Prozess
Uwe Kass, der Gentleman-Betrüger

Vor Gericht wirbt der einstige OB-Kandidat von Schwandorf um die Stimmen des Gerichts. Ausgezählt wird am Freitag.

13.03.2012 | Stand 16.09.2023, 21:04 Uhr
Wolfgang Ziegler

Regensburg/Schwandorf.Er ist ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle: Uwe Kass (46) – ehemaliger Steuerberater, CSU-Politiker und Oberbürgermeister-Kandidat in Schwandorf, dann Millionenbetrüger, gestern Angeklagter. Sein Absturz ist ihm nicht anzusehen. Vor den Schranken der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Regensburg erscheint er, als würde er sich noch immer für ein hohes politisches Amt bewerben: dunkelblauer Anzug, weißes Hemd, passende Krawatte, Einstecktuch, schwarze Lloyds. Nur die Handschellen stören.

Dabei will Uwe Kass gar nicht fliehen, ist vielmehr froh, dass seine dreijährige Flucht im vergangenen Jahr mit seiner Verhaftung in Düsseldorf zu Ende ging. „Nur noch heute und morgen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung, „dann ist es endlich vorbei.“ Mit „morgen“ meint er seine Medienpräsenz am heutigen Mittwoch. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Seine Geschichte, die des Millionenbetrügers, wird noch einmal die Gazetten füllen. Das Urteil fällt erst am Freitag. Erst dann kann er die zu erwartende Freiheitsstrafe von vier bis fünf Jahren verbüßen und danach noch einmal von vorne anfangen. „Nicht in Schwandorf oder Regensburg, irgendwo. Es geht immer weiter“, sagt er – und will sich mit diesem Satz wohl selbst Mut machen. Dennoch: Er sieht müde aus. Die Zeit im Irak, die ihn nach eigenen Worten viele Haare gekostet hat, das Versteckspiel in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt, immer in der Angst, entdeckt zu werden, und jetzt die neunmonatige Untersuchungshaft – alles hat seine Spuren hinterlassen.

Die Verteidigung punktet doppelt

Die Kraft, um für sich zu kämpfen, hat er allerdings noch. Diesmal geht es nicht um irgendeinen Parteiposten und nicht um ein einträgliches politisches Mandat. Diesmal geht es um viel mehr. Uwe Kass benutzt trotzdem die gleichen Mittel. Er lächelt freundlich ins Publikum, grüßt alte Bekannte, erklärt dem Gericht eloquent in wohlwollendem Ton die Zusammenhänge seiner auf den ersten Blick unzusammenhängenden Finanztransaktionen als ginge es darum, die Sympathien und letztlich die Stimmen der Strafkammer zu gewinnen.

Regensburg/Schwandorf.Und tatsächlich macht er bzw. machen seine Verteidiger, die bekannten Regensburger Rechtsanwälte Michael Haizmann und Jörg Meyer, den ersten Punkt. Noch ehe die Anklageschrift verlesen wird, stellt das Gericht auf ihren Antrag hin fest, dass der Oberpfälzer Geschäftsmann, den Kass um drei Millionen Euro geprellt haben soll, kein Recht auf Nebenklage hat. Für den Prozess hat diese Entscheidung zwar keine gravierenden Auswirkungen, dem Angeklagten bleibt dadurch aber erspart, die Anwälte des Unternehmers bezahlen zu müssen. Geld hat er ohnehin nicht, nur Schulden – aktuell rund fünf Millionen Euro. Haizmann und Meyer punkten noch einmal, als die Vorsitzende Richterin Elke Escher einen umstrittenen, aber nicht unwichtigen Vorwurf einstellt und damit Untreue und Bankrott vom Tisch sind. Jetzt geht es in dem Verfahren nur noch um Betrug, versuchten Betrug und Urkundenfälschung – worauf allerdings immer noch bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug stehen, in schweren Fällen sogar bis zu zehn. Uwe Kass scheint daran nicht zu denken, als er dem Gericht die diversen Finanztransaktionen auseinanderklamüsert. Höflich und beredsam berichtet er von seinen, aus dem Kauf einer Kanzlei in München resultierenden Verbindlichkeiten, von seinen Kontakten zu einem großen deutschen Stromversorger, von seinen Griechenland-Geschäften, bei denen es um zwei Milliarden Euro gegangen sei. Und er erzählt von den „Strohhalmen“, die ihm die Regensburger Filiale der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich und ein Investor aus dem Landkreis Schwandorf gereicht hätten und mit denen er versucht habe, sein finanzielles Schlamassel zu beenden – mit mäßigem Erfolg.

Dubiose Rolle eines Bankers

Wenngleich Uwe Kass nicht auf der Mitleidswelle reitet, so berührt seine Geschichte doch – weil er ein Talent ist, das seine komplette bürgerliche Existenz verloren hat und in Schwandorf zum Geächteten wurde. Seine Verteidiger wollen es dabei nicht bewenden lassen. Sie sehen in ihrem Mandanten nicht den allein Schuldigen, weil ihm die Millionen förmlich nachgeworfen worden seien. Der Filial-Direktor der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich habe das Geschäft mit dem Oberpfälzer Unternehmer nicht nur eingefädelt, sondern Uwe Kass auch noch gedeckt, als er von dessen Betrügereien längst Kenntnis erlangt hatte.

Selbst kann sich der Banker zu diesen massiven Vorwürfen nicht äußern. Obwohl als Zeuge geladen, will ihn das Gericht gar nicht hören. So bleibt auch offen, ob er für den Millionendeal eine Provision kassiert hat und deshalb schwieg. Oder ob er es sich nur mit dem vermeintlichen künftigen Oberbürgermeister von Schwandorf nicht verderben wollte.