Tabu
Nach der Abtreibung kamen Schuldgefühle

Petra F. litt unter den psychischen Folgen eines Schwangerschaftsabbruchs. Nun will sie anderen in dieser Situation helfen.

12.01.2018 | Stand 16.09.2023, 6:15 Uhr
Angelika Lukesch

Eine ungewollte Schwangerschaft kann Frauen in ein tiefes Loch stürzen – auch lange nach der Abtreibung. Foto: pololia/Fotolia

Wenn über Abtreibung gesprochen wird, geht es meist um die Entscheidung dafür oder dagegen und emotionale Implikationen, die sich daraus ergeben. Doch oft sind die Frauen hin- und hergerissen: zwischen den Punkten, die gegen das Kind sprechen und dem tief in der Seele verwurzelten Gefühl, die Schwangerschaft nicht abbrechen zu wollen.

Viele Frauen werden nie gefragt, wie es ihnen nach ihrer Abtreibung geht. Petra F. (24, Name von der Redaktion geändert) kann davon eine lange Geschichte erzählen. 2012, im Alter von 19 Jahren, ließ sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Wie es zu dem Abbruch kam, klingt wie ein Klischee. Sie sei sich zu jung vorgekommen, sei in der Ausbildung gewesen, wirtschaftliche Schwierigkeiten seien vorhersehbar gewesen. Der Vater, zum damaligen Zeitpunkt 22 Jahre alt, war mit der Situation völlig überfordert und überließ Petra F. die Entscheidung. Eine Entscheidung, für die ihr nur eine Woche blieb.

Schockstarre nach der Neuigkeit

„Die Zeit war viel zu kurz, um eine Entscheidung zu treffen, deren Folgen ich nicht abschätzen konnte“, sagt F. Sie sei „schockstarr“ gewesen, als sie von der Schwangerschaft erfahren hatte. Sie beklagt, dass sie nicht richtig über Möglichkeiten informiert worden sei, die jungen Müttern in ihrer Situation hätten helfen können, das Leben auch mit Kind zu schaffen. Bis zur letzten Sekunde habe sie sich gefragt, ob ihre Entscheidung, die nicht zuletzt auch den gesellschaftlichen Konventionen geschuldet war, richtig sei. Alles in ihr habe geschrien, es nicht zu tun, doch die Situation sei wie ein Sog gewesen. Nachdem sie einmal gesagt hatte, sie würde die Schwangerschaft abbrechen, sei der Druck durch die Personen, die alle darauf warteten, dass sie nun endlich die Tablette schlucke, die den Abbruch einleiten sollte, zu groß gewesen. Sie ließ den Abbruch vornehmen.

„Ich fühlte eine Leere, die mit nichts zu füllen war. Ich habe mich immer weiter zurückgezogen.“Petra F.

Nach dem Abbruch war für Petra F. und ihren Freund nichts mehr so wie vor dem Abbruch. „Die psychischen Folgen eines Schwangerschaftsabbruches werden bei der Beratung, zu der man gehen muss, überhaupt nicht erwähnt. Alternativen zu einer Abtreibung werden nicht aufgezeigt, zumindest war es bei mir so. Ich hatte immer noch Zweifel, aber niemand nahm sich Zeit“, sagt F. Sie war bei zwei Beratungen.

Der Schwangerschaftsabbruch beeinflusste ihr Leben stark. „Nach dem Abbruch versuchten mein Freund und ich, unsere heile Welt wieder zurückzuholen“, erzählt die junge Frau. Doch das habe nicht funktioniert. Sie hätte immer darüber reden wollen, er jedoch blockte ab.

„Ich fühlte eine Leere, die mit nichts zu füllen war. Ich habe mich immer weiter zurückgezogen.“ Petra F. nahm eine Stelle in einer Frühchen-Station an. Sie half den Kleinsten der Kleinen, tröstete und versorgte sie. Immer habe sie sich gesagt, sie sei keine schlechte Person, sie tue Kindern nichts Schlechtes. Schuldgefühle und das Gefühl, nicht mehr ganz zu sein, wurden zum ständigen Begleiter. F. und ihr Freund hatten Probleme, wenn sie Kinderwagen sahen. Die junge Frau kaufte Kinderkleidung ein.

Sie entwickelte einen Zwang

Sie entwickelte eine Zwangsneurose, an der sie drei Jahre leiden sollte. Da sie die Situation mit dem Schwangerschaftsabbruch und dessen Folgen nicht mehr kontrollieren konnte, kontrollierte sie zwanghaft die Hygiene in ihrem persönlichen Umfeld. Der Wasch- und Desinfektionszwang führte sie zu einem Punkt, an dem sie die Wohnung nicht verlassen konnte und regungslos auf dem Bett verharrte.

„Es ist ein Tabu, über einen Schwangerschaftsabbruch und die Gefühle danach zu sprechen.“Petra F.

F. hatte große Schwierigkeiten, wieder in ein normales Leben zurückzukehren. Ihre Beziehung zerbrach. Die Zwangsneurose ist besiegt, doch noch immer kämpft die junge Frau mit den psychischen Folgen des Schwangerschaftsabbruchs. Sie ist sich sicher, dass viele betroffene Frauen psychische Probleme haben – unabhängig davon, ob sie von ihrer Entscheidung überzeugt seien oder nicht. „Es ist ein Tabu, über einen Schwangerschaftsabbruch und die Gefühle danach zu sprechen“, sagt F. Sie entschloss sich deswegen zusammen mit einer anderen Betroffenen dazu, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Sie will sowohl Frauen als auch Männer aus der Schulddecke herausholen und ihnen einen geschützten Raum bieten, in dem sie ihre Gefühle mit anderen Betroffenen teilen können.

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