Prozess
Sex-Vorwürfe gegen den Stiefvater

Ein 46-Jähriger aus dem Landkreis Neumarkt soll seine Stieftochter missbraucht haben. Der Mann sieht sich in der Opferrolle.

16.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:27 Uhr
Den ein oder anderen Blick ins Strafgesetzbuch werden auch die Richter der 2. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth werfen. Die Kammer verhandelt derzeit den Prozess gegen einen 46-Jährigen, der im Verdacht steht, seine Stieftochter sexuell missbraucht zu haben. −Foto: Andreas Gebert

Es gehört sicherlich zu den schwierigsten Situationen für Richter, mutmaßliche Opfer von sexuellem Missbrauch zu befragen. Doch befragen müssen die Richter sie im Sinne einer Aufklärung. Auch den beiden Juristen der 2. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth um den vorsitzenden Richter Dr. Hans-Walter Mayer blieb am Montag nichts anderes übrig, als einer 19-Jährigen unangenehme Fragen zu stellen. Die junge Frau aus dem Landkreis Neumarkt ist das mutmaßliche Opfer ihres Schwiegervaters, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, die junge Frau sexuell missbraucht zu haben.

„Es hat alles bei Zeichentrickfilmen begonnen“, erinnerte sich die 19-Jährige an die Anfänge. Wann diese genau waren, ob vor dem 14. Lebensjahr der Zeugin oder danach, das ist für die Richter ein wichtiger Punkt, den es zu klären gilt. Ist doch ein Mensch unter 14 Jahren juristisch gesehen noch ein Kind.

Erschwert wird diese Aufgabe den Richtern durch die zeitliche Distanz zu den dem 46-Jährigen vorgeworfenen Taten und diverse Umzüge der Familie in der Zeit zwischen 2011 und 2015. Der 19-Jährigen fiel es daher auch teils schwer, die Ereignisse zeitlich genau zuzuordnen, die sie im Verlauf des Scheidungsverfahrens ihrer Eltern der Anwältin der Mutter erstmals offenbart hatte.

„Ich war wie eine Puppe für ihn“

Aus ihren Aussagen ging hervor, dass ihr Stiefvater sie beim gemeinsamen Filmschauen erstmals betatscht habe. Doch dabei sei es nicht geblieben. „Es wurde schlimmer“, schilderte die Zeugin aus ihrer Sicht den Verlauf der Ereignisse in den darauf folgenden Monaten und Jahren.

Zuletzt habe sie beinahe täglich, teils auch mehrfach Sex mit dem Angeklagten haben müssen, der aufgrund seiner Arbeitslosigkeit viel Zeit zuhause verbrachte, während die Mutter für den Unterhalt der Familie sorgte. „Ich war wie eine Puppe für ihn. Er konnte mit mir machen, was er wollte“, erklärte die 19-Jährige. Auf unterschiedliche Weise habe sie der 46-Jährige unter Druck gesetzt.

Am Anfang habe die Drohung gestanden, er werde ihrer Mutter von ersten sexuellen Erfahrungen des Mädchens mit einem gleichaltrigen Jungen erzählen. Vor der Reaktion ihrer Mutter habe sie Angst gehabt. Später habe der Angeklagte mehrfach gedroht, die Mutter umzubringen. „Ich wollte nicht, dass meine Mama leidet. Sie ist mein Ein und Alles“, erklärte die 19-Jährige im Verlauf des ersten von drei angesetzten Verhandlungstagen. Zuletzt soll der 46-Jährige so viel Gewalt über sie gehabt haben, dass er auch für das Gewähren von Freiheiten, wie beispielsweise die Erlaubnis für Treffen mit Freunden, Sex im Gegenzug einfordern konnte, wie die junge Frau erklärte.

Heute leide sie unter dem Missbrauch, erklärte die 19-Jährige dem Gericht. Sie habe Alpträume, dass der 46-Jährige freikomme „und dann meine Familie absticht“. Auch leide ihre aktuelle Beziehung unter den Erfahrungen, die sie gemacht habe. Sex mit ihrem jetzigen Freund sei für sie kaum möglich.

Es soll Liebe gewesen sein

Der Angeklagte sah all dies anders. Wie genau, das ließ er über seinen Verteidiger erklären. Seine Stieftochter und er hätten eine Beziehung gehabt. Es sei Liebe gewesen und der Sex daher einvernehmlich. Mehr noch: Sie habe ihn verführt, obwohl er anfangs noch versucht habe, zu widerstehen. Sie habe ihn benutzt, um sich an ihrer strengen Mutter zu rächen und mehr Freiheiten zu bekommen. Vor allem aber habe er erst Sex mit ihr gehabt, als sie schon sechzehneinhalb Jahre alt gewesen sei.

Der Prozess wird am Freitag vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth fortgesetzt.

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