Verkehr
Seit 50 Jahren auf dem Beifahrersitz

Der Hemauer Karl Knerr hat drei Generationen zum Führerschein verholfen. Seine Fahrschule war 1965 die erste am Tangrintel.

19.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:09 Uhr
Im Unterrichtsraum der Hemauer Fahrschule präsentiert Karl Knerr sein schwarzes Buch, in dem alle Fahrschüler aufgelistet sind. −Foto: Fotos: Krenz

Seit 50 Jahren sitzt Karl Knerr auf dem Beifahrersitz, gibt Anweisungen und passt auf wie ein Luchs. Unzähligen Anfängern hat er das Fahren auf zwei und vier Rädern beigebracht. Wie viele es genau sind, darüber will sich der Fahrlehrer nicht auslassen. „Des müssen’s ja ned schreibn“, lacht er verschmitzt. Dabei könnte der 78-Jährige genauestens Auskunft geben.

In einem schwarzen Buch hat er fein säuberlich sämtliche Schüler aufgelistet mit Datum, Fahrstunden, Kosten, etc. „Man kann schon sagen, dass die Großgemeinde Hemau bei mir den Führerschein gemacht hat“, erzählt Knerr. Schließlich leistete der sportbegeisterte Senior Pionierarbeit. Er war der erste, der am Tangrintel eine Fahrschule eröffnet hat.

Sprung in die Selbstständigkeit

„Als ich mit der Fahrschule angefangen habe, stand mein Haus mit Schulungsraum praktisch am Ende von Hemau“, sagt Knerr. Heute liegt es zentral. Von seinem Balkon aus hat der Fahrlehrer mit Leib und Seele einen guten Überblick über die Stadt. „Nur wenige Meter sind es zur Schule, das Altenheim liegt praktisch vor der Haustür und auch der Friedhof ist nicht weit“, erklärt der „Stauber-Kare“, wie ihn seine Freunde nennen.

An seinen ersten Fahrschüler kann er sich noch gut erinnern. Helmut Regensburger war es, der sich als 18-Jähriger in der Gastwirtschaft Stauber zur Führerscheinprüfung angemeldet hat. Das war im Herbst 1965 und Knerr hatte erst kurz zuvor den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt.

Dass er einmal Fahrlehrer werden würde, war für den Hemauer zunächst nicht klar. Nach seiner Metzgerlehre ging er zur Bundeswehr nach Regensburg ins Fernmeldebataillon, wo er in der 2. Kompanie Dienst schob. Er wurde zum Fahrlehrer ausgebildet und brachte vielen Soldaten das Fahren mit allerlei Gefährten bei. Da war schnell klar, wohin ihn sein Weg führt. Nach sieben Jahren tauschte der gebürtige Hemauer die Uniform mit der Zivilkleidung und entschied sich dafür, auch weiter als Beifahrer seiner Kundschaft das Bremsen, Kuppeln und Gasgeben zu vermitteln.

Da es gerade in den Anfangsjahren der Hemauer Fahrschule einen großen Nachholbedarf gab, unterrichtete Knerr damals ein bunt gemischtes Publikum, praktisch einen Querschnitt durch die ganze Gesellschaft. Heutzutage seien es zumeist nur mehr junge Fahranfänger. So ist es nicht verwunderlich, dass in manchen Familien schon drei Generationen ihren Schein beim „Stauber-Kare“ gemacht haben.

Während die Großväter mit noch teils abenteuerlicher Technik der damaligen Fahrzeuge zu kämpfen hatten, lernen die Fahrschüler heutzutage auf modernen Pkws und Zweirädern ihr Handwerk für den Straßenverkehr. „Früher gab es zudem nur eine Handvoll Führerscheinklassen, die sich mittlerweile aber auf gut 20 ausgeweitet haben“, ergänzt Karl Knerr junior, der seit 2003 das Steuer übernommen hat. Nur noch aushilfsweise nimmt Knerr senior am Beifahrersitz Platz.

Fahrunterricht für die Aussiedler

Als sich im Laufe der Jahre die geburtenschwachen Jahrgänge deutlich bemerkbar machten, verfiel der findige Geschäftsmann auf eine Idee. Der Fahrlehrer brachte sich Russisch bei und so strömten viele Aussiedler in die Fahrschule am Mönchsbergweg. „Besonders wichtig war es uns, die Schüler zu guten Fahrern auszubilden, die sich sicher im Straßenverkehr bewegen können“, sagt er. Nur so bringe das Auto- oder Motorradfahren echte Freude – daran habe sich seit der ersten Fahrstunde nichts geändert.

50 Jahre Fahrlehrunterricht, da gibt es doch sicher einige Anekdoten zu erzählen: „Aber ja doch“, lacht Knerr. Etwa die von einem Fahrschüler Ende der 60er-Jahre, der im Winter den Führerschein machte. Als der 21-Jährige durch eine Gasse in Kelheim fuhr, löste sich eine Dachlawine und der Schnee fiel auf das Autodach. „Der junge Mann war kreidebleich und hatte sich heftig erschrocken“, berichtet Knerr. Gott sei Dank hat sich niemand verletzt – der Fahrschüler war übrigens der ehemalige Hemauer Bürgermeister und Landrat Herbert Mirbeth.

Größere Unfälle hat der „Stauber-Kare“ nicht erlebt – nur kleine Blechschäden. Aber bei keinem war sein Schüler schuld, erzählt er stolz. „Schließlich sehen vier Augen mehr als zwei.“ Zumeist waren es Auffahrunfälle – hinten drauf gebrummt seien dem Fahrschulauto schon einige.