Industrie
175 Jahre Porzellan aus der Oberpfalz

Die erste Fabrik nahm 1838 in Tirschenreuth den Betrieb auf. Heute sind vom einst stolzen Industriezweig nur noch zwei Werke in der Stadt Weiden übrig.

10.05.2013 | Stand 16.09.2023, 21:04 Uhr
Fritz Wallner

1838 ging die Porzellanfabrik in Tirschenreuth als erste Manufaktur dieser Art in der Oberpfalz in Betrieb. Eine Ausstellung zeigt die Geschichte der Firma.

„Bei mir fließt statt Blut Porzellanerde in den Adern“, sagt Franz Göhl. Er ist begeisterter Porzelliner. 50 Jahre lang hat er sich mit der Herstellung und der Vermarktung des „weißen Goldes“ beschäftigt. Und auch im Ruhestand kann der ehemalige Marketing- und Vertriebschef der einstmals weltweit bekannten Porzellanfabrik Tirschenreuth nicht von der Materie lassen. 2002 sicherte er sich die Markenrechte an der Firma Tirschenreuth und zum Jubiläum 175 Jahre Porzellanherstellung in der Oberpfalz hat er im Museumsquartier der nordoberpfälzer Stadt eine mittlerweile viel beachtete Ausstellung zum Thema konzipiert und mit Liebe zum historischen Detail aufgebaut.

„Porcelain Erde“ wurde gefunden

Die Herstellung von Porzellan wurde im Kaiserreich China um das Jahr 620 erfunden, die einzelnen Grundstoffe und Verfahren wurden lange Zeit geheim gehalten. Erst im Oktober 1708 gelang es Johann Friedrich Böttger und Ehrenfried Walther von Tschirnhaus in Dresden und Meißen, das erste europäische Porzellan zu produzieren. Nach Tschirnhaus‘ Tod entwickelte Böttger das Verfahren in Meißen weiter. Am 28. März 1709 vermeldete er in Dresden die Erfindung des europäischen Porzellans. 1710 entstand in Meißen auf der Albrechtsburg die erste europäische Porzellanproduktionsstätte, die Weltgeltung erreichte.

Am 14. November 1830 erschien im Kreisintelligenzblatt der kgl. Regierung des Obermainkreises in Bayreuth eine Bekanntmachung des damaligen kgl. Landgerichtes in Tirschenreuth, dass in der Nähe des Pfarrdorfes Wondreb bei Tirschenreuth „Porcelain Erde“ aufgefunden worden sei. Daraufhin trat Heinrich Eichhorn aus Schney bei Lichtenfels, der die Bedeutung dieser Pegmatitvorkommen erkannte, in Verhandlungen mit der Stadt und dem Landgericht in Tirschenreuth wegen Errichtung einer Porzellanfabrik. Diese Verhandlungen erstreckten sich vom Jahre 1832 bis zum Jahre 1838.

Den Tirschenreuther Stadtvätern fehlte aber zunächst die nötige Weitsicht. Die Errichtung einer Porzellanfabrik sei „weder nützlich noch notwendig“, beschieden sie dem Unternehmer und sorgten sich auch um die Brennholzbestände, die in den Brennöfen verfeuert werden sollten. Erst 1838, nach hartnäckigen Widersprüchen, nahm die Fabrik die Betrieb auf. Die Produktionspalette umfasste zunächst Pfeifenköpfe, kleine Kaffeeschalen, sogenannte Türkenkoppchen, Becher und Einzelartikel. „Es war einfache Massenware, etwa Wasserkannen, Nachttöpfe, Wasserschalen, Tassen und Becher“, sagt Franz Göhl.

Erst ab 1843 wurden die einzelnen Stücke auch bemalt, zuvor war die Weißware in die Fabrik nach Schney zur Veredelung gebracht worden. Aber der Aufschwung blieb nicht aus. Bereits 1845 wurde ein neuer Brennofen geplant. Für das Jahr 1863 ist ein Jahresumsatz von 20.000 Gulden vermerkt, auch möglich geworden durch Exporte nach Österreich und die Schweiz. Nach mehreren Besitzerwechseln firmierte die Porzellanfabrik ab 1880 unter dem Name „Muther & Metzger“, nachdem zuvor August Bauscher aus der Firma ausgestiegen war und in Weiden eine eigene Porzellanfabrik aufgebaut hatte, die bald mit ihrer Spezialisierung auf Hotelporzellan Weltruhm erlangt hatte. In dieser Zeit entstanden eine Vielzahl neuer Porzellanfabriken. In Oberfranken und der Oberpfalz jeweils 8, in Thüringen sogar 20, schreibt Franz Göhl auf den Informationstafeln zur Ausstellung.

Für das Jahr 1910 sind in der Oberpfalz zahlreiche Porzellanfabriken mit über 4300 Arbeitern belegt. Dazu gehören die Bavaria AG, Tirschenreuth. Gegründet 1838, entwickelte sich die Porzellanfabrik Bavaria im 19. Jahrhundert zu einem großen Betrieb, in dem 1925 insgesamt 750 Beschäftigte zu finden waren. Die Porzellanfabrik Bareuther in Waldsassen, die 1866 gegründet wurde, hatte 1906 10 Porzellanöfen und 600 Beschäftigte.

Die Firma Gareis & Kühnl in Waldsassen, gegründet 1898 als Porzellanfabrik Fortuna, ging schon 1899 in Konkurs. Als Gareis, Kühnl & Cie. neu gegründet, hatte sie 1925 etwa 300 Beschäftigte. Noch heute besteht die Porzellanfabrik Gebr. Bauscher in Weiden. Sie wurde 1881 mit 70 Arbeitern gegründet und beschäftigte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1000 Arbeiter. Die ebenfalls noch existierende Porzellanfabrik Seltmann in Weiden, die 1911 mit 5 Öfen, Massemühle und Malerei gegründet wurde, zählte 1923 630 Arbeiter und Angestellte. Von der Bildfläche verschwunden sind die Firma Seltmann in Vohenstrauß, die Firma Ottmar Opfinger, die Porzellanfabrik Tirschenreuth, die auf kleinste Anfänge in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts zurückging und die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zeitweise mehr als 1000 Arbeiter und Angestellte beschäftigte sowie die Porzellanfabrik Mitterteich.

Ebenfalls nicht mehr existent sind die 1899 gegründete Firma Josef Rieber & Co. in Mitterteich, die Porzellanfabrik M. Zehendner, die 1923/24 an der Bahnstrecke Eger-Wiesau gegründet wurde, die Porzellanfabrik Plankenhammer bei Floss, die Porzellanfabrik Mandl, Krummenaab sowie die nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten Porzellanfabriken Waldershof, Bavaria Ullersricht, Haberländer Windischeschenbach und die Porzellanfabrik Erbendorf.

Anhaltender wirtschaftlicher Erfolg

Das Ende der Selbstständigkeit für die Porzellanfabrik Tirschenreuth kam im Jahr 1927, als sie mehrheitlich von der Lorenz Hutschenreuther AG in Selb übernommen wurde. Am gleichen Tag wurde dem Unternehmen auch die Porzellanfabrik Gebr. Bauscher in Weiden angegliedert. Dennoch arbeitet man in Tirschenreuth weitgehend autark und bringt, je nach Geschmack der Zeit, die unterschiedlichsten Formen auf dem Markt. Mit wirtschaftlichem Erfolg, der bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg anhält.

Durch Verwerfungen des Marktes kommt es ab den späten 1970er Jahren zu einer Krise in der deutschen Porzellanindustrie, ausgelöst durch gesellschaftliche Änderungen und Billigimporte aus anderen Ländern: Die steigenden Arbeitslöhne in Deutschland machen das Produkt teuer. Auch die klassischen Vertriebswege für Porzellan über den Fachhandel brechen weg.

Franz Göhl ist überzeugt, dass bei korrekter Berechnung der Umlagen die Porzellanfabrik Tirschenreuth bis zum Schluss ein positives Betriebsergebnis erwirtschaftet hätte. Doch das Konzern-Management setzte 1994 die Schließung der ersten Porzellanmanufaktur in der Oberpfalz durch. Die Familie Göhl besitzt heute die original Markenrechte – das Porzellan mit dem Tirschenreuth-Stempel wird aber in China gefertigt.

Die Ausstellung „Eine Zeitreise – 175 Jahre Porzellanfertigung Tirschenreuth“ von Franz Göhl ist im Museumsquartier Tirschenreuth bis zum 12. Mai zu sehen.