Adel
Die rauschenden Feste des Fürsten

Die großen Schlagzeilen Ostbayerns: Johannes von Thurn und Taxis wusste auch durch wilde Partys und prominente Gäste auf sich aufmerksam zu machen.

03.05.2013 | Stand 16.09.2023, 21:05 Uhr

Das erste gemeinsame Foto: MZ-Fotograf Dieter Nübler lichtete Fürst Johannes und Gräfin Gloria von Schönburg-Glauchau im Schloßgarten vor dem blühenden Flieder ab. Fotos: Dieter Nübler, dpa, ig

Die Nelke im Knopfloch war sein Markenzeichen. Fürst Johannes von Thurn und Taxis trug sie meist in weiß, manchmal auch in rot. Rot war sie auch an jenem Tag, an dem der MZ-Fotograf Dieter Nübler unter höchster Geheimhaltungsstufe ins Regensburger Schloss gerufen wurde. Was ihn dort erwartete, wusste der stadtbekannte Bildreporter nicht. Es war Frühjahr, der Flieder blühte. Und auch der Fürst hegte Frühlingsgefühle, wie Nübler wenig später erfuhr. In seinen Privatgemächern präsentierte der damals 53 Jahre alte Chef des Hauses Thurn und Taxis seine zukünftige Ehefrau Gräfin Gloria von Schönburg-Glauchau. „Das ist eine ernste Angelegenheit“, raunte der Fürst Nübler zu und erlaubte ihm, die ersten Verlobungsfotos zu schießen. Wenn Dieter Nübler diese Anekdoten heute erzählt, dann sieht man die Freude in seinem Gesicht. Das erste Foto von Fürst Johannes und Gloria bewahrt er bis heute auf. „Es ist eines meiner Lieblingsbilder.“

Als Fürst Johannes 1990 starb, trug Regensburg Trauer. Dabei hatte das elfte Oberhaupt der Familie, die durch die Postbeförderung zu großem Reichtum gelangt war, gar keinen besonderen Draht zu den Menschen in der Stadt. Man ließ den Fürsten unbehelligt, wenn er sich – was häufig vorkam – sechs Bratwürstl auf Kraut in der Historischen Wurstkuchl bestellte. Er hatte auch seine Ruhe, wenn er sich am Haidplatz einen Schoppen gönnte. Niemand wollte ein Autogramm oder gar ein Foto mit einem der reichsten Deutschen haben. Man hielt Abstand. Wenn Dieter Nübler auf den Fürsten traf, dann war das anders. Dann war Johannes von Thurn und Taxis auch gerne für eine Plauderei zu haben. Er fragte, was man sich in der Stadt so erzählte und gab auch so manches von sich selbst preis. „Über die Zeit baute sich so eine Art Vertrauensverhältnis auf“, sagt Nübler. Ein Glücksfall für einen Fotografen.

Johannes von Thurn und Taxis war nicht der geborene Erbprinz. Eigentlich hätte sein Cousin Gabriel das Familienunternehmen, zu dem eine Bank, eine Brauerei, eine Industriegruppe und jede Menge Waldbesitz gehörten, übernehmen sollen. Doch der fiel im Krieg bei Stalingrad. So ernannte Johannes Großvater Albert den damals 16-Jährigen zu seinem Alleinerben. Nach dem Abitur bereitete sich Johannes mit einer Banklehre auf seine zukünftigen Aufgaben vor. Es war die Zeit, als das Haus Thurn und Taxis noch ein florierendes Unternehmen war. Von 1971 an hatte Johannes von Thurn und Taxis die wirtschaftliche Leitung des Fürstenhauses inne.

Der Adelige galt als Genießer, er liebte das Jetset, umgab sich mit Persönlichkeiten wie den Rothschilds, Prinzessin Soraya, Gunter Sachs oder Ira von Fürstenberg. Auch der deutsche Geldadel ging im Fürstenhaus ein und aus, weiß Dieter Nübler. Johannes von Thurn und Taxis war für die einen der Partyprinz, für die anderen milliardenschwerer Unternehmer. Die Boulevardblätter mochten den Mann mit der Nelke im Knopfloch. Über jedes Detail und jede Frau an seiner Seite wurde spekuliert. Fürst Johannes galt in den 70er Jahren als eingefleischter Junggeselle, amourösen Abenteuern aber nicht abgeneigt.

Dann trat eine junge Gräfin in sein Leben. Gloria von Schönburg-Glauchau. „Im Café Reitschule“, so erzählt Fürstin Gloria im MZ-Interview, fand das erste nähere Kennenlernen statt. Die 20-Jährige war sofort fasziniert von dem über 30 Jahre älteren, lebenserfahrenen Mann. Und auch der Fürst knüpfte zarte Liebesbande. Am 31. Mai 1980 war Hochzeit. Mit dabei auch Dieter Nübler. „In der prächtigen, goldenen Kutsche fuhr die Braut vor“, erinnert er sich. „Sie in einem wunderbaren Kleid.“ Designer Valentino hatte es für die Fürstin geschneidert.

Bei der Hochzeit war Gloria bereits mit Tochter Maria Theresia schwanger. Sie wurde im November 1980 geboren. Ihre Schwester Elisabeth kam 1982, Erbprinz Albert 1983 auf die Welt. Und Gloria gelang etwas, das Fotograf Nübler bis heute imponiert: „Mit ihrer jungen Familie öffnete sie die Fenster des Schlosses ganz weit und sorgte dafür, dass der Mief vergangener Tage abziehen konnte.“

Regensburg wurde ein bisschen zur High-Society-Stadt. Im Schloss wurden rauschende Feste gefeiert. Das Publikum kam nun nicht mehr nur aus der Wirtschaft und Politik, sondern auch aus der Künstlerszene. Mick Jagger und Jerry Hall, Prince, James Brown, Andy Warhol. Gloria ließ sich wilde Punkfrisuren stylen und trug auffällige Designerkleider und Hüte.

Zum 60. Geburtstag von Johannes von Thurn und Taxis lud sie zu einer pompösen Rokokko-Party ein. Es war einer der wenigen offiziellen Anlässe, bei denen Dieter Nübler nicht im Schloss dabei war. „Der Fürst sagte mir persönlich, dass an diesem Abend nur ein Fotograf aus London geladen sei“, erzählt er im MZ-Gespräch. Dessen Bilder druckten Boulevard-Magazine auf der ganzen Welt. Gloria und ihr „Goldie“ mit gepuderten Perücken und edlen Kostümen. Auf dem Tisch eine riesige Geburtstagstorte, die die Form eines Penis hatte. Das Fürstenhaus sorgte für Gesprächsstoff.

Doch Johannes von Thurn und Taxis hatte ein krankes Herz. Seine Kräfte ließen nach und zudem hatte sein Familienunternehmen finanzielle Probleme. Die wilden Partys wurden seltener. Fürstin Gloria begann Betriebswirtschaft zu studieren und ließ sich von ihren Mann in die Unternehmensführung einweisen. Wenige Monate vor seinem Tod feuerte der Fürst das ganze Management, das den fürstlichen Betrieb in eine Stiftung hatte umwandeln wollen. Die Zeit, um das nicht mehr liquide Fürstenhaus zu retten, hatte er nicht mehr. Das übernahm später Fürstin Gloria – mit großem Erfolg.

Am 14. Dezember endete das Leben von Fürst Johannes. Er starb nach zwei Herztransplantationen innerhalb weniger Wochen. Herzchirurg Bruno Reichart erinnerte sich später in einem Interview mit der „Zeit“ an die öffentlichen Anschuldigungen, die auf ihn einprasselten. Fürst Johannes habe ihn vor der Operation auf seinem Schloss empfangen und ihm gesagt, dass es ihm ziemlich egal sei, ob er weiterlebe. „Er sagte: Aber für mich könnte es unangenehm werden, wenn er sterben müsste.“ Vor allem die Frage, ob Geld bei der bevorzugten Behandlung des Regensburger Adeligen eine Rolle gespielt habe, wurde Reichart unzählige Male gestellt. Doch er betonte stets: „Es kam eben ein zweites Herz, was gepasst hat, das war Zufall. Aber es hat nichts genützt. Die Schädigung der anderen Organe war zu weit fortgeschritten. Heutzutage würden wir ein Kunstherz einbauen und warten, was weiter passiert.“

In Regensburg wurde Trauerbeflaggung angeordnet. Der Leichnam von Johannes wurde in der Gruftkapelle aufgebaut. Rund 20.000 Regensburger nahmen Abschied. Dieter Nübler machte die letzten Fotos. Sie zeigen Gloria in einen schwarzen Schleier gehüllt und die drei Kinder, davor die Kränze. Gloria hatte Rosen gewählt, keine Nelken.

Infostück zur Schlagzeilen-Serie über Fürst Johannes:

Das Jetset-Leben von Fürst Johannes war den Boulevardmedien immer für eine Schlagzeile gut. Aber auch Nachrichtenmagazine und Wirtschaftszeitungen wollten den milliardenschweren Unternehmer porträtieren.

Der eingefleischte Junggeselle heiratete mit fast 54 Jahren Gräfin Gloria von Schönburg-Glauchau. Die junge Frau brachte frischen Wind ins Schloss und wurde zum Medien-Liebling.

Das Paar bekam drei Kinder: Maria-Theresia, Elisabeth und Albert. Alle drei Kinder versuchen, ihr Privatleben vor der Öffentlichkeit fernzuhalten, was bisher gut gelingt.

Fürst Johannes starb am 14. Dezember 1990 nach einer zweiten Herztransplantation. Sein Alleinerbe ist Fürst Albert, der aber derzeit noch seiner Mutter das Zepter überlässt.