Aktion
Friseurin wirbt mit Hitler gegen Rechts

Der Friseursalon Boderwerk in Cham will die Welt ein bisschen schöner machen – nicht nur auf, sondern auch in den Köpfen.

04.03.2016 | Stand 16.09.2023, 6:55 Uhr
Jana Wolf

Ursula Gresser, die Inhaberin des Salons, hängt das Plakat der Aktion am Eingang ihres Ladens auf. Foto: Jana Wolf

Darf man mit einem Hitler-Bild Werbung machen? Diese Frage stellt sich Ursula Gresser nicht. Sie macht es einfach. Die Idee dahinter erklärt die Inhaberin des Chamer Friseursalons Boderwerk so: „Wir wollen auf das aufmerksam machen, was hier bei uns, in Bayern und auch in ganz Deutschland schief läuft.“

Mit „schief laufen“ meint Gresser den Rechtsradikalismus, der sich zur Zeit rasant ausbreitet. Und das nicht nur im Osten Deutschlands, wo sich rechtsradikale Ausschreitungen häufen. Auch vor der eigenen Tür beobachtet die 28-Jährige eine Tendenz, die ihr ganz und gar nicht gefällt. „Gerade in der Flüchtlingskrise bringt jeder seine negative Haltung zum Ausdruck und gibt Parolen wieder, die er irgendwo aufgeschnappt hat.“

Hitler ein „Waxing“ verpassen

Dem will Gresser etwas entgegensetzen und hat die Aktion „Waxing gegen Rechts“ initiiert. Auf dem Plakat und den Flyern, die für diese Aktion entworfen wurden, ist ein täuschend echtes Hitler-Bild zu sehen. Auf der Oberlippe des Diktators verbirgt sich – etwas versteckt – ein abziehbarer Papierstreifen. Mit dem Hinweis „Mach die Welt zu einem schöneren Ort“ kann man Hitler seinen strengen Bart abziehen – ihm also ein Waxing verpassen. Dabei verspricht der Laden, für jeden Kunden, der sich an der Aktion beteiligt, einen Euro an Exit-Deutschland zu spenden. Die Organisation hilft Aussteigern aus der rechtsradikalen Szene undbietet „Hilfe zur Selbsthilfe“, wie sie auf ihrer Webseite schreibt.

Um sich an der Aktion des Friseursalons zu beteiligen, muss man einen Termin für eine Rasur, einen Haarschnitt oder eben ein Waxing vereinbaren. Die Werbung gegen Rechts geht also einher mit Werbung in eigener Sache. Aus der Tatsache, dass die Aktion auch ihrem Geschäft zugute kommt, macht Inhaberin Gresser keinen Hehl. Auf dem Flyer wirbt sie selbstbewusst: „Deshalb tun wir das, was wir am besten können: Die Welt ein bisschen schöner machen.“ Sie sieht es als kleinen Beitrag zu einem großen politischen Problem, das alle etwas angeht.

Münchener Werbeagentur unterstützt die Aktion

Unterstützt wird die Aktion von der Münchener Werbeagentur Publicis Pixelpark. Zusammen mit einem Kameramann der Filmproduktionsfirma Rocket Studios, ebenfalls aus München, war ein Team der Agentur am Freitag in Cham. Im Friseursalon haben sie ein Video mit Gresser gedreht, das bald auf deren Homepage und der Facebook-Seite des Salons erscheinen soll. Dabei treiben die Münchner nicht nur das Marketing voran, sie stehen auch hinter der Idee. „Haltung zeigen ist heute so wichtig wie nie. Deshalb unterstützen wir Ursula bei ihrer Aktion“, sagt Dominic Hoffmann von Publicis Pixelpark.

Das Boderwerk legt offenbar Wert auf Haltung und Persönlichkeit. Sehen Sie hier einen Post, mit dem der Salon auf seiner Facebook-Seite neue Azubis anwirbt:

A REBEL SOUL – A BAVARIAN HEARTWir suchen den ersten historischen Azubi im Boderwerk! Echte Charaktermenschen und Pers...

Posted by Boderwerk on Freitag, 8. Januar 2016

Passanten sollen den Bart abziehen

Nach dem Dreh zog die Crew auf den Chamer Marktplatz und trug die Aktion erstmals nach außen. Gresser verteilte dort Flyer mit Hitler-Bild und ermunterte Passanten dazu, mit dem Papierstreifen den Bart abzuziehen. „Jeder kann etwas gegen Fremdenfeindlichkeit tun“, davon ist Gresser überzeugt. Den Mund aufzumachen und die eigene Meinung zu sagen, sei schon ein erster Schritt. Dass sie dafür mit einem sehr umstrittenen Bild wirbt, ist ihr die Sache offenbar wert.

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