Bildung
Zehn Jahre Wirtschaftsschule

07.05.2020 | Stand 16.09.2023, 4:56 Uhr
Josef Wittmann

Landrat Willibald Gailler, der selbst als Referendar an einer Wirtschaftsschule unterrichtete, sichtete gemeinsam mit Sandra Bauer, Nicole Gebauer und Albert Hierl (v.l.) die Festschrift der Schule. Foto: WITTMANN

Ivana Marcinkovic und Laura Gehrlein sind ein wenig traurig. Sie besuchen die Abschlussklasse der Staatlichen Wirtschaftsschule in Neumarkt und freuen sich schon lange auf den Abschluss mit Ball und Fahrt ins Ausland nach den Prüfungen im Juli. Beides wird wegen Corona jedoch nicht stattfinden. Langfristig haben aber die 85 Neumarkter Wirtschaftsschüler, von denen 24 heuer ihre Abschlussprüfungen ablegen, sehr gute Aussichten.

Schulleiter Albert Hierl hatte zum 10-jährigen Jubiläum seiner Wirtschaftsschule ein großes Fest vorbereitet. Sogar die Festschrift ist schon fertig. „Wenn aus Ideen Erfolge werden“ steht darauf, und auf 16 Seiten präsentiert die Schulfamilie stolz ihre Erfolge seit der Gründung im Jahr 2010.

Sandra Bauer leitet die Wirtschaftsschule. Sie und ihre Kollegin Nicole Gebauer sind „seit der Stunde Null“ dabei. Bauer sagt: „Als wir 2010 mit der ersten Klasse und 24 Schülern starteten, konnte ich mir das alles noch gar nicht so recht vorstellen. Das war ja Neuland.“ Sie hätten auf einmal viel jüngere Schüler als sonst in der Berufsschule gehabt, was eine große Herausforderung gewesen sei. Mittlerweile startet die Wirtschaftsschule schon mit der siebten Klasse; im nächsten Jahr sogar schon mit der sechsten. „Wir sind eine sehr kleine Schule. Ich kenne jeden einzelnen Schüler und sie kommen zu uns, wenn sie Probleme haben“, erzählt die Schulleiterin weiter. Aus Schülersicht könne das manchmal auch ein Nachteil sein, denn die Pädagogen wüssten auch, auf wen sie besonders schauen sollten.

Übungsunternehmen zentral

An der Wirtschaftsschule erwerben die Schüler die Mittlere Reife. Der große Vorteil zu anderen Bildungswegen mit gleichem Abschluss: das Übungsunternehmen. Genau genommen gibt es davon inzwischen sogar zwei: Die Firma Teletra handelt mit Kaffeemaschinen, Mobiltelefonen und allem, was einen Stromstecker hat. Das ist kein Zufall, denn die Wirtschaftsschule verbindet auch eine enge strategische Kooperation mit der Neumarkter Firma Tevi. Und seit Kurzem arbeiten die Schüler mit Dinner Dreams in der Catering-Branche.

„In den Herbstferien hatte ich ein Praktikum im Einkauf bei der Firma Dehn. Da haben sich die Leute sehr gewundert, dass ich das alles schon kenne, weil wir in der Übungsfirma genau dasselbe machen“, erzählt Schülerin Ivana Marcinkovic. Ihre Mitschülerin Laura Gehrlein ergänzt: „Es macht wirklich Spaß hier. Die Lehrer erklären alles sehr gut.“

Der Unterricht sei sehr praxisorientiert, bestätigt auch Lehrerin Nicole Gebauer. „Jeder Schüler bekommt zum Beispiel Bestellungen zum Bearbeiten.“ Dabei würde die Lehrkraft erklären, was zu tun sei, vom Angebot schreiben bis hin zu Mahnungen, und so die Schüler bei der Arbeit begleiten. Die Wirtschaftsschulen sind über eine Zentrale in Memmingen, Kataloge und einen Online-Marktplatz verbunden.

Kompetenzen für den Beruf

Gebauer erklärt weiter: „Es wird untereinander ganz reell gehandelt. Das Einzige, was nicht wirklich fließt, sind Ware und Geld. Wir legen viel Wert auf Präsentieren und Teamarbeit. Unsere Schüler reifen zu selbstständigen Persönlichkeiten heran, wie sie bei den Ausbildern gewünscht sind.“

Vor der Gründung der Wirtschaftsschule mussten die Schüler nach Nürnberg oder Regensburg pendeln, erinnert sich Schulleiter Hierl. Er sagt auch: „Wir haben uns in den letzten zehn Jahren einen guten Ruf erworben.“ 2019 haben die Neumarkter sogar den bayerischen Wirtschaftsschulpreis errungen. „Die Betriebe nehmen unsere Absolventen gerne, weil sie wissen: Wenn jemand von der Wirtschaftsschule kommt, dann kann er das“, sagt Hierl. Drei von vier Absolventen finden einen Ausbildungsplatz. Der Rest strebt das Fachabitur an.