Regensburg.
„Kents Kirzn o, Buam“, sagt der Pfarrer

In manchen Gegenden heißt heute noch der Kamin „Kenter“ oder „Kintl“.

28.03.2008 | Stand 28.03.2008, 18:56 Uhr

„Kents Kirzn o!“ So kann in der Sakristei der Pfarrer seine Ministranten zum Anzünden der Altarkerzen auffordern. „Kents“ ist die Befehlsform 2. Person Mehrzahl mit der obligatorischen Endung „-s“ (in der das bairische Pronomen „ees“ = ‚ihr‘ steckt). Selbst wenn man das Wort „anzünden“ gebraucht, steht die Endung „-s“ als unverzichtbarer Bestandteil der bairischen Grammatik. Ein jüngerer Pfarrer würde wohl eher sagen: „Zints d’Kerzn o!“ (Übrigens bildet „zünden“ im Dialekt die Vergangenheit unregelmäßig wie ein starkes Verb: „Habts as scho o-zuntn?“ – nicht „o-zindt“ oder „anzündt“.)

Bairisch „ankenden, o-kentn“ bedeutet dasselbe wie hochsprachlich „anzünden“. Die beiden Wörter scheinen miteinander verwandt zu sein, und auch mit lateinisch „(in)cendere“. Verblüffend ist die lautliche Nähe zu den isländischen Wörtern „kynda, kynding, kyndill“, die ‚heizen, Heizung, Fackel‘ bedeuten; letzterem entspricht im Althochdeutschen „kentila“ (Fackel, Kerze), wozu auch englisch „candle“ (Kerze) passt. „Kenden“ = ‚heizen‘ ist in Altbayern mittlerweile veraltet. Im 19. Jahrhundert hörte man laut Schmeller noch: „De Stubm is net zun Dakentn“ (die Stube ist nicht warm zu bringen), und im Bayerischen Wald hat man die Kienfackel „Kent“ genannt.

In bestimmten Gegenden Bayerns bezeichnet man heute noch den ‚Kamin‘ als „Kenter“ oder „Kintl“. Zum ‚schwarzen Mann‘ (der im Norden „Schornsteinfeger“ heißt) sagt man dort „Kenterkehrer (Kentakiara)“. In Bayern schriftsprachlich ist „Kaminkehrer“, in Österreich „Rauchfangkehrer“. Bei uns ist „Raufang-, Raafangkiara“ nur mundartlich verbreitet, in der Oberpfalz auch „Schlotfeger (Schloudfecha)“.

Abenteuerlich wie ein sprachgeschichtlicher Krimi klingt die Bedeutungsentwicklung des mundartlichen Verbs „keien“ im Sinne von ‚werfen, schmeißen, schleudern‘.

Auszugehen ist von „geheien“, woraus nach Ausfall der unbetonten e-Laute „ghein, kein“ wird (vgl. die mundartliche Aussprache „kerig“ für „gehörig“). Zugrunde liegt althochdeutsch „(ge)hîan“, was ‚heiraten‘ bedeutet, und zwar damals, vor tausend Jahren, im Sinne des körperlichen Vollzugs der Ehe. Dann hat sich die Bedeutung zunehmend verengt und verschlechtert. Im 14. Jahrhundert schiebt sich der Aspekt der Gewalt zunehmend in den Vordergrund: ‚aufs Kreuz legen, vergewaltigen, schänden‘, später dann ‚misshandeln, quälen‘. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein hatte „geheien (keien)“ einen anrüchigen Beigeschmack. Aus der Bedeutung ‚gewaltsamen Beischlaf erzwingen, flach legen, hinwerfen‘ ist schließlich ‚werfen‘ übrig geblieben. Heute wird das Wort ohne negative Assoziation verwendet (nach Werner König und Manfred Renn, Augsburg). „Des Glump derfst wegga kein (keia). Kei’s ins Eck hintre!“ hört man, oder beim Kartenspielen „Wer keit aus?“ In und um Regensburg gibt es die Spielart „keilen“ – wohl deshalb, weil man meint, es habe etwas mit „Keil“ zu tun. Wer würde schon vermuten, dass es mit „heiraten, heiern“ zusammenhängt?

Schade ist es, wenn derlei mundartliche Ausdrücke, die der Hochsprache fernstehen, immer seltener werden. Wenn jemand neben dem Schriftdeutschen auch einen Dialekt beherrscht, so ist dies ein Privileg, eine Zusatzqualifikation, eine Bereicherung – keinesfalls ein Defizit. Eltern, Kindergärtnerinnen und Lehrkräften, allen, denen Kinder und Jugendliche zur Erziehung anvertraut sind, sei ans Herz gelegt: „Dialekt macht schlau.“