Anklage
Neumarkt: Fatale Folgen einer Partynacht

Der Fall eines Neumarkter Lehrers, der eine Schülerin sexuell genötigt haben soll, wirft Fragen nach dem Opferschutz auf.

04.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:17 Uhr
Lothar Röhrl

Bestens empfohlen als Anlaufstelle auch für jedes Opfer sexueller Gewalt ist der „Weiße Ring“. Im Landkreis Neumarkt hat dieser eine Außenstelle. Sie wird geleitet von Anastasia Kenty in Velburg. Foto: Martin Schutt/dpa

Welche rechtlichen Möglichkeiten hat eine Schülerin, wenn sie von einem Lehrer sexuell bedrängt wird? Wem kann sie sich anvertrauen, um weiteren, vor allem seelischen Schaden zu verhindern? Wie hat aber auch ein Lehrer eine Chance, wenn gegen ihn ein solcher Verdacht erworben wird und er sich keiner Schuld bewusst ist, aus der Sache in seinem Ruf unbeschädigt herauszukommen? Diese Fragen hat ein aktueller Fall ausgelöst, in dem die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Anklage erhoben hat. Der Vorwurf gegen einen Lehrer, der bisher an einer Neumarkter Schule unterrichtet hat, wiegt schwer: Verdacht der sexuellen Nötigung in einem minderschweren Fall.

Die Tat des Lehrers liegt ein halbes Jahr zurück. Aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte von Opfer und auch des Angeschuldigten erwähnt die Mittelbayerische nur kurz, worum es in der Sache geht: Vor einem halben Jahr soll laut Anklage der Lehrer bei einer privaten Feier im Neumarkter Stadtgebiet die noch nicht volljährige Schülerin „in sexueller Absicht angefasst und geküsst“ haben. Dabei habe er auch Gewalt angewendet; für das Strafmaß ist aber ebenso relevant, dass der Lehrer erheblich alkoholisiert gewesen sein soll.

Ob und wann es zu einer Verhandlung im Neumarkter Amtsgericht kommen wird, wollte die Mittelbayerische von der Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft Antje Gabriels-Gorsolke wissen. Sie wies darauf hin, dass die Tat zwar als „minderschwerer Fall“, aber als „Verbrechen“ und nicht als „Vergehen“ eingestuft worden ist. Damit kommt es zu einer Verhandlung in Neumarkt. Übrigens: Der Lehrer hält aktuell an der Neumarkter Schule keinen Unterricht.

Schutz des Opfers jetzt wichtig

Für Geedo Paprotta, den Anwalt des Opfers, ist es das oberste Ziel, dass seine Mandantin nicht durch ein gerichtliches Verfahren und „vor allem eine öffentliche Debatte“ zusätzlich traumatisiert wird. Paprotta betont, dass gerade Opfer von sexuellen Übergriffen das, was ihnen passiert ist, als „Stigma“ empfinden. Es kann passieren, dass eine ständige Konfrontation mit der Tat, mit dem Täter und das „Andauernd-darauf-Angesprochen-werden“ dem Opfer mehr zusetzt als alles andere. Diese Erfahrung bezieht der Neumarkter Rechtsanwalt aus seiner Tätigkeit als Opfer-Anwalt und Gutachter für Sexualdelikte. Zur Wahrnehmung solcher Fälle durch die Öffentlichkeit urteilt Paprotta, dass diese oft falsch ausfällt. Die Öffentlichkeit glaube, dass das Opfer darüber sprechen möchte. Doch damit befriedige sie lediglich ihre eigene Neugierde. Sprechen möchte in der Regel der Täter. Er wolle sich rechtfertigen und dabei seine Tat herunterspielen. Sein Ziel sei, nicht nur das Strafmaß zu mildern, sondern auch eine öffentliche Rehabilitierung. „Das Opfer will nur Ruhe und die Rückkehr in den normalen Alltag vor der Tat“, stellte Geedo Paprotta heraus. Daher sollte es gerade das direkte persönliche Umfeld des Opfers vermeiden, dieses Thema ständig in den Mittelpunkt zu stellen. „Das Opfer sucht sich schon heraus, mit wem es darüber reden will.“

„Ja kein Aufdrängen von Hilfe!“

In genau der gleichen Weise sollte sich die Schule dem Opfer nähern, rät Geedo Paprotta. „Fürsorge und Rücksicht ja, vor allem aber Normalität. Auch hier wird sich das Opfer seine Gesprächspartner aussuchen. Das noch so fürsorglich gemeinte Aufdrängen eines Angebots drückt das Opfer regelrecht an die Wand.“ Dem sei das behutsame Vorstellen von Möglichkeiten wie dem Kontakt etwa zu Schulpsychologen vorzuziehen. Diesen Rat bezieht Geedo Paprotta aus seinen positiven Erfahrungen.

Besonderen Wert bei seinen Ratschlägen legt Geedo Paprotta auf den Zeitpunkt der Reaktion eines Opfers auf eine Tat. „Idealerweise sollte der erste Ansprechpartner ein Vertrauter aus dem persönlichen Umfeld sein. Dieser sollte das Opfer bei den nächsten Schritten unbedingt unterstützen und auch begleiten. Ich rate von einer vorschnellen Strafanzeige bei der Polizei ab.“ Die beste erste Anlaufstelle ist nach Paprottas Überzeugungdie Opferschutzorganisation „Weißer Ring“.

Hier wird unter anderem die kostenlose Erstberatung durch einen Opferanwalt vermittelt. Zu dieser Gruppe gehört übrigens auch Paprotta selbst. Der Opferanwalt ist der ideale Begleiter des Opfers für die Strafanzeige bei der Polizei. Man dürfe die psychologische Belastung der teils mehrstündigen Befragung durch die Polizisten nicht unterschätzen. Der Opferanwalt gebe dem Opfer dabei die nötige Rückendeckung. „Wer erst zu mir kommt, nachdem er schon bei der Polizei war, hat einen viel schlechteren Stand im Verfahren als umgekehrt“, sagte Geedo Paprotta der Mittelbayerischen.

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