Kokosweberei
Rote Teppiche aus der Eifel

In Deutschlands letzter mechanischer Kokosweberei entstehen rote Teppiche, über die die Prominenz im Blitzlicht schreitet.

20.12.2015 | Stand 16.09.2023, 6:57 Uhr
Birgit Reichert
Georg Fritzsche, Unternehmenschef der Kokosweberei Schär in Eisenschmitt steht stolz zwischen zwei „roten Teppichen“ aus Kokos, die in einer Lagerhalle stehen. −Foto: Harald Tittel

Päpste, Präsidenten und Prinzen sind schon über sie geschritten. Auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Joachim Gauck werden sie immer wieder ausgerollt: Rote Teppiche, die in Eisenschmitt in Rheinland-Pfalz entstehen. Und zwar ganz traditionell: In der Kokosweberei Schär werden sie aus indischem Kokosgarn auf mechanisch betriebenen Webstühlen gefertigt. „Bei vielen Staatsakten liegen rote Teppiche aus Eisenschmitt“, sagt Unternehmenschef Georg Fritzsche, der die von seinem Großvater 1929 gegründete Kokosweberei in dritter Generation führt.

Unternehmen kann sich vor Aufträgen nicht retten

Das liegt wohl auch daran, dass Fritzsche eine Nische besetzt. In den 1950er Jahren habe es noch 35 Kokoswebereien in Deutschland gegeben. „Es gab sogar einen Fachverband der Kokosindustrie“, erinnert er sich. Die Produktion von Läufern, Matten und Teppichen aus Kokosgarn habe sich aber inzwischen aus Kostengründen immer mehr in asiatische Länder verlagert. „Wir sind die letzte mechanische Kokosweberei, die in Deutschland übrig geblieben ist“, sagt der 62-Jährige, dessen Unternehmen sich derzeit vor Aufträgen nicht retten kann.

Denn Kokos-Teppiche würden gerne genommen, auch um Treppenhäuser und Flure in Altbauten auszulegen. Oder um Innenräume von Kirchen oder Messehallen zu bestücken. „Unser Lager ist leer. Wir kommen kaum mehr hinterher.“ Kokosgarn habe einmalige Eigenschaften: „Es ist robust, brennt und fault nicht und hält nahezu ewig“, sagt Fritzsche und hält ein Feuerzeug an das Garn, das sich nicht entzündet, nur schwarz verfärbt.

Prominente Füße auf Fritzsches roten Teppichen

Die britische Königin Elizabeth II. sei schon in Estland über einen roten Läufer aus der Eifel gelaufen, berichtet Fritzsche und zeigt in seinem Büro stolz auf ein Beweisfoto mit der Queen. Papst Benedikt XVI. stand bei einem Deutschlandbesuch ebenso darauf – wie auch schon die amerikanischen Präsidenten George Bush, Bill Clinton und Barack Obama. „Es ist eben der typische rote Teppich: Wenn jemand besonderes kommt, wird er ausgerollt – und danach wieder eingerollt“, sagt Fritzsche.

Früher hätten Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt immer direkt im Dorf bestellt, berichtet der 62-Jährige. Dies sei heute nicht mehr so. „Die haben Firmen, die auf Abruf die Teppiche da hinbringen. Und wir liefern an diese Firmen.“ Deshalb könne man nicht sagen: „Was wir heute weben, liegt morgen da oder da.“

Langer Weg bis zum fertigen Produkt

Die Firma Buchele Raumgestaltung in München etwa ist seit Jahrzehnten Kunde von Fritzsche. „Wir bestellen rote Teppiche für Staatsbesuche und andere offizielle Anlässe“, sagt Firmenchef Andreas Buchele. Über die Jahre seien da etliche Kilometer zusammengekommen. Das Münchner Traditionsunternehmen hat ein eigenes Lager, wo die Teppiche aufbewahrt und gepflegt werden. Jüngst hat in Eisenschmitt auch ein Luxemburger Ministerium angefragt, das die Teppiche möglicherweise auch für hohe Besuche ordern will.

Um die 500 Quadratmeter schaffen die 15 Mitarbeiter am Tag im Schnitt. Bis die Bahnen zur Auslieferung fertig auf der Rolle sind, ist es ein langer Weg. Er beginnt in Indien: Dort wird das Garn aus Kokosfasern gesponnen, die zwischen Nuss und Außenhaut gewonnen werden. In Ballen gepresst, wird das Garn im Container ins belgische Antwerpen verschifft und dann mit dem Lastwagen ins Eifeldorf gebracht.

In der Fabrik kommt es 24 Stunden lang bei 90 bis 100 Grad in große Bottiche und wird rot gefärbt, bevor es zur Trocknung in den Ofen geht. Danach kommt es in eine Schleuder und auf die Leine. „Wie bei der Wäsche.“ Danach wickeln Spulerinnen das rote Garn auf – und ab geht’s zum Webstuhl. Dort jagen in einem Affenzahn Webschiffchen hin und her, auf mechanischen Maschinen, die 60 Jahre alt sind.

Familientradition setzt sich weiter fort

Wenn etwas kaputt geht, ist Kreativität gefragt. „Es gibt ja keine Ersatzteile mehr.“ Heißt: Jene Teile müssen alle in Einzelanfertigung nachgebaut werden. Klar habe man auch schon über Automatisierung nachgedacht. Das Kokosgarn sei dafür aber absolut ungeeignet, weil es „so ungleichmäßig, grob und eben handgesponnen“ sei.

Die Zukunft des Traditionsbetriebs scheint gesichert. Sohn Alexander Fritzsche ist bereits Juniorchef. „Es wäre doch sehr schade, wenn der Familienbetrieb nach so vielen Jahren aufgegeben würde“, sagt der 32-Jährige.

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