„Steidlewirt“: Der Evergreen vom Ölberg

Menschen Verliebte machen das: Lisa Weindl und Wolfgang Petzold wollten 24 Stunden täglich zusammen sein und wurden Wirte.

21.01.2011 | Stand 16.09.2023, 21:09 Uhr
Helmut Wanner

Regensburg. Als sich der Berufssoldat Wolfgang Petzold und Diplompädagogin Lisa Weindl beim Superspaß-Festival 1989 in Tremmelhausen ineinander verliebten, hätten sie es sich nicht träumen lassen, dass sie 15 Monate später gemeinsam ein Wirtshaus aufmachen würden, den Steidlewirt am Ölberg 13. Sieben Jahre später haben sie ihn sogar gekauft. Eine der ersten Aktionen war, dass sie in der Gasse zwischen Schloss und Dreieinigkeitskirche ein immergrünes Zeichen setzten. Sie pflanzten direkt unter der Aushangvitrine einen Efeu.

Verliebte sind „total manoli“

Der Efeu wächst wie wild. Bis zur Dachrinne ist er geklettert, umkränzt das Wirtshausschild mit dem musikalischen „S“, umspielt den Aushang mit den Tagesgerichten und dient als Deko-Element auf den Tischen. Lisa Weindl und Wolfgang Petzold haben mit dem Immergrün, der Pflanze des Weingotts, das Haus zu dem ihren gemacht. Es ist ein grübiges Lokal, das lebt. Und das spüren junge Leute, auch wenn sie keine Dionysos-Verehrer sind und eher wegen des kultigen Lindner-Biers kommen, das Petzold alle 14 Tage mit seinem alten Wohnmobil aus Kötzting holt.

Verliebte sind „total manoli“. Nur Verrückte wagen das, was Lisa und Wolfgang vor 20 Jahren angefangen haben, ohne Geld ein nach Pächterwechseln auf Null abgesacktes Wirtshaus mit sechs Tischen zu übernehmen, abseits am Ölberg. Alles haben sie abgeschüttelt: Die Sicherheit der Schule der Nation und der Institute der Erwachsenenbildung. „Wir sind seit 20 Jahren 24 Stunden täglich zusammen, sogar im Urlaub. Was wir uns erträumt haben, das haben wir gefunden“, sagt Wolfgang Petzold. Selbst im Camping-Urlaub dichten sie Sprüche auf Halde fürs „Werbe“-Radl am Alumneum-Eck. Kürzlich stand drauf: „Die Donau ist wieder im Flussbett, erleichtert genieß ich mein Kotelett.“ Wo Liebe fließt, da ist auch Poesie.

Vier Treppenstufen ins Glück

Die Diplompädagogin aus Lederdorn bei Kötzting und der Zeitsoldat aus der Deggendorfer Straße im Hohen Kreuz hatten schon ein Leben hinter sich, als sie sich im Hofbräuhaus kennenlernten, wo Lisa als Studentin und Mutter eines ledigen Kindes unter den Schafbauers bediente. Im „HB“ hatte auch Ferdinand Steidle, das 1908 geborene Wirts-Original, seinen Stammtisch. Er bot der Lisa den Steidle-Wirt an, das alte Hafnerhaus, das sich der ehemalige Gravenreuther-Wirt kaufte, um im Alter kürzerzutreten.

Der Steidle hat eine Besonderheit, das ist die Treppe mit vier Stufen. Ursprünglich betrat man die Hafnerwerkstatt ebenerdig. Ferdinand Steidle musste 1959 eineinhalb Meter tiefer graben, um die für ein Wirtshaus notwendige Deckenhöhe zu erreichen. Jeder Gast hat seitdem nach seinem Eintritt einen besonderen Auftritt. Das lieben die Sänger von Madrigal- bis Kammerchor und auch die Musiker. Wolfgang Petzold ist selbst einer. Mit den „Hedgehogs“ gewannen Lekai und er in Regensburg die „goldene Gitarre“.

Dennoch musste das auserwählte Wirts-Paar erst vier Mal hinschauen, ehe es sich in das Lokal verliebte. Ferdinand Steidle selbst hatte sie vor seinem „Steidle“ gewarnt. Er hatte ihnen empfohlen, aus Hygienegründen nur Flaschenbier zu bestellen. Lisa Weindl erinnert sich ans „Herzilein“, das ein Möbelpacker permanent in der Musikbox drückte. Von fünf Lampen brannten nur zwei, auf den Tischen lagen keine Decken, die Pächterin war ihr bester Gast. Aber das Flair war auch von ihr nicht totzukriegen. Bei jedem Besuch haben sich die neuen Wirtsleute mehr in den „Steidle“ verliebt.

Es war volles Risiko. Im Nachhinein hat sich der verrückte Wagemut gelohnt. Sie hatten beide keinen Knopf Geld, also bekamen sie auch keinen Kredit bei der Bank, positiv formuliert: Sie hatten keine Schulden. Jede Mark, die sie verdienten, gehörte künftig ihnen. Und das Wirtshaus lebte auf – denn von Lisa Weindl und Wolfgang Petzold ging Liebe aus.

Wenn Lisa Weindl auch unter vielen Tränen ihr erstes Tellerfleisch kochte, haben die beiden den „Steidle“ nie bereut. Ferdinand Steidle (geb. 1908) hatte ihm 1959 seinen persönlichen Touch gegeben und sich die richtigen Nachfolger ausgewählt. Nun hält sich der Name schon 50 Jahre in der schnelllebigen Gastro-Szene Regensburgs. „Die Leute spüren, hier steht eine Familie hinter jedem Detail“, sagt Lisa Weindl. Wer den Koch kennt, braucht vorm Essen nicht zu beten¨…