Regensburg
Oberpfälzerin verliert ein Vermögen

Callcenter-Betrug mit Geldübergabe unter Justitias Augen: Die Betrüger trafen sich mit ihr direkt vor dem Amtsgericht.

18.02.2022 | Stand 15.09.2023, 21:04 Uhr
Die Stufen vor dem Amtsgericht in Regensburg nutzten Callcenterbetrüger am Dienstag für eine Geldübergabe. −Foto: André Baumgarten

Dreister geht es kaum: Anrufer gaben sich bei einer 64-Jährigen als Mitarbeiter von Polizei, Amtsgericht und Staatsanwaltschaft in Regensburg aus, um sie am Ende um viel Geld zu bringen. Auf dem Gehweg direkt vor dem Amtsgericht übergab die Frau am frühen Dienstagnachmittag 51 000 Euro. Die unbekannte Abholerin verschwand damit sofort.

Immer wieder warnt die Polizei, wenn Callcenter-Betrüger erneut gehäuft bei Menschen in der Region anrufen. Der aktuelle Fall ist leider einer von sehr vielen; die Masche ein Millionengeschäft für die Hintermänner. Der Ort der Übergabe ist diesmal äußert unverfroren – zumal der Eingang zum Regensburger Amtsgericht videoüberwacht wird. Und das kann man deutlich lesen. Doch es scheint der Abholerin offenbar bewusst gewesen zu sein.

Abholerin nicht auf Video

Auf den Aufzeichnungen konnten die Ermittler die Geschädigte aus Lupburg (Lkr. Neumarkt) ausmachen, bestätigte Landgerichtssprecher Thomas Polnik. Die extra geschickte Helferin jedoch hielt sich außerhalb des Bereichs auf, den die Kamera vor dem Eingang zum Gerichtsgebäude erfasst. Durch zahllose Anrufe war die Geschädigte dazu gebracht worden, einen großen Teil des Geldes abzuheben und diesen dann nach Regensburg zu bringen.

Mit der Geschichte, die der 64-Jährigen von den Betrügern aufgetischt wurde, übten sie hohen Druck aus. Zunächst gab sich eine Anruferin mit weinerlicher Stimme als die Tochter aus, ehe eine falsche Polizistin ranging und von einem tödlichen Unfall erzählte. Die Tochter müsse deshalb in U-Haft, außer es könnte sofort eine Kaution bezahlt werden. Alles an der Geschichte war frei erfunden; die Tochter der Seniorin leider nicht erreichbar.

Über längere Zeit hielten die Täter engen Kontakt zur Frau – das ist die Masche. So wird vermieden, dass die Opfer zur Ruhe kommen. Und sie strickten im aktuellen Fall ihre Story weiter. Fake-Mitarbeiter des Amtsgerichts und von der Hausbank meldeten sich mit falschen Bestätigungen. Angeblich hätte die Versicherung die Kaution übernommen und das Geld sei bereits überwiesen. Und dann hieß es, im Gerichtsgebäude gelte PCR-Testpflicht, wofür aber keine Zeit sei – darum warte jemand von der Gerichtszahlstelle vor der Tür.

Die Betrugsmasche mit der Kaution ist weit verbreitet. Der neue Fall zeigt, wie die Täter das Vertrauen der Bevölkerung in verschiedenste Organe des Rechtsstaats missbrauchen und sogar Corona geschickt mit einbauen. „Es gibt keine Testpflicht für den Zugang ins Gericht“, betonte Polnik. „Der Zahlungsverkehr wird über die Landesjustizkasse unbar abgewickelt.“

Betrüger nutzen falsche Infos

Es gibt laut Polnik durchaus ganz seltene Ausnahmefälle, wo Bares eingezahlt wird. Aber das sei ausschließlich im Gebäude möglich, weil dafür ein förmliches Verfahren nötig ist. „Sowas passiert in keinem Fall vor der Tür auf der Straße“, sagte Polnik. Deshalb war es Landgerichtspräsidentin Sibylle Dworazik ein Anliegen, erneut für die Gefahren hinzuweisen und so zu sensibilisieren.

Gesundes Misstrauen empfiehlt die Polizei grundsätzlich bei Anrufen. Gerichtssprecher Polnik ergänzt: „Wenn Geld ins Spiel kommt, sollte man besonders argwöhnisch sein.“ Solche Fälle ließen sich am besten vermeiden, wenn man direkt in den Behörden nachfragt – auch wenn die Anrufer das meist strikt vermeiden wollen. Im Zweifel sollte man, empfehlen Experten, den Hörer richtig auflegen und den Notruf wählen.

Im aktuellen Fall ermitteln Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft nun wegen des Verdachts des banden- und gewerbsmäßigen Betruges gegen unbekannte Täter. Dass die Frau aus Lupburg ihr Geld je wiederbekommt, ist mehr als fraglich.