Regensburg.
Warum nicht „Pfiat di“ statt „Tschüss“?

In Bayern grüßt man sich anders.

13.08.2008 | Stand 13.08.2008, 18:32 Uhr

Wer in Altbayern aufgewachsen ist, dem kommt bei einer Begegnung spontan „Grüß Gott“ oder „Griaß God“ über die Lippen (nicht „Guten Tag“) oder „Griaß di“ (statt „Hallo“). Die entsprechende Verabschiedung ist „Pfia God“ oder „Pfiat di God, Pfiat eich/eng/Eahna“ (statt „Tschüss“). Zuerst eine Bemerkung zum Lautlichen: In beiden Grußformeln geht das „ia“ auf den mittelhochdeutschen Zwielaut „üe“ zurück („grüezen, behüeten“), der nicht, wie in der Standardsprache, zu „ü“ monophthongiert wurde, sondern nur entrundet zu „ia“. Nichtbaiern kann der Anlaut von „pfia“ Schwierigkeiten bereiten. So erzählt eine Sächsin mit Kontakt zu einer Familie im Bayerischen Wald, bei der sie wiederholt die Ferien verbrachte, dass die Oma dort jedes Telefonat mit „Führ dich gut“ abschließt, und wie nett sie diese mütterliche Ermahnung findet. Ein Missverständnis, denn von „führen“ steckt da nichts drin, die Oma hat sich verabschiedet mit „Pfiat di God“. Das „pf = bf“ ist entstanden durch Assimilation der ungewöhnlichen Lautfolge „bh“, die nach dem Ausfall des „e“ entstand: „behüete“ wird zu „bhiat“ und dann zu „pfiat“. Bei „pfoltn“, der oberpfälzischen Aussprache von „behalten“, liegt dieselbe Lautangleichung vor.

Wir sind so sehr daran gewöhnt, dass „Gott“ am Ende des Ausdrucks steht und bemerken gar nicht, dass dies gegen eine Grundregel des deutschen Satzbaus verstößt. In Aussagesätzen muss das finite Verb als 2. Satzglied stehen; es bildet quasi die Drehachse, um die herum die anderen Satzglieder weitgehend frei angeordnet sein können. Bei Varianten wie „Gott grüße euch“, „Es grüße euch Gott“ oder auch „Euch grüße Gott“ stimmt die Satzachse, nicht aber bei „Grüß (euch) Gott“, wo an erster Stelle das Verb steht, so als handle es sich um eine Frage oder einen Befehl. Es liegt daher nicht fern, wenn Witzbolde auf „Grüß Gott“ erwidern: „Wenn ich ihn seh“. Dabei ist „Grüß Gott“ aber kein Befehl, sondern ein Wunsch im Konjunktiv Präsens (Optativ).

Sowohl die Wortstellung als auch das Wort „grüßen“ bedürfen einer Erklärung. „Grüßen“ hat neben seiner geläufigen Grundbedeutung auch die besondere Bedeutung „freundlich entgegenkommen“. Damit ergibt sich „Gott möge dir freundlich begegnen“ als Sinngehalt von „Grüß dich Gott“.

Außer in den genannten Grußformeln finden wir die gleiche ungewöhnliche Wortfolge in: „Helf (dir) Gott. Vergelt’s (dir) Gott. G(e)segn’s (dir) Gott“ – in der Bedeutung von „Gesundheit!“ (wenn jemand niest), als Dankesformel bzw. als Antwort darauf. Die Ursprünge kann man bei den irischen Missionaren vermuten, die das Christentum nach Süddeutschland brachten. Es handelt sich wohl um Lehnübersetzungen aus dem Irischen, einer keltischen Sprache, die das Subjekt grundsätzlich hinter das Verb setzt. Tatsächlich kennt das heutige Irisch vergleichbare Redewendungen wie „Segne dich Gott. Helfe uns Gott. Beschütze euch Gott. Lohne es euch Gott“. Der Einwand drängt sich auf, warum „Grüß euch Gott“ nicht einfach dem Vorbild der lateinischen Segensformel „Benedicat vos omnipotens Deus“ folgt. Dagegen spricht, dass „Grüß Gott“ ausschließlich im deutschsprachigen Süden, also im ehemaligen Missionsgebiet der Iren, verbreitet ist, weiter nördlich jedoch nicht, obwohl das Lateinische im Mittelalter dort ebenso die Kirchen- und Gelehrtensprache war.

In dem 1936 in irischer Sprache erschienenen Buch „An béal beo“ von Tomás Ó Máille findet sich die Feststellung, dass Bayern und Österreich neben Irland die einzigen Regionen Europas seien, wo zur Begrüßung anstelle von „Guten Tag“ die Formel „Grüß Gott“ üblich ist. Die Fußnote dazu lautet: „Es könnte sein, dass sie von den irischen Mönchen oder Heiligen, die den christlichen Glauben zu den Bewohnern des Südens von Deutschland brachten, die Formel „Grüß Gott“ erhielten – und zwar „i. ó Fheirgil, Chillian srl.“, also von Virgil, Kilian etc.