Haarig
Kult um den Bart sprießt in Nürnberg

Als Thorsten Staudt seinen Nürnberger Barbershop eröffnete, wurde er belächelt. Nun liegt der Laden für Bartträger im Trend.

21.01.2016 | Stand 16.09.2023, 6:51 Uhr
Thomas Tijang
„Jimmy Ray’s Barbershop“-Chef Thorsten Staudt bearbeitet mit einer Bürste den Bart von Christian Kunder. −Foto: Tjiang

Einen Blick auf den neuen Männerkult rund um den Bart im Jimmy Ray’s Barbershop in Nürnberg (Kappengasse) zu werfen, ist höchstens für die halbe Menschheit möglich. An der Tür prangt ein Schild „Für Frauen verboten“ und Firmenchef Thorsten Staudt nimmt es damit ganz genau: „Ehefrauen oder Partnerinnen dürfen nicht mitkommen“. Das führt zwar immer wieder zu „Auseinandersetzungen“. Aber „die Männer schätzen es oder finden es lustig.“ Die „Kommunikation ist einfach anders.“ Frauen würden da stören.

Wer in dem Barbershop die Treppe nach oben zu zwei weiteren Barbierstühlen nehmen will, darf nicht nur nicht weiblich sein, sondern auch über 18 Jahre. Da findet sich für Kunden „eine gute Bar“, mit harten Sachen, es gibt sogar ein eigens für den Barbershop abgefülltes Whiskeyfass. Und das, was bei einem normalen Friseur der Wartebereich ist, ist bei Staudt eine Gamers Lounge. Da können die Männer nach Herzenslust daddeln, Super Mario lässt sich über eine Konsole spielen, aber auch einiges erst ab 18 Jahren.

Staudt, Friseurmeister in dritter Generation, hat 2003 das Friseurgeschäft nur für den Herrn eröffnet. Die strikte Trennung war für ihn die Antwort auf das Unisex-Konzept der Branche aus den 1980er Jahren. Damals glich sich die Formgebung bei Damen und Herren an, wenn Friseure nacheinander Frauen und Männer bedienten. Er wollte stattdessen „klare Rundungen für Frauenfrisuren, Kantiges für Männer“.

Vom Kunden eine „drumm Schellen“

Großvater Staudt, der 1919 sein Geschäft in Nürnberg eröffnet hatte, ist damals noch „für eine Rasur zu den Männern nach Haus gefahren“. Damals allerdings war es noch eine harte Zeit. Wer als Lehrling (Staudt: „Der hieß damals noch Stift“.) einem Kunden Rasierschaum in die Mundwinkel pinselte, bekam „vom Kunden eine drumm Schellen“.

Mittlerweile zelebriert Enkel Staudt die Nassrasur. „Wir arbeiten mit warmen Kompressen, kalten Kompressen und rasieren mit dem Strich und gegen den Strich.“ Das ist anders als mit Elektro- oder Nassrasierer vor dem eigenen Badezimmerspiegel. „Unsere klassische Nassrasur dauert eine halbe Stunde bis 45 Minuten.“

Das ist jetzt fast an der Tagesordnung, seitdem der Kult um das eigene Barthaar um sich greift. Noch im letzten Jahr gab es sogar eine Rasier-Flat, die ist mittlerweile wegen „zu viel Erfolg eingestellt“. Wer allerdings eine Flat-Karte ergattert hat, wird nach wie vor weiter bedient. Nur neue Kunden will Staudt so nicht mehr gewinnen. Das war allerdings am Anfang noch ganz anders. 2003 hätten ihn „viele Kollegen belächelt“. Und ehrlicherweise räumt er ein: „Es war auch nicht viel zu tun“.

Doch der Friseurspross blieb seiner Idee treu. Als er dann von Rockabilly-Clubs entdeckt und frequentiert wurde, kam der Durchbruch. Als „um 2010 der Bartkult aufkam“, waren Staudts Sorgen vorbei. Es ist eine neue Zielgruppe, denn der klassische Herrenkunde vertraut seinen Bart keiner Damenfriseurin an“, ist er sich sicher. Aber auch umgekehrt lehnen es viele Berufskolleginnen ab, einen Bart zu schneiden. „Man darf keinen Fehler machen“, weiß er. Denn der „Bart mit seiner individuellen Form ist eine Lebenseinstellung“.

So gibt es noch den rebellischen Drei-Tage-Bart oder den maskulin-erotischen Henriquatre, ein Rund-um-den-Mund-Bart benannt nach dem französischen König Heinrich IV. Der Klassiker ist allerdings der voluminöse und gut gepflegte Vollbart, der einem modernen Mann die Aura eines wilden Holzfällers verleiht.

Männer wollen Beständigkeit

Eng verwandt hiermit ist der Ducktail, zu Deutsch Entenschwanz. Das ist im Grunde ein Vollbart mit rasierten Wangenpartien, der spitz unter dem Kinn auf einem Punkt zuläuft und den reinen Individualisten kennzeichnen soll. Die Bartträger sind ebenso unterschiedlich, „quer durch alles Berufssparten vom Investmentbanker, über Handwerker bis zum Schüler“.

Der Bartträger Marke Outdoortyp hat „früher Probleme mit seiner Ehefrau“ bekommen, heute ist der Bart „bestens gepflegt“. Es gibt mittlerweile eine vegane Seife für die Bartwäsche, Rasier- & Bartöl auf Bio-Basis. Dann natürlich jede Menge Aftershaves, Cremes und Bartbürsten in verschiedenen Größen. Auch hier entdeckt Staudt Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Während Pflegeprodukte für Frauen mindestens einmal im Jahr verbessert, umdesignt oder sonst wie verändert werden, wollen Männer ein „Tonic, dass aussieht wie vor 40 Jahren“. Das passt zu seiner 1950er-Einrichtung und seiner weiteren Diagnose: „Männer mögen keine Veränderung.“ Zumindest nicht in diesem Fall.

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