„Mobile Retter“
Smartphone-basiertes Ersthelfer-System soll im Landkreis Cham Leben retten

24.01.2023 | Stand 15.09.2023, 1:54 Uhr
Claudia Peinelt
Mobile Retter: Landrat Franz Löffler (li.), Professor Carsten Jungbauer, Oberarzt Innere Medizin, Julian Hupf, Notfallmedizin Regensburg (v. re.) stellten das Projekt vor. −Foto: Fotos: Claudia Peinelt

„Unser gemeinsames Ziel ist es, das Überleben von Patienten mit einem Herz-Kreislaufstillstand zu verbessern“, so Landrat Franz Löffler am Montagabend. Mit einem System, das in Regensburg bereits eingeführt wurde, könnte das funktionieren.

Im großen Sitzungssaal des Landratsamts hatte Löffler zusammen mit Professor Carsten Jungbauer, Oberarzt der Inneren Medizin, Kardiologie und Rhythmologie, und Julian Hupf, Facharzt für Innere Medizin und Notfallmedizin aus Regensburg, eingeladen.

Jedes Jahr erleiden in Deutschland über 50000 Menschen einen präklinischen Herz-Kreislauf-Stillstand. Bereits nach wenigen Minuten treten durch fehlende Sauerstoffversorgung zunehmende Schäden des Gehirns auf, falls keine Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen werden.

Quote verbessern

Mit jeder Minute, die verstreicht, bis eine Herzdruckmassage stattfindet, sinkt die Anzahl der Überlebenden um fünf Prozent. Aktuell liegt die Überlebensrate in Deutschland bei etwa zehn Prozent. In nur 41 Prozent der Fälle werden Wiederbelebungsmaßnahmen von Laien vor Eintreffen des Rettungsdienstes begonnen.

In diversen Projekten wurde versucht, diese Quote zu verbessern, so Jungbauer. Die Uniklinik Regensburg, der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Regensburg (ZRF) und die Stadt Regensburg haben in Zusammenarbeit mit dem Verein Mobile Retter im Frühjahr 2021 im Zuge eines Kooperationsvertrages das Mobile Retter-System in Stadt und Landkreis Regensburg eingeführt.

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Das Projektgebiet ist seit 1. Dezember 2022 durch einen Kooperationsvertrag auf die Landkreise Neumarkt und Cham ausgeweitet worden, so dass nun das ganze Gebiet des ZRF Regensburg Projektgebiet ist. Das Projekt läuft 27 Monate. Die Projektleitung bei der Uniklinik Regensburg hat Professor Carsten Jungbauer. Daneben wirkt auch der Arzt Julian Hupf mit. Das Projekt Mobile Retter richtet sich nur an Personen mit regelmäßiger Schulung in Herz-Lungen-Wiederbelebung, wie Rettungsdienstmitarbeiter, Pflegekräfte, Ärzte, Feuerwehren, Rettungsschwimmer, medizinische Fachangestellte, Medizinstudenten, betriebliche Erstheller und Polizeibeamte. Medizinische Laien können nicht aktiv als Ersthelfer teilnehmen. Entsprechend wurden zur Vorstellung des Projekts nur Teilnehmer der genannten Zielgruppen ausgewählt. Ziel aller Beteiligten ist es, das Überleben von Patienten mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand zu verbessern. Um dies zu erreichen, wird ein smartphone-basiertes Ersthelfersystem aufgebaut, um qualifizierte Fachkräfte in direkter Umgebung zu einem Patienten mit einem Kreislauf-Stillstand zu alarmieren und das therapiefreie Intervall bis zur Herzdruckmassage zu reduzieren.

Wird über die Integrierte Leitstelle Regensburg ein Herz-Kreislauf-Stillstand gemeldet, erfolgt neben der Alarmierung der regulären Rettungsmittel eine Aktivierung des Mobilen Retter-Systems. Registrierte Ersthelfer in der Nähe des Einsatzortes werden geortet und per App alarmiert. Entscheidet sich der Mobile Retter, den Einsatz anzunehmen, weist die App den Weg zum Einsatzort.

Erster Einsatz für Furtherin

Am vergangenen Sonntag gab es den ersten lebensrettende Einsatz einer Mobilen Retterin im Kreis Cham. Annalena Späth aus Furth im Wald war auf der B20 unterwegs. Die Mobile Retterin erzählte am Montagabend, wie sie ihren ersten Einsatz erlebt hat. Sie sei nach circa zwei Minuten beim Patienten am Hof angelangt, habe diesen an die acht Minuten reanimiert und sei nach kürzester Zeit vom herbeigeeilten Notarzt unterstützt worden. Der Patient sei mit dem Helikopter abtransportiert worden. Wie ihr der Notarzt bestätigt habe, habe sie einen großen Anteil daran, dass der Mann lebend nach Straubing ins Krankenhaus geflogen werden konnte – und mittlerweile sei er schon wieder zuhause.

Das Projekt Mobile Retter wird von der Studie Regensburger Reanimations App (REAP) wissenschaftlich begleitet. Die Studie wird von der Deutschen Herzstiftung gefördert und ermöglicht erst das Projekt „Mobile Retter Regensburg“. Das Ziel ist es, einen Wirksamkeitsnachweis für smartphone-basierte Ersthelfer-Systeme zu erbringen. Seit Juli 2021 hat es 412 Alarmierungen mit 324 Einsätzen gegeben, 59 Prozent davon vor oder mit dem Rettungsdienst und 38 Prozent vor dem Rettungsdienst.

Das Projekt hat im Landkreis Cham bereits 77 Mitglieder und, wie Rettungsdienstleiter Dominik Lommer sagt, erhoffe er sich bis zu 200. Insgesamt habe das Projekt momentan 1141 Mitglieder, die bei Nacht und Nebel Leben retten. Bei dem Ersthelfer-Projekt solle nicht nur der Patient überleben, er solle später auch wieder ohne Hilfe leben können.„Es zählt jeder Retter, und wir werden beständig dabei bleiben und weiter Werbung betreiben“.

Gut zu wissen

So kann man mobiler Retter werden:

Herunterladender APP/Registrieren im Mobilen Retter-System

UnterschriebeneTeilnahmevereinbarung

Vorlegender medizinischen Qualifikation

Teilnahmean Online-Training und Schulung (verbunden mit Reanimationstraining)