Medizin
Psychiatrie und Neurologie vernetzen

Anton Zellner motivierte Kollegin Helga Schulte zum Wechsel von der Klinik in die Selbstständigkeit. Für ihn ein Schritt gegen die „Unterversorgung“.

11.12.2013 | Stand 16.09.2023, 7:16 Uhr

Dr. Helga Schulte und Dr. Anton Zellner sind ab dem kommenden Jahr unabhängige Praxispartner am Aventinusplatz. Foto: Weigert

Weihnachten bedeutete wie Ostern oder Muttertag an Dr. Helga Schultes bisherigem Arbeitsplatz eine „Schwemme“ an Patienten. Die 50-Jährige war in den vergangenen 14 Jahren als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Bezirksklinikum Mainkofen tätig, zuletzt als Leitende Ärztin. Ab dem kommenden Jahr macht sich die gebürtige Regensburgerin selbstständig und wird Praxispartnerin von Neurologe Dr. Anton Zellner am Aventinusplatz.

An den Feiertagen verdichten sich Probleme. „Viele, die einsam sind, erleben dann totale Krisen“, weiß Schulte. Das, was früher die Großfamilie aufgefangen hat, ist heute oft ein Fall für die Klinik. Zum Jahresende hin ziehen viele Bilanz. Dann muss man erkennen, „mein Leben ist oder war nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe“.

Vor allem auf dem Land gebe es aber nach wie vor eine große Hemmschwelle zum Psychiater zu gehen, weiß Schulte. „Die meisten kommen erst um Fünf vor Zwölf.“ Bei Angstpatienten dauere es etwa im Schnitt sechs bis acht Jahre bis sie eine Therapie beginnen. Zuvor tingeln sie oft mit Symptomen wie Panikattacken, Herzrasen oder Schwindel von Arzt zu Arzt. Diese Erfahrung hat auch Neurologe Dr. Anton Zellner gemacht. „Viele schämen sich, zu einem Psychiater zu gehen. Dann doch lieber zum Neurologen. Das schaut nach außen hin besser aus.“

Schon seit einigen Jahren will Zellner etwas an der „Unterversorgung“ im Landkreis ändern, wie er sagt. Außerhalb der Großstädte gebe es zu wenig Psychiater. Für die 113.000 Menschen im Landkreis etwa bislang keinen einzigen. Das belegt der Blick ins Telefonbuch. In der Kreisstadt gebe es einen Nervenarzt und einen weiteren Neurologen und verteilt auf den Landkreis einzelne psychotherapeutische Angebote, so Zellner. Wer einen Psychiater brauche, müsse ins Bezirksklinikum Landshut oder Regensburg oder einen niedergelassenen Kollegen in Regensburg oder Ingolstadt aufsuchen. Dort müsse man dann meist erst einmal drei bis vier Monate auf einen Termin warten.

Gemeinsam wollen Zellner und Schulte die Menschen aus der Region schneller behandeln und die Hemmschwelle senken. Zu Schultes Spektrum zählen unter anderem Depressionen, Persönlichkeits- oder Essstörungen sowie die Krisenbewältigung nach belastenden Ereignissen. Zusätzlich ist auch noch eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an Bord. Die Vernetzung der beiden Fachrichtungen hält Schulte für wichtig. Als Beispiel nennt sie Eltern von Kindern mit psychischen Erkrankungen. Auch sie bräuchten professionelle Begleitung. „Das wäre auch in der Klinik das Nächste gewesen, was ich angefangen hätte“, so Schulte.

Anfang 2013 wurde die so genannten Bedarfsplanung reformiert. Diese legt fest, wie viele Vertragsärzte und -psychotherapeuten sich in einem Planungsbereich niederlassen sollen, um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen, heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern. Die Niederlassung von Dr. Helga Schulte wurde „Entsperrung“ des Planungsbereichs bzgl. Psychiatrie möglich.

Seit 2006 hat Dr. Anton Zellner seine Neurologie-Praxis am Aventinusplatz. Dr. Denise Quitterer praktiziert seit einiger Zeit dort als Kinder- und Jugendpsychiaterin. Ab 2014 komplettiert Dr. Helga Schulte das Angebot. Diese drei Fachgebiete in einem Haus finden sich laut Dr. Zellner „extrem selten“. (re)