. Damals hatten sich schon Teilnehmer dafür ausgesprochen, sich der Geschichte zu stellen. Egon Johannes Greipl, seinerzeit Chef des Landesamts für Denkmalpflege, hatte gemeint, der Adler sei seit der römischen Antike ein verbeitetes Wappentier. Für wen oder was der Adler als Symbol stehe, sei letztlich eine Frage des Kontextes.