Prostituiertenmord
„So eine Tat hätten wir ihm nie zugetraut!“

Der mutmaßliche Mörder im Sexclub von Folmava kommt aus Zandt. Das Dorf und seine angeheiratete Familie sind erschüttert: „Das kann man sich nicht vorstellen!“

12.05.2010 | Stand 16.09.2023, 21:08 Uhr
Ernst Fischer

Landkreis.Oben an dem massiven Holzbalkon hängt ein geschnitztes Bild von der Maria mit dem Kinde. Und an der der Haustür steht in Ton gebrannt: „Trautes Heim“. – Das traute Heim ist kaputt für die zwei Menschen, die neben der Haustür auf der Hofbank unter einem gelben Sonnenschirm sitzen. Ein junger Mann (20) und seine Großmutter (80): Sie lassen die Köpfe tief über den Tisch hängen. Gerade haben sie etwas erfahren, was ihre heile Welt erschüttert. Der Schwager und Mann der Enkeltochter, der Mann, mit dem sie jahrelang unter einem Dach zusammengelebt haben, dieser Mann soll ein brutaler Mörder sein!

Die Kameras eines tschechischen Fernsehteams haben es gestern ins ganze Dorf getragen: Einer von hier soll der Prostituierten-Mörder von Folmava sein. Seit Freitagabend sitzt Thomas P. (44) in Haft in Pilsen. Er war als Freier in den Sex-Club „Mamba“ in Folmava gekommen. Mit einer 19-jährigen Slowakin ging er um 19 Uhr auf ihr Zimmer. Als sie nach zwei Stunden nicht wiederkamen, schaute eine Kollegin nach und fand die 19-Jährige brutal misshandelt.

Sechs Stunden später starb die junge Frau in einer Klinik in Pilsen. Sie soll schwere innere Verletzungen im Genitalbereich erlitten haben. 40 Prozent ihrer Haut sollen verbrannt sein, entweder von siedendem Wasser oder einer Verätzung durch Säure.

Der Freier wurde noch im Zimmer überrascht. Er wollte fliehen, wurde aber von einem Türsteher in der Mamba-Bar festgehalten und der alarmierten Polizei übergeben. Seitdem sitzt der Mann in Haft. Und der Chefermittler in Pilsen hat ein offizielles Verfahren wegen Mordes eingeleitet. Bei einer Verurteilung drohen dem Täter zehn bis 18 Jahre Gefängnis.

„…der war öfter mal weg!“

Der junge Mann und seine Oma auf dem Hof im Schatten der Dorfkirche haben nicht gleich gewusst, dass der mutmaßliche Mörder von Folmava, der seit Tagen Schlagzeilen macht, unter ihrem Dach wohnen könnte.

Landkreis.„Wir haben ihn am Freitag zum letzten Mal gesehen“, erzählt sein Schwager. Hat man sich keine Gedanken gemacht, dass Thomas P. seitdem verschwunden war? „Nein“, zuckt der junge Mann mit den Schultern: „…der war öfter mal weg.“

Am Montag hat der Schwager dann zum ersten Mal „etwas gehört“, wo Thomas P. diesmal geblieben sein könnte. „Im Wirtshaus hat mir jemand erzählt, dass er der Mörder von Folmava ist.“ Die brutale Realität brach am Dienstagvormittag in das 1800-Einwohner-Dorf Zandt und den schmucken Bauernhof Am Kirchplatz ein. Ein tschechisches Fernsehteam machte mit seiner Kamera die Runde. Deutsche Sender wie Sat.1 und RTL folgten. Natürlich haben der junge Mann und seine Oma auf ihrer Hofbank am Kirchplatz gespürt, dass diese Leute ihre Kameras genau auf sie gehalten haben, auf ihr Haus und ihren Hof, auf sie direkt ins Gesicht. Die Oma hat darüber „eine richtige Wut bekommen“. Und als jetzt gerade wieder zwei junge Männer mit einer Kamera draußen auf der Straße in ihre Richtung zielen, da schreit sie laut hinaus: „Dass ihr ja nicht uns im Fernsehen zeigt!“

Aber sie bleiben weiter sitzen hier draußen unter dem gelben Schirm auf dem offenen Hof. Warum denkt keiner dran, sich drin im Haus zu verstecken? – Sie wollen reden! Es ist, als könnten sie nur so das Unfassbare loswerden, was sie gerade überfallen hat.

Die Oma sagt: „Wenn er nur unseren Namen nicht angenommen hätte!“ Thomas P. war keiner von ihnen! „Keiner von Zandt!“ Das wollen sie loswerden. Und sie erzählen die Geschichte, dass er „eigentlich aus der Waldmünchner Gegend kommt“. Er ist nur „eing’heirat“. Die Hof-Enkelin hat ihn heimgebracht, erzählt die Oma: einen Mann, der 22 Jahre älter war als sie! Wie konnte das zusammengehen?

Vier Jahre in Haft wegen Einbruch

„Mei“, sagt die Oma, „…wenn man jung und dumm ist!“ Erst hat sich die Sache ja „recht gut angelassen“. „Bei der Arbeit auf dem Hof hat er immer fest hing‘langt“, sagt die Oma. Aber „richtig in die Arbeit“ ist er „eigentlich nie gegangen“. Früher solle er einmal Mauerer gewesen sein.

Landkreis.Aber dann kam die Zeit, als er „länger weg“ war. Vier Jahre waren es zuletzt. Das haben die Männer vorne im Wirtshaus erzählt. Im Gefängnis in Amberg soll Thomas P. gewesen sein, wegen Banden-Einbrüchen. „Der ist nur Posten gestanden“, sagt die Oma.

Im Wirtshaus erzählt man auch von einem Gerücht, dass Thomas P. einmal was „mit der Vergewaltigung einer Taxifahrerin zu tun gehabt haben soll“. Der Schwager und die Oma sagen dazu nichts. „Wir reden nicht über anderer Leute ihrer Sach’!“

Die Sache von der Enkelin ist Thomas P. nicht mehr. Sie muss ihre Dummheit eingesehen haben. Vor zwei Jahren wurde die Ehe geschieden. Und die junge Frau ist weggezogen, mit einem kleinen Sohn.

Nein, sagen der junge Schwager und die Oma: „Das hätten wir uns einfach nicht vorstellen können, dass der so etwas tut.“ Und das gleiche sagen die Männer im Wirtshaus, wo er „ab und zu schon mal ein paar Halbe getrunken“ hat. Und es ist „auch vorgekommen, dass Thomas P. mal eine Halbe zu viel hatte“. „Aber er hat immer sein Bier sofort bezahlt“, sagt der Wirt: „…und ausgerastet ist er eigentlich nie.“

Die Polizei schweigt

Wie konnte dieser Mann eine junge Frau so sadistisch ums Leben bringen? Die Leute in Zandt wissen keine Antwort. Und die Polizei in Pilsen und Regensburg sagt nichts. Nichts über ein mögliches Motiv, das Thomas P. vielleicht bei der Vernehmung gesagt haben könnte. Nichts, wie es zu der Eskalation der Gewalt kommen konnte. Nichts über mögliche Vorstrafen. Nur so viel: Es geht um Mord. Thomas P. könnte bald länger weg sein: zehn bis 18 Jahre.

Und dann?