Glaube
„Corona kann auch ein Weckruf sein“

Regionaldekan Holger Kruschina aus Roding hat die Hoffnung, dass uns die Pandemie für andere Krisen fit macht.

09.06.2021 | Stand 16.09.2023, 2:29 Uhr
Holger Kruschina erwartet spannende Zeiten. −Foto: Bastian Schreiner

Regionaldekan Holger Kruschina macht sich Gedanken über die Folgen der Corona-Krise für die Kirche und den ersehnten Neustart:

„Wollen Sie den Computer herunterfahren oder nach dem Update neu starten?“ So ähnlich frage ihn sein beinahe wichtigstes Handwerkszeug regelmäßig. Es erinnere daran, dass ein „System“ nicht ewig weitergehe, sondern immer wieder mal auf den neuesten Stand gebracht werden müsse. Manchmal passiere das mitten in einem Arbeitsprozess und Kruschina müsse vielleicht sogar entscheiden, ob die Unterbrechung wichtiger sei als sein Gedankenfluss, damit am Ende nichts verloren-, sondern es auch weitergehe! Und weiter: „Mir kommen die letzten Monate so vor, als ob das ,System‘ eine gehörige, wenigstens unbemerkt schleichende Fehlfunktion gehabt hat, die vielleicht in einigen Jahren zu einem ,Crash‘ ganz anderen Ausmaßes, zu irreparablen Schäden geführt hätte. Corona kann auch als Weckruf für ein ,Update‘ verstanden werden.“

In der Gesellschaft gehe es um die Wirtschaft, die Bildung, die Technologie, den Zusammenhalt, das Krisenmanagement und vieles mehr. Eine Krise habe immer einen konstruktiven Ausgang (bei einem Konflikt gebe es dagegen nur Gewinner und Verlierer). „Es wird für uns als Zivilgesellschaft eine Herausforderung sein, uns zum Teil wiederzufinden und zum Teil neu zu erfinden“, so Kruschina. Im besten Fall mache es uns fähig, neue und akute Krisen anders zu meistern und einzusehen, dass auch eine schleichende, aber nicht minder folgenreiche Krise wie der Klimawandel nicht ausgesessen werden könne, sondern angegangen werden müsse.

„Bei einem Computer-Neustart nach einem Update zeigt sich oft, dass sich Programme verwandelt haben und ich neu lernen muss, mit diesen zu arbeiten. Bei mir bedeutet das jetzt ganz praktisch: Ich brauche ein neues Handy, weil die vielen jetzt notwendigen Apps auf meinem alten nicht mehr laufen würden. Ich bin kein Technik-Freak und, tja: ein älterer Herr. Das wird nicht leicht. Am Ende aber ist es notwendig. Das weiß ich“, schreibt Rodings Pfarrer.

„Wollen Sie herunterfahren oder neu starten?“ – Diese Frage stellt sich auch für uns als Kirche und Gemeinde. Nach über einem Jahr „Buchstabensystem“ und Abstand in der Kirche (ein Ende sei noch nicht in Sicht) werde es viele geben, die sich den Sonntag als Tag des Herrn und der Gemeinde so abgewöhnt haben, dass sie ihn (vermeintlich) nicht mehr brauchen.

Und weiter: „Schreiben wir sie als Verlust in der Krise ab? Oder wie versuchen wir, sie neu einzuladen? Ein ,harter Kern‘ hat sich dagegen nicht ins Bockshorn jagen lassen und vielleicht sogar neu entdeckt, welchen Schatz Glaube und Gemeinde bedeuten. Wie nehmen wir uns wahr? Wie stärken und verfestigen wir diesen positiven Aufbruch? Es liegen spannende Zeiten vor uns.“ (bs)