MZ-Serie
Ein Geisterfahrer brach ihr das Herz

Originale: Die Moderatorin Petra Schürmann war ein Star im Fernsehen. Der Tod ihrer Tochter machte ihr Leben zur Hölle.

23.06.2015 | Stand 16.09.2023, 7:08 Uhr
Petra Schürmann mit ihrer Tochter Alexandra Freund. Freunde meinten über die Beziehung: „Sie waren seelenverwandt“. −Foto: dpa

Als Petra Schürmann schon keine Silbe mehr über ihre Lippen bringt, da öffnet sie ihre Villa, genannt „Petra Polis“, am Starnberger See noch ein letztes Mal für ihr Publikum. Sie sitzt im Wohnzimmer und blättert in Fotoalben. Erinnerungen an eine glückliche Familie. Die Tochter bei der Einschulung, im Urlaub, bei Festen. Erinnerungen, die so weh tun, dass die Frau, die einst die schönste der Welt war, nun gebrechlich in ihrem Stuhl sitzt – mit eingefallenen Wangen und starrem Blick. Und stumm, denn der Schicksalsschlag hat ihr ihre Worte genommen. Es werden die letzten Bilder sein, die die Öffentlichkeit von Petra Schürmann zu sehen bekommt. Nach dem Porträt für die BR-Sendung „Lebenslinien“ zieht sie sich vollends zurück und wartet darauf, dass sie endlich wieder mit ihrer Tochter Alexandra vereint ist.

„Püppchen war ihr ganzes Glück“

Petra Schürmann und ihre Tochter Alexandra Freund – beide gehörten in den 1990er Jahren zu den beliebtesten Moderatoren beim Bayerischen Fernsehen. Manchmal arbeiteten sie auch zusammen, führten durch Galas und Fernsehsendungen. Alexandra Freund ist die einzige Tochter, entsprechend eng ist das Verhältnis. Selbst den Fernsehzuschauern blieb diese „besondere Chemie“ nicht verborgen. Schürmanns Freundin Prinzessin Ursula von Bayern sagte in einem Interview: „Tochter Alexandra, genannt Püppchen, war ihr ganzes Glück. Als Alexandra älter wurde, waren die beiden wie ein seelenverwandtes Paar“.

Petra Schürmann ist 34 Jahre alt, als sie 1967 ihre Tochter zur Welt brachte. Den Namen des Vaters verschwieg sie lange. Denn Dr. Gerhard Freund war zu diesem Zeitpunkt noch mit der Schauspielerin Marianne Koch verheiratet. In den 1960er Jahren ein Skandal. Sechs Jahre lang zog Schürmann Alexandra in einer Wohngemeinschaft groß. Erst dann war Freund frei für die Ehe. Bis zum Tod des Arztes im Jahr 2008 blieben sie ein Paar, auch wenn sie sich am Ende nichts mehr zu sagen hatten, weil beide in ihrer eigenen Art der Trauer gefangen waren.

Geboren wurde Petra Schürmann 1934 in Mönchengladbach, was erst bei ihrer Trauerfeier bekannt wurde. Sie studierte Philosophie und Kunstgeschichte. 1956 wurde sie in London als erste Deutsche zur Miss World gekürt und blieb bis heute die einzige. Ohne ihr Studium abzuschließen, begann Petra Schürmann als Ansagerin beim Bayerischen Fernsehen und wurde schnell zu einem der bekanntesten Gesichter des Senders. Sie moderierte für ARD und ZDF den Samstagsclub, das Verkehrsgericht oder die Nachmittagssendung „Wir in Bayern“.

Es war der 21. Juni 2001, der das bis dahin so glückliche Leben der Moderatorin auslöschte und ihr acht lange Jahre die Hölle auf Erden bereitete. Petra Schürmann war für eine Reportage aus dem Salzbergwerk in Bad Reichenhall gebucht. Weil sie sich nicht gut fühlte, sprang ihre Tochter für sie ein und macht sich an jenem Morgen auf der A 8 auf den Weg von München in Richtung Salzburg. Mit im Auto saß eine BR-Kollegin. Um 9 Uhr hörte Petra Schürmann in den Nachrichten von einem Geisterfahrer-Unfall bei Rosenheim. Und sie verspürte sofort eine große Unruhe, wie ihr Mann später dem Magazin „Stern“ erzählte. „Wir hatten ein ungeschriebenes Familiengesetz. Wenn einer unterwegs ist, ruft er kurz an und sagt, dass er gut angekommen ist. Das Telefon hätte irgendwann zwischen neun und zehn läuten müssen. Aber es läutete nicht.“ Am Mittag stand die Starnberger Polizei vor der Tür und überbrachte die Todesnachricht. Ein 23-jähriger, lebensmüder Mann hatte Alexandra Freund mit in den Tod gerissen – vier Wochen bevor sie heiraten wollte. Pater Anselm Bilgri, der eigentlich die Hochzeitsfeier leiten sollte, musste, selbst fassungslos, nun einen Trauergottesdienst vorbereiten.

„Kann dem Mörder nicht verzeihen“

Petra Schürmann erholte sich von diesem Schicksalsschlag nie mehr. Zunächst versuchte sie trotz ihrer tiefen Trauer noch Fernsehauftritte wahrzunehmen, sagte sogar für eine neue Sendung beim BR zu. Doch sie hatte nicht mehr die Kraft zu moderieren. Ihre Stimme, die ihr Markenzeichen war, begann zu versagen. Eine posttraumatische Belastungsstörung, die zudem mit Depressionen einher ging. „Ich kann dem Mörder nicht verzeihen“, tippte sie in ihr Handy, das durch die Wortfindungsstörung ihr Kommunikationsmittel geworden war. Der erste Gedanke am Morgen und der letzte Gedanke am Abend gehörten ihrer Tochter. Ihre Freundin Prinzessin Ursula von Bayern erzählte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass die Moderatorin vor dem Unfall sehr oft von ihrer Tochter geträumt hatte. „Immer denselben Traum: Beide gehen spazieren, das Kind läuft vor, plötzlich tut sich ein Abgrund auf, und das Püppchen steht auf der anderen Seite und ruft: ‚Mami, hilf mir doch. Hilf mir doch!‘“ Nach dem Tod der Tochter hatte Petra Schürmann diesen Traum nie wieder.

Die Moderatorin schrieb ein Buch „Und eine Nacht vergeht wie ein Jahr“, in dem sie versuchte, den Schmerz um „Püppchen“ zu verarbeiten. „Ich liebe dich, Alexandra, und habe eine unstillbare Sehnsucht nach dir. Doch jetzt trennen uns nicht nur zwei Türen voneinander, sondern Lichtjahre. Aber dann, wenn wir uns treffen, ist es wie eine Feierlichkeit.“

Als Petra Schürmann zwei Jahre nach ihrem Mann am 14. Januar 2010 starb, war ihre Freundin Ursula von Bayern bei ihr. „Ich wünsche ihr, dass der liebe Gott sie begleitet und sie ihre Tochter findet“, sagte sie, als die Todesnachricht bekannt wurde. Von der schönsten Frau der Welt bleibt kein Badeanzug-Foto in Erinnerung, sondern das Bild, auf dem sie, verhüllt in ein schwarzes Tuch, dem weißen Sarg ihrer Tochter folgt.