Kultur
So kommt die Party ins Theater

Der junge Jan Philipp Gloger setzt als neuer Schauspieldirektor in Nürnberg auf mehr Austausch, mehr Spaß und mehr Vielfalt.

27.09.2018 | Stand 16.09.2023, 5:55 Uhr

Gekommen um zu bleiben: Jan Philipp Gloger. Foto: Pelke

Ein wenig umgeräumt hat Jan Philipp Gloger nach seiner Ankunft schon. Statt der alten Schwarz-Weiß-Bilder hat der neue Schauspielchef knallbunte Fotos von seinem Ensemble im Foyer aufhängen lassen. „Wir haben einfach eine große Party mit allen Leuten gefeiert und Schnappschüsse vom Ensemble gemacht.“ Gloger muss man mit der Lupe auf den Partybildern suchen. „Hier sieht man mein Ohr“, sagt Gloger und lacht. Auf Werbeplakaten will Gloger sein verschmitztes Gesicht nicht sehen. „Das Gesicht des Theaters ist das Ensemble“, findet der neue Schauspieldirektor.

Im dritten Stock wird noch gewerkelt. „Hier entsteht gerade eine neue Theaterkneipe, die am Wochenende immer geöffnet haben soll“, sagt Gloger und winkt einer Bühnenbildnern zu. Das imposante Haus, das Gloger „die Theater-Maschine“ nennt, will er in einen Ort der Begegnung verwandeln. „Party ist mir wirklich wichtig. Denn Theater funktioniert nur, wenn man wirklich neugierig auf sein Publikum ist“, sagt Gloger und erklärt, dass ihm als Theaternomade zuletzt die Nachhaltigkeit gefehlt habe. „Ich will doch schauen, welche Spuren die Inszenierungen hinterlassen.“ Auch deshalb habe er sich dafür entschieden, nach Nürnberg zu kommen und das Pendeln zwischen den Bühnenmetropolen von einer zur nächsten Premiere aufzugeben.

Ideen anstatt Ballast

Ein bisschen wie nach einem Umzug in eine neue Wohnung sieht es im Schauspielhaus schon noch aus. Gerade erst hat der 1981 in Hagen geborene Regisseur das Theater vom Klaus Kusenberg übernommen. Schwere Umzugskisten sucht man allerdings vergeblich. Statt Ballast scheint Gloger nur frische Ideen nach Nürnberg mitgebracht zu haben. Das Ankommen dürfte dadurch umso schneller gehen.

Bunte Truppe und große Namen

„Theater muss ein Erlebnis sein“, findet Gloger. Ein weites Spektrum der Theatersprachen will Gloger präsentieren. Junge Wilde und alte Meister sollen gezeigt werden. Traditionelles und progressives Theater sollen unter Gloger die gleiche Rolle spielen. Antike Klassiker wie Euripides stehen genauso auf dem neuen Spielplan wie moderne Meister. Das Haus will Gloger obendrein internationaler machen. Bestes Beispiel ist das bunte Ensemble. Ein Viertel der neuen Schauspieltruppe ist mit einer zweiten oder anderen Muttersprache aufgewachsen. „Wir haben darauf geachtet, dass Schauspieler aus verschiedenen kulturellen Kontexten bei uns auf der Bühne stehen.“ Überhaupt scheint Gloger voll auf Qualität zu setzen.

Prag und Stuttgart

Dieses Konzept zeigt sich in der Auswahl der Gastregisseure. Gloger ist es gelungen, den großen Dieter Dorn in seiner ersten Spielzeit für eine Neuinszenierung nach Nürnberg zu locken. Im März wird Armin Petras für eine Koproduktion mit den Bühnen in Prag und Stuttgart erwartet. Zusätzlich hat sich Gloger die Dienste von Philipp Löhle gesichert. Der neue Hausautor wird Stücke am Puls der Zeit liefern. Bereits im November wird seine Globalisierungskomödie „Das Ding“ in Nürnberg gezeigt, die sich mit den Auswirkungen des eigenen Handelns in einer vernetzten Welt beschäftigt. An diesem Wochenende startet Gloger mit seinem „Haus der Künstler“ in die neue Spielzeit.

Die Realität wird untersucht

In seiner Eröffnungsinszenierung unter dem Titel „Ein Stein fing Feuer“ wird sich Gloger mit dem Meister des Absurden, Eugène Ionesco, auseinandersetzen. Darin sollen die schreiend komischen Kämpfe um den Anspruch auf Macht, Wissen und Wahrheit auf die Bühne gebracht werden. „Ionesco will nicht einfach nur absurd sein. Er untersucht die Realität auf ihre Absurdität. Ich finde schon, dass wir in einer Welt leben, in der die Absurdität zunimmt.“ Anne Lenk, die zuletzt regelmäßig in Hamburg, München und Berlin inszeniert hat und die Gloger als neue Hausregisseurin nach Nürnberg geholt hat, will in ihrer Inszenierung von Anton Tschechows „Die Möwe“ die Glückssuche zwischen liebevoller Lächerlichkeit und misslingender Menschlichkeit thematisieren. Viel aktueller geht Theater wohl kaum.

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