Jubiläum
Schul-Idylle begann vor 40 Jahren

80 Schüler bekamen 1975 die Zeugnisse am neuen Gymnasium Neutraubling. Anfangs waren sie noch im Pfarrsaal einquartiert.

01.08.2015 | Stand 16.09.2023, 7:03 Uhr
Schulstart vor 40 Jahren: eine der beiden ersten fünften Klassen des Gymnasiums mit dem damaligen Schulleiter Ernst Peter Mayr −Foto: Fotos (3): Schularchiv

Die Pioniere waren eine Woche früher dran: Während mehr als 1100 Schüler des Neutraublinger Gymnasiums erst gestern ihr Zeugnis bekamen, genossen ihre Vorgänger vor 40 Jahren zu diesem Zeitpunkt schon längst die großen Ferien. 80 Schüler zählte das erste Gymnasium des Landkreises damals im ersten Jahr seines Bestehens. „Ein Mini-Gymnasium, eine Schul-Idylle irgendwo in Bayern“, schrieb Schulleiter Ernst Peter Mayr damals in seinem Jahresbericht, einer recht dünnen, maschinengeschriebenen Blattsammlung.

Auf stolze 320 Seiten bringt es dagegen das Buch, das die Neutraublinger Gymnasiasten gestern zusammen mit ihrem Zeugnis mit nach Hause genommen haben. Das 40. Schuljahr am Neutraublinger Gymnasium ist damit zu Ende – ein Schuljahr, das zu einem guten Teil auch im Zeichen des Jubiläums stand – mit Projekten, Ausstellung und Aktionen, wie dem Versuch des Lehrerkollegiums, während des Schuljahrs 40 goldene Sportabzeichen zu erwerben. „Das haben wir geschafft“, verkündet Direktor Stefan Gutzeit stolz, und sein Stellvertreter Kurt Goldmann ergänzt: „Am Neutraublinger Gymnasium gab es immer schon viel Pioniergeist!“

Es gab kein Klassenzimmer

Den mussten die ersten Lehrer an der Schule vor 40 Jahren tatsächlich mitbringen. Insofern hat der Gründungsdirektor doch deutlich untertrieben, als er seinen ersten Jahresbericht mit den Worten einleitete: „Nein, eigentlich lohnt es sich wirklich nicht, einen Jahresbericht für diese 2 Klassen zu schreiben – es ist einfach nichts Besonderes passiert.“ Dabei standen Ernst Peter May, sein Stellvertreter Friedrich Menzinger und Sekretärin Waltraud Engmann-Schwalb zunächst nahezu vor dem Nichts. Denn die Bauarbeiten am nagelneuen Gymnasium hatten erst im April 1974 begonnen. Bis zur Fertigstellung sollte es noch bis September 1975 dauern. So gab es zunächst nicht einmal Klassenzimmer.

Kurzerhand wurden die Schüler in den Pfarrsaal einquartiert, den eine Faltwand in zwei Räume teilte. „Auf der einen Seite waren die 33 Lateiner und auf der anderen die 47 Engländer“, erinnert sich Waltraud Engmann Schwalb an die damalige Aufteilung der beiden Klassen. Die langjährige Chefsekretärin des Gymnasiums war durch einen Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung zu dem Job gekommen. Denn am 5. Juli 1974 hatte die MZ von der Grundsteinlegung des neuen Gymnasiums berichtet. In der ihr eigenen Art telefonierte sie sich resolut bis zum damaligen Ministerialbeauftragten durch, der ihr versprach sich zu melden, sobald er einen Chef für sie gefunden habe. Wenige Wochen später startete Engmann-Schwalb zusammen mit dem neuen Schulleiter an einem gemeinsamen Schreibtisch im Neutraublinger Rathaus in das „Abenteuer Schule“.

Und das war es tatsächlich für alle – für die Lehrer nicht weniger als für die Schüler. Denn schon nach wenigen Wochen stand für die kleine Schulfamilie der erste Umzug an. Der damalige Bürgermeister Herbert Scholz hatte in der ebenfalls neu entstehenden Hauptschule zwei Klassenzimmer, einen Raum als kombiniertes Direktorat, Sekretariat und Lehrerzimmer sowie eine kleine Abstellkammer fertigstellen lassen. Was sowohl dort als auch im Pfarrsaal fehlte, war ein Schulgong. Wie sollten also die Stundenwechsel angezeigt werden? Das übernahm Waltraud Engmann-Schwalb und holte sich dazu zwei Becken aus der noch spärlichen Musikinstrumentensammlung. Die schlug sie alle 45 Minuten aufeinander.

Recht übersichtlich war zunächst das Lehrerkollegium der neuen Schule. Insgesamt 14 Lehrkräfte listet Ernst Peter Mayr in seinem ersten Jahresbericht auf, die meisten davon waren aber nur zeitweise von anderen Schulen ausgeliehen. So musste die Sekretärin auch im Unterricht mit ran, wenn der Chef dringende Verwaltungsaufgaben zu erledigen hatte oder seine Meinung auf der Baustelle des Gymnasiums gefragt war. Auf eine Freistunde durften sich die Schüler da aber nicht freuen. Denn die Sekretärin gab Diktate, fragte lateinische Wörter ab und ließ sich die Flüsse links und rechts der Donau aufsagen.

Gästebücher liebevoll geführt

Und auch eine kleine aber feine Chronik der Schulgeschichte führte Engmann-Schwalb. Zum 50. Geburtstag des ersten Schulleiters im Oktober 1976 begann sie mit dem ersten von mittlerweile vier Gästebüchern, die sie über Jahrzehnte hinweg liebevoll führte. Darin verzeichnet sind besondere Veranstaltungen, aber auch – bis auf einen – alle Abitur-Jahrgänge mit Bild und Unterschriften. Der fehlende Jahrgang durfte nicht rein – ein paar Schüler hatten beim Abiturscherz zu sehr über die Stränge geschlagen.

Ein Ausreißer – längst nicht mehr als eine Anekdote in der Schulgeschichte mit insgesamt 3602 Abiturienten, erinnert sich Kurt Goldmann, der seit 1979 an der Schule unterrichtet und dienstältester Lehrer ist. Noch heute schwärmt er davon, als junger Lehrer am Aufbau einer neuen Schule dabei gewesen zu sein. „Das war fast wie im Schlaraffenland“, erzählt er davon, als die Schule mit modernsten Materialien ausgestattet wurde.

Mittlerweile beschäftigt die Schulleitung allerdings vor allem die dringend nötige Sanierung des Gebäudes, die jetzt endlich kommen soll. Was sich aber nach Ansicht der beiden Schulleiter bis heute nicht geändert hat, ist die besondere Atmosphäre mit viel Eigeninitiative und Pragmatismus am ersten Gymnasium im Landkreis. „Das hat Schüler und Lehrer immer zusammengeschweißt“, betont Direktor Stefan Gutzeit.