Gedenken
Vor 15 Jahren brach die Sintflut herein

Am 24. Mai 1999 brach der Deich. Hochwasser überschwemmte weite Teile Neustadts. 2000 Menschen wurden Opfer der Flut, es entstand Millionenschaden.

23.05.2014 | Stand 16.09.2023, 7:13 Uhr

Land unter: Das Wasser war bis an die Neustädter Altstadt und nach Mauern gedrungen. Das Anton-Treffer-Stadion, der Volksfestplatz und das Schwaigfeld sind überschwemmt. Fotos: Archiv

Seit dem 24. Mai 1999 ist in Neustadt nichts mehr so, wie es mal war. In der Nacht zum Pfingstmontag 1999, als die Neustädter ihr traditionsreiches Volksfest feierte, kam es nämlich zur Katastrophe. Die Donau schwappte in den Morgenstunden nahe dem Pumpwerk Bad Gögging über die Deichkrone. Die Fluten rissen ein Loch in den Deich, das sich ständig vergrößerte. Mit einem Mal regierte in Neustadt der Notstand. In der Donaustraße, der Alten Donaustraße, der Bad Gögginger Straße, am Alten Turnplatz, am Westhang und im Schwaigfeld, außerdem in Wöhr, Bad Gögging, Sittling, Eining, Irnsing und Hienheim standen Keller und untere Geschosse von Gebäuden unter Wasser. 1500 Bürger waren vom Hochwasser betroffen. 600 Angehörige von Rettungsorganisation und Bundeswehr waren im Einsatz, um zu helfen. Hubschrauber kreisten über der Stadt.

Dass es so schlimm kommen würde, hatte niemand erwartet. Der Deich wird schon halten, hatten viele Menschen gehofft und geglaubt. Jetzt war ihr Besitz über Nacht ein Raub der Fluten geworden.

Erwin Huber, damals 64 Jahre alt, erinnert sich: „Das Wasser stand in der Küche im Erdgeschoss einen Meter hoch. Die Haustür, die aus Holz gebaut war, ging nicht mehr auf.“ Das Holz war aufgequollen. „Am schlimmsten“, sagt Huber, „war aber das Öl.“ In das Wasser der Donau hatte sich Heizöl gemischt. Überall stank es. Das Ölwassergemisch setzte sich nicht nur in den Möbeln, sondern auch im Mauerwerk und Estrich ab. Nach dem Hochwasser mussten die Hubers – wie viele andere Familien auch – nicht nur ihr Haus von dem unbrauchbar gewordenen Hausrat entrümpeln. Sie mussten ihr Haus komplett sanieren. Der Putz wurde von den Wänden geschlagen, der Estrich entfernt, das Gebäude trockengelegt. Elf Monate konnten die Hubers ihr eigenes Haus nicht benutzen, ehe alles wieder hergerichtet war. Solange wohnten sie zur Miete.

Der Schmerz sitzt tief

Auch Rudi Brenner gehörte zu den Betroffenen. Er vertraute einst der Mittelbayerischen Zeitung an: „So habe ich mir immer die Sintflut vorgestellt. Man wird nie ganz darüber hinweg kommen.“ Er habe sich deshalb zum Beispiel die Bilder des Oder-Hochwassers nicht im Fernsehen anschauen können: „Da habe ich abgeschaltet, das konnte ich nicht ertragen.“

Bernhard Rieger, Neustadts 3. Bürgermeister und Hochwasserexperte der Stadt, sagt: „Das Pfingsthochwasser 1999 richtete in Neustadt und den Ortsteilen in 800 Haushalten mit insgesamt 2000 Personen einen Gesamtschaden in Höhe von 100 Millionen Euro an. Die Schäden der Bürger betrugen 98,54 Millionen Euro, die der Stadt 1,46 Millionen Euro.“ Rieger vergleicht die Flutkatastrophe in Anbetracht der Schadenshöhe auch mit einem anderen Schadensereignis des 20. Jahrhunderts in Neustadt. „Die jüngere Chronik der Stadt Neustadt verzeichnet zwei Schadensereignisse, die die Bürger und die Stadt geprägt und verändert haben. Im April 1945 war es die fast vollständige Zerstörung der Altstadt bei den Kriegsereignissen während der Donau-Überquerung der US-Truppen und im Mai 1999 war es die Hochwasserkatastrophe nach dem Dammbruch an der Donau.“

Inzwischen wurden viele Millionen Euro in den Schutz vor Hochwassern investiert. Deiche wurden erhöht und mit Spundwänden versehen. Neue Polder wurden angelegt, Schutztore gebaut. Leben die Neustädter deshalb sicherer? „Ich persönlich denke, ja, wenn man sieht, was hier alles umgesetzt wurde an technischen Hochwasserschutzeinrichtungen, Deicherhöhungen, Hinterwegen und Neubauten wie der Polder in Irnsing, Hienheim aber auch Neustadt“, sagt Edi Kammerer, der 1999 selbst Hochwasseropfer war und später einer ihrer Sprecher wurde. Außerdem verweist Kammerer auf die Veränderungen bei der Bewirtschaftung der Stauwehre und wie die Behörden und Feuerwehren heutzutage bei Hochwassern zusammenarbeiten.

Reicht das? Ist das genug, um künftige Fluten zu meistern oder fehlt noch was? „Die Hochwasser werden immer höher und unvorhersehbarer“, stellt Edi Kammerer fest. „Das Wasser kommt schneller und das von verschiedensten Seiten.“ War es im einen Jahr die Donau, ist es im nächsten Jahr vielleicht die Abens. Sie hatte 2013 ihr Flussbett verlassen und Neustadt „von hinten her“ bedrohte.

Weitere Maßnahmen

Kammerer ist überzeugt, dass noch etliches getan werden kann, um die Sicherheit der Bürger zu erhöhen. So fordert er u.a. Online-Pegelstände, die automatisiert Alarm an die zuständigen Behörden geben können, die aber auch der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden, Pumphäuser, die bedarfsgerecht auf die jeweilige Hochwassersituation größtenteils autark reagieren und ihre Pumpleistung selbstständig anpassen, und regionale wie überregionale Hochwasserschutzübungen. Ferner kritisiert Kammerer, „dass die Staatsregierung noch keine durchgängige Lösung für die Flutpolder entlang der Donau erarbeitet hat, viel zu wenig für Retentionsräume gemacht und viel zu wenig in den Rückbau der Gewässerläufe investiert hat.“

Auch Neustadts 3. Bürgermeister Bernhard Rieger geht davon aus, dass der Hochwasserschutz weiter verbessert werden muss. Zwar sei in den 15 Jahren seit der Katastrophe viel erreicht worden – „die Donaudeiche sind stabil, die Ortsteile Irnsing und Hienheim bei einem 100-jährigen Hochwasserereignis gesichert“ – aber es gebe Schwachstellen. „In Eining sind leider die tiefer liegenden Gebäude bei einem HW 100 nicht zu schützen. Ebenfalls ist bei einem Zusammentreffen von Hochwasserwellen an Donau und Abens gleichzeitig ein Rückstau bis zum Ortsteil Mauern zu befürchten“, sagt Rieger. Für diesen Bereich laufen derzeit Untersuchungen für eine Verbesserung bei einem Rückstau, wie er im Juni 2013 entstanden war. Und in Bad Gögging sei man auf einem guten Wege für einen wirksamen Schutz mit einer Mauer. „Eine Lösung wird es hier auch für die Ausgestaltung geben.“

Flussmanagement verbessert

Mit den Leistungen der Staatsregierung ist Neustadts 3. Bürgermeister nicht unzufrieden. „Die Bewirtschaftung des Forggensees, das Illerspeicherbecken und einige weitere Polder und Rückhalteflächen, die im Rahmen des bayerischen Hochwasserschutz-Aktionsprogrammes 2020 umgesetzt worden sind, zeigen Wirkung bis zur Weltenburger Donauenge“, lobt er. Das sei jetzt bei drei Hochwasserereignissen 2002, 2005 und 2013 zu beobachten gewesen. Die Hochwasservorhersagen und die Informationsquellen im Internet seien wesentlich besser geworden. Die Feuerwehren und die Hilfsorganisationen können sich deshalb besser auf die zu erwartenden Ereignisse einstellen. Die Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Wasserwirtschaftsamt sei „sehr kooperativ“.

„Abschließend“, betont Rieger, „muss festgestellt werden, dass die Sprichworte ’Jedes Hochwasser ist anders‘ und ’Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser‘ immer wieder zutreffen. Wir haben uns eine Menge Wissen angehäuft, wir haben neue Dämme errichtet und die Feuerwehren mit besserem Gerät ausgerüstet, wir lernen aber mit jedem Hochwasserereignis – wo auch immer – stets dazu.“

Regelmäßiges Gedenken

Das Pfingsthochwasser 1999 hat zu einem regelmäßigen Gedenken geführt. Jedes Jahr findet zum Jahrestag des verheerenden Ereignisses ein Gedenkgottesdienst in Neustadt statt. An diesem Samstag, am dem sich der Dammbruch zum 15. Mal jährt, wird der Jahrestag in Neustadt iauf eine besondere Weise begangen.

Zur ökumenischen Gedenkfeier werden, so Stadtpfarrer Monsignore Johannes Hofmann, der evangelische Regionalbischof Hans-Martin Weiß und Domdekan Prälat Anton Wilhelm aus Regensburg erwartet. „Wir beginnen die abendliche Gedenkfeier um 19.30 Uhr an der Eichreiskapelle“, sagt Monsignore Hofmann. „Betend ziehen wir zum Hochwassergedenkstein. Dort findet die Andacht statt.“ Zur Prozession und zur Andacht sind alle kirchlichen und weltlichen Vereine und Verbände mit ihren Fahnen und Bannern und alle Bürgerinnen und Bürger der Großgemeinde eingeladen.