Neumarkter Rathaus
Psychische Erkrankungen: MUT-Tour räumt mit Vorurteilen auf

28.08.2022 | Stand 15.09.2023, 3:52 Uhr
Josef Wittmann
Vor dem Rathaus kamen die Tour-Teilnehmer mit den Neumarktern ins Gespräch. −Foto: Josef Wittmann

Um ein Zeichen für mehr Offenheit, Wissen und Mut im Umgang mit psychischen Erkrankungen zu setzen, hat am Samstag eine Tandem-Gruppe der MUT-Tour auf der Etappe von Tuttlingen nach Regensburg vor dem Neumarkter Rathaus Station gemacht.

Initiiert hat das Anke Kidan vom „Verein zur ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung Neumarkt e.V. (EUTB)“. Der Verein lotst Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige kostenlos und bundesweit durch den Behördendschungel.

MUT-Tour macht Station in Neumarkt

Zum zehnten Mal radeln und wandern diesen Sommer hunderte Menschen, zum Teil mit Pferden, mit und ohne Depressionserfahrung durch Deutschland. „Die MUT-Tour räumt auf mit Vorurteilen gegenüber Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen“, heißt es bei den Verantwortlichen.

Lesen Sie auch:Baby-Blues-Hotline hilft Müttern aus der Depression

Julian ist einer der Radler. Zum einen ist er an einer bipolaren Störung erkrankt und zum anderen auch als Angehöriger betroffen. „Mein Anliegen ist, dass das Krankheitsbild bekannter wird und Betroffene sich schneller behandeln lassen“, sagt er. Das Besondere an seiner Krankheit sei, dass man sich nach der Depression im Stadium der Manie „unheimlich gut fühlt und der Meinung ist, man bräuchte keine medikamentöse Behandlung, die man in dieser Situation aber unbedingt braucht, damit die Krankheit glatter verläuft“. Ein wichtiges Thema sind für ihn auch grundlose Angstattacken, deren Herkunft man noch nicht kenne.

Psychische Erkrankungen betreffen jeden Vierten

Der gebürtige Nürnberger lebt jetzt in Berlin und opfert seit 2016 seinen Urlaub, um an der Tour teilzunehmen. Zwischen der Noris und Wendelstein „ist es ist unheimlich schön“, sagt er. „Die Menschen sind total nett und freundlich und gehen auf uns zu. Das erlebt man so nicht immer.“ Tolle Gespräche mit Interessierten habe er schon unterwegs geführt. Wenn man mit 20 Menschen auf einem Marktplatz stehe, habe jeder Vierte schon eigene Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen oder einen betroffenen Angehörigen.„Da setzen wir ein Zeichen für Entstigmatisierung. Unser Ziel ist, dass man offen darüber spricht.“ Außerdem werden Anlaufpunkte für Betroffene vermittelt.

Lesen Sie auch:Neumarkter Pfarrer Stefan Wingen spricht über seinen Burnout

Wenn es regnet, sucht sich die Gruppe für die Nacht ein Dach über dem Kopf. In der Nacht zum Samstag wurde die Gruppe von Axel Wisgalla in seinem Haus in Altdorf aufgenommen – er leitet die Geschäftsstelle der EUTB in Fürth und ist die Etappe nach Neumarkt mitgeradelt. Alle Beratungsstellen der EUTB seien gerade in einer spannenden Phase, weil die Projektförderung nach fünf Jahren auslaufe und niemand wisse, ob man auch nächstes Jahr wieder helfen könne oder nicht.

Einer anderer Unterstützer und Mitradler der Tour ist Alexander Liebsch vom Tageszentrum des Diakonischen Werkes in der Friedenstraße in Neumarkt. Es sei der älteste Treffpunkt seiner Art in der Oberpfalz – seit 25 Jahren gibt es hier ein Programm, sagt er. Drei Sozialpädagogen betreuen dort etwa 100 Klienten.