Wahlkampf
Peer Steinbrück zeigt den „Stinkefinger“

Der SPD-Kanzlerkandidat zeigt auf einem Foto des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“ den „Stinkefinger“und löst damit eine intensive Diskussion aus.

12.09.2013 | Stand 12.09.2013, 17:59 Uhr

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf dem aktuellen Titel des SZ-Magazins Foto: Alfred Steffen/SZ-Magazin/dpa

„Vielleicht ist das ein bisschen viel „Klartext“ so kurz vor einer Bundestagswahl. Vom Titel des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“ grüßt an diesem Freitag hunderttausende Leser ein Peer Steinbrück, der den „Stinkefinger zeigt. In Sachen maximale Aufmerksamkeit dürfte er damit einen Volltreffer gelandet haben.

Im beliebten Ohne-Worte-Interview des Magazins, wo spielerisch mit Gestik und Mimik geantwortet wird, soll der SPD-Kanzlerkandidat auf folgende Frage antworten: „Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi – um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?“. Steinbrück schaut etwas finster rein: Der Mund offen, die Arme verschränkt, den Mittelfinger der rechten Hand gen Kamera gestreckt. Just zu einem Zeitpunkt, wo die Häme über ihn weg war, spätestens seit dem TV-Duell.

Sprecher wollte Bild zurückhalten

Immer wieder hat er sich geärgert, wie Medien über ihn berichten – habe das Land keine wichtigeren Probleme als sich über vermeintliche Fehltritte von ihm zu echauffieren? Bisher ist der „Stinkefinger“ von Stefan Effenberg Richtung deutsche Fans bei der Fußball-WM 1994 besonders in Erinnerung – Steinbrück spielt nun in dieser Liga mit. Sein Sprecher wollte das Bild in Erwartung der möglichen Aufwallung nicht freigeben. Steinbrück antwortete nur: „Nein, das ist okay so“.

Steinbrücks Sprecher Rolf Kleine wollte sich dazu am Donnerstagabend auf dpa-Anfrage nicht näher äußern – er betonte aber, dass die Fotos im Rahmen eines ironischen Formats entstanden sein. „Das muss ja wohl noch erlaubt sein.“ Die Bilder seien bereits vor rund einem Monat entstanden – man sei über die Veröffentlichung rund eine Woche vor der Wahl im Bilde gewesen.

Steinbrück selbst verteidigte die Aufnahme - und hofft auf den Humor der Menschen im Land. „Da werden einem Fragen gestellt, die man übersetzt in Gebärden, in Grimassen, in Emotionen“, sagte Steinbrück am Donnerstagabend am Rande einer SPD-Kundgebung in München über die besondere Interviewform des Magazins. „Das schauspielert man dann. Und ich hoffe, dass die Republik auch den Humor hat, dann diese Grimassen und diese Gebärdensprache bezogen auf die Fragen richtig zu verstehen.“

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel nahm den Kanzlerkandidaten in Schutz: „Peer Steinbrück hat in einem ironischen Foto-Interview auf ironische Art Emotionen gezeigt“, sagte Gabriel via Twitter.

Nun gibt es zwei Denkrichtungen: Steinbrück inszeniert sich als ein Rock’n’Roller der Politik, selbst sagte er erst kürzlich: „Bei mir rockt es“. Gabriel nannte ihn eine „coole Sau“. Sozusagen das Gegenstück zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die ihre zur Raute geformten Hände zum Markenzeichen erkoren hat. Deutschlands größtes Wahlplakat (2378 Quadratmeter) am Berliner Hauptbahnhof zeigt die Merkel-Raute – dieses Bild steht nun gegen den „Stinkefinger“. Eines hat Steinbrück immerhin geschafft: Wie für die Merkel-Raute gibt es für den Steinbrück-Stinkefinger inzwischen einen eigenen Blog.

Das Bild ist ohne Zweifel ironisch gemeint – der Umgang mit dem 66-Jährigen wirft sicher auch die Frage auf: wie viel Augenzwinkern vertragen Politik und Öffentlichkeit? Gerade, wo sich immer wieder über gestanzte und stromlinienförmige Worte mokiert wird. Für den politischen Gegner ist es natürlich ein willkommener Anlass, an seinen Qualitäten zu zweifeln. „Die Geste verbietet sich als Kanzlerkandidat. So etwas geht nicht“, meint FDP-Chef Philipp Rösler. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) meinte bei Twitter: „Das kann doch wohl nicht der Stil eines Bundeskanzlers sein.“Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt hat sich distanziert zu dem Foto geäußert, auf dem SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück den ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Die Geste sei wohl Steinbrücks nonverbale Art, Klartext zu sprechen, sagte Göring-Eckardt am Freitag dem Sender MDR Info. Sie fügte hinzu: „Meine Form wäre das nicht.“ Man wisse nicht ganz so genau, wem Steinbrück den Finger zeige. Sie fühle sich aber persönlich nicht angesprochen.

Steinbrück hat diesem Wahlkampf seinen Stempel aufgedrückt, am 16. Juni kulminierte der ganze Druck beim Parteikonvent nach berührenden Schilderungen seiner Frau („Und dann wird er nur noch verhauen“) darin, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Er ist halt eine Marke.

Steinbrück zeigt klare Kante

An der SPD-Basis dürfte der Fingerzeig Richtung Medien auf Zustimmung stoßen – immer wieder wurde er bei Veranstaltungen aufgefordert, doch mal mehr klare Kante gegen „diese Berliner Edelfedern“ zu zeigen. Aber die Geste hat es in sich, Wähler könnten abgeschreckt werden. Seine persönlichen Werte hatten nach dem TV-Duell zugelegt, die Botschaften kommen langsam an - und Steinbrück konnte die Kanzlerin etwa beim Thema Pkw-Maut in die Enge treiben.

Er hätte gerne mehr solcher Duelle – doch sie weicht ihm aus. Die „kognitive Dissonanz“ sei durch das TV-Duell aufgelöst worden, sagt ein Mitglied aus Steinbrücks Kompetenzteam. Will heißen: Die 17,6 Millionen TV-Zuschauer hätten sich überzeugen können, dass viele der bisherigen Medienzuschreibungen gar nicht auf Steinbrück passten. Doch sollte er es irgendwie doch noch ins Kanzleramt schaffen - dieses Bild dürfte dann gegen Steinbrück verwendet werden. Es könnte zum Beispiel gut das Bild von ihm in der Schweiz illustrieren, der er als Bundesfinanzminister etwas großspurig mit der Kavallerie drohte. (dpa)