Essen
Vom Jubiläum einer scharfen Wurst

Die Currywurst wird 67 Jahre alt. Am Regensburger Imbissstand bei Björn ist sie blutjung, aber auf Wunsch höllisch scharf.

04.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:37 Uhr
Kerstin Hafner
Die Currywurst ist eine echte Erfolgsgeschichte. In Regensburg gibt es sie auf Wunsch als „Endstation“ mit der Schärfe 4 Millionen Scoville. −Foto: Fotolia

Am 4. September 1949 soll die Berliner Imbissbuden-Besitzerin Herta Heuwer die Currywurst erfunden haben. Deswegen feiert Deutschland den „Tag der Currywurst“. Björn Steidl (35) lacht ungläubig: „Echt? Hab ich noch nie davon gehört.“ Dabei sitzt der Mann an der Quelle, verdient gemeinsam mit Ehefrau Elke seine Kohle mit der scharfen Wurst.

Seit gut drei Jahren ist Regensburg um eine Imbissbude reicher, bei der es nicht nur Schnitzel und Knackersemmeln gibt, sondern auch fünf verschiedene Currywurst-Sorten mit Saucen in acht Schärfegraden. Die Skala reicht von „Himmlisch“ über „Blitzschlag“, „Drachenfeuer“ und „Todeshauch“ bis zum „Inferno“. Stufe 8 haben die beiden Imbiss-Besitzer ganz wahrheitsgemäß „Endstation“ getauft, eine Warnung gibt’s bei der Bestellung gratis dazu: „Ich frag die Leute immer dreimal, ob sie sich wirklich sicher sind“, beteuert Elke Steidl (28) und zwinkert: „Meist sind’s jüngere Männer, die sich gegenseitig übertrumpfen wollen.“

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20 Mal schärfer als Pfefferspray

Auf der Chili-Schärfetabelle erreicht dieses Gericht 4 Millionen Scoville – das ist 20-mal schärfer als handelsübliches Pfefferspray und 800-mal schärfer als Tabasco oder Jalapeños. Da erlebt man hinterm Tresen so einiges, wenn sich die Kunden überschätzen.

„Vor zwei Jahren hatten wir hier mal ein Schärfe-Wettessen mit Sanitätern und allen Sicherheitsvorkehrungen. Dabei ist ein Teilnehmer tatsächlich ohnmächtig geworden, also Vorsicht!“ rät Elke Steidl. Aber wenn Kunden sich in den Kopf gesetzt haben, ihre eigenen Grenzen austesten zu wollen, verhallt ihre Mahnung ungehört. „Ein Mann hat sogar mal seinen nagelneuen BMW verwettet, dass er die schärfste Currywurst schafft. Nach der Hälfte ist er plötzlich kalkweiß geworden und musste sich setzen. Ich habe ihm geraten, aufzuhören. Doch sein Freund meinte nur „Wettschulden sind Ehrenschulden“.

Der BMW-Besitzer hat die Wurst dann fertiggegessen und danach ungefähr drei Liter Milch getrunken.“ Die junge Frau mit den langen Zöpfen lacht kopfschüttelnd. Schärfe lindernde Milch hat sie immer im Kühlschrank – als „Gegengift“.

Steidls Imbiss steht fix auf dem Parkplatz vor dem Media Markt in der Bajuwarenstraße. Angestellte aus dem Gewerbegebiet ringsum kommen regelmäßig zum Mittagessen. Neben Currywurst bietet die Bude auch wechselnde Tagesgerichte, hausgemachten Kartoffelsalat und gemischte Salate auf Vorbestellung.

Da lechzt die Magenschleimhaut

„Ich bin beruflich viel mit dem Auto unterwegs und komme praktisch jede Mittagspause hierher“, sagt Wahab Faizi, „Hier ist alles frisch und qualitativ hochwertig.“ Und was isst der Stammgast am liebsten? „Für mich muss eine Currywurst aus Rindfleisch sein – mit Todeshauch.“ Spricht’s und tupft sich mit der Serviette den Schweiß von der Stirn. Bei 26 Grad im Schatten reicht eben auch die hauseigene Schärfestufe 5, um das Blut in Wallung zu bringen.

„70 Prozent der Gäste essen Currywurst von der milden Stufe 1 bis zur heißen Stufe 5“, berichtet Björn Steidl, der die Chilis daheim in Köfering züchtet. Wahab Faizi kommt gelegentlich zum Testessen vorbei. „Letztens haben wir Habanero Black frisch vom Strauch geschnitten und pur mit Streichkäse probiert“, erzählt Steidl. „Das hat uns beiden eine saftige Magenschleimhautentzündung beschert.“Faizi lacht: „Ich kenne niemand, der soviel Leidenschaft in seine Arbeit steckt wie Björn!“

Das Fleisch kommt von einem regionalen Metzger mit eigener Schlachtung. Das weiß auch Stammkunde Bastian Fischer zu schätzen. „Ich komme dreimal die Woche hierher, wenn ich beruflich in Regensburg zu tun habe. Zuhause in Bad Abbach krieg ich zwar auch ’ne Currywurst, aber hier schmeckts einfach viel besser.“

Das Geheimnis: Bei Steidls liegt die Wurst nicht endlos auf dem Grill und wartet auf Kundschaft, bis sie labbrig ist. „Wir werfen die Würste drei Minuten in die Fritteuse, dann sind sie schön kross, wenn sie serviert werden.“ Zu Stoßzeiten kann das für längere Schlangen vor der Imbissbude sorgen. „Du weißt nie, wann die Leute kommen, mal ist es halb 12, mal halb 2 ... dann rotieren wir, aber trotzdem muss alles passen, lieber dauerts halt zwei, drei Minütchen länger. Dafür kommt alles frisch auf den Tisch.“

Geöffnet haben die Steidls Sommer wie Winter. Die Gäste lieben ihre Currywurst zu jeder Jahreszeit. Philipp Pruy, Rechtsanwalt mit Büro in der Innenstadt, ist voll des Lobes: „Früher, wenn die Kommissare im Tatort am Feierabend an einer Bude standen, hab ich mir oft gedacht: Genau das hätte ich auch gern in Regensburg. Seit drei Jahren gibt es das nun.“ Er grinst: „Einmal sündigen als Belohnung für die erledigte Arbeitswoche.“ Fazit: Currywurst macht glücklich.