Kultur
„Slammer“ kämpfen mit Worten

Dichter traten im G6 gegeneinander an. Die Siegerin war Shiva Kianpoor – eine Frau, die sich erst seit diesem Jahr dem „Poetry Slam“ widmet.

27.09.2013 | Stand 16.09.2023, 7:24 Uhr
Sebastian Preischl

Gefühle in Worte gekleidet – so holte sich Shiva Kianpoor den Sieg. Foto: Preischl

Man nehme sechs sprachgewandte Poeten, einen außergewöhnlichen Moderator, um die 80 literaturinteressierte Zuhörer und bringe sie alle an einem Donnerstagabend im G6 zusammen – fertig ist der perfekte Auftakt des 16. Neumarkter Poetry Slams. Poetry Slam, das bedeutet maximal sieben Minuten Zeit, um einen selbstgeschriebenen Text dem Publikum vorzutragen, das ihn anschließend bewertet.

Nachdenklich und Humorvoll

Sein Kommen dürfte kein einziger Gast im gut gefüllten Haus für Jugend, Bildung und Kultur bereut haben, denn der erste Dichterwettstreit der neuen Saison bot wirklich für jeden etwas. Mal leise und nachdenklich, mal lauter und kritischer, dann wieder amüsant und humorvoll, so vielfältig präsentierten die Künstler ihre Texte. Dafür waren sie teils weit angereist, wie Henning Wenzel aus Dresden oder Meryem Kandemir aus Tirschenreuth.

Für Kandemir war es der erste Auftritt überhaupt bei einem Poetry Slam. „Ich war vorher total nervös“, schilderte die 18-Jährige ihre ersten Erfahrungen als Slammerin, „aber dann war es richtig cool, oben auf der Bühne zu stehen“. Die Zuhörer im G6 wusste sie dann auch mit ihrem „Plan vom Leben, sie selbst zu sein“ auf Anhieb zu überzeugen.

Gefühle in Worte kleiden, nachts aufwachen und einen hartnäckig festsitzenden Gedanken zu Papier bringen oder einfach irgendetwas lustiges aus dem Blauen heraus verfassen, weil man eine bestimmte Beobachtung gemacht hat, so entstehen das meiste Textmaterial der Slammer. Die Gründe, sich dann auf die Bühne zu stellen und seine Gedanken vorzutragen, sind aber durchaus unterschiedlich. Henning Wenzel aus Dresden ist mit seinen Büchern eigentlich eher auf Lesungen unterwegs, doch am Donnerstag folgte er der Einladung und dem Ruf aus Neumarkt, um beim Dichterwettstreit aus seinem Buch „Späte Stunde der Wahrheit“ vorzulesen.

Literatur und Wettkampf

Ein Workshop der Poetry-Slam-Ikone Michael Jakob, der im G6 gekonnt durch den Abend führte, war der Auslöser dafür, dass sich Shiva Kianpoor mit der „Mischung aus Literatur und sportlichem Wettkampf“ beschäftigte. Die 20-jährige Nürnbergerin ist seit Januar in der Slam-Szene aktiv und konnte sich im G6 den Sieg sichern, nachdem sie eine Woche zuvor bereits Franken bei den deutschsprachigen U20-Meisterschaften in Kiel vertreten hatte.

In Neumarkt begeisterte sie das Publikum und die daraus zusammengesetzte Jury – fünf zufällig ausgewählte Juroren entscheiden über den Einzug der Kandidaten ins Finale des Abends – mit ihren lebhaft vorgetragenen Gedanken über Toleranz, Objektivität und das Leben und leben lassen sowie im Finale mit einem brillanten Text über die Last und Lust des Alterns.

Aber auch die anderen Teilnehmer brauchten sich keineswegs verstecken. Lokalmatador Miro Bebic aus Neumarkt, der ebenso wie Henning Wenzel ins Dreier-Finale einzog, dessen Gewinner letztendlich durch den Applaus des Publikums gekürt wurde, wusste mit zwei launigen Geschichten über den Spaß an der Boshaftigkeit und die Co-Schwangerschaft von Ehemännern zu begeistern.

Einen sehr guten kritischen Beitrag, der zum Nachdenken anregte, lieferte Denise aus Lauf, mit 17 Jahren die jüngste Teilnehmerin, indem sie die potenzielle Entwicklung eines Amokläufers in einem kranken System beschrieb. Dagegen setzte der 29-jährige Laufer Hauptschullehrer Ingo Winter auf Humor und eine Geschichte über peinliche Momente im Leben und konnte so beim Publikum punkten. Am Ende des Abends stand für alle Teilnehmer und Zuhörer unter dem Strich das Fazit eines mehr als gelungenen Poetry-Slam-Auftakts, der Lust auf mehr machte.