Sonntagsfrühstück
Das Theater als notwendiges Ventil

Der Leiter des Regenburger Bauerntheaters, Andreas Kirner, spricht über seine Leidenschaft, seine Familie und seinen Job.

18.02.2017 | Stand 16.09.2023, 6:35 Uhr
Susanne Wolf

Marion Hornung, Andreas Kirner und Doris Somogyie in „Jacka“, wenn’s lafft, dann lafft’s“.Foto: Strasser

Andreas Kirner ist mit dem Regensburger Bauerntheater aufgewachsen und hat beim Theaterspiel seine Frau Cathrina kennen- und lieben gelernt. Nach dem Tod seiner Mutter Bärbel im Jahr 2011 hat er die Theaterleitung übernommen. Das Regensburger Bauerntheater kann auf eine 96-jährige Geschichte zurückblicken und wurde 2016 mit dem „Heimatpreis Bayern“ ausgezeichnet. Das Ensemble um Andreas Kirner präsentiert zwei Stücke pro Jahr, bei denen die Lachmuskeln der Zuschauer nicht geschont werden. Seit Januar steht „Wenn’s lafft, dann lafft’s!“ auf dem Programm. Kirner ist nicht nur Leiter des Regensburger Bauerntheaters, sondern auch Geschäftsführer der Software-Firma Gefasoft Engineering sowie Ehemann und Vater. Beim Gespräch mit der Sonntagszeitung verrät er, wie er Familie, Job und das Theaterspiel unter einen Hut bekommt.

Wie war es für Dich, in die Fußstapfen Deiner Mutter zu treten?

Man macht sich viele Gedanken. Am Anfang war es so, dass wir miteinander auf der Bühne gestanden sind. Da war es Spaß. In dem Moment, wo meine Mutter gestorben war und ich das alleine gemacht habe, da hatte ich echt Respekt vor der Aufgabe. Auf der einen Seite will man die Tradition aufrechterhalten, auf der anderen Seite wird einem immer wieder bewusst, in welch große Fußstapfen man da tritt und vergleicht alles.

Und was vergleicht man?

Ich bin mit dem Theater aufgewachsen und habe ganz viele Vorstellungen gesehen. Dann schaust du dir viele Schauspieler an, die im Lauf der Jahrzehnte auf der Bühne stehen. Durch das Zuschauen lernt man wahnsinnig viel. Von einer Vorstellung zur anderen sieht man, auch wenn es dasselbe Stück ist, aber eben immer auch ein anderes Publikum und man fragt sich: Wer macht was wie? Welche Auswirkungen hat das, wenn er vom Timing her ein bisschen anders ist? Wie reagieren dann die Leute? Noch einmal zu den Fußstapfen: Man versucht halt einfach, alles so gut wie möglich zu machen.

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Und wie gelingt Dir das?

Ich spreche vor jeder Vorstellung kurz mit meiner Mutter. Es gibt viele Szenen wie gerade im aktuellen Stück, in denen ich traurig bin und weine. Bei dieser Szene denke ich jedes Mal an sie, weil sie selbst oft solche Szenen hatte, in denen sie zum Beispiel die verschmähte Magd war. Das war immer eine Mischung aus herzzerreißend lustig und traurig. Ich denke dann oft an meine Mutter, weil sie das auch in der Art gemacht hat. Und dann versucht man, das auch in so eine Richtung zu bringen. Meine Frau Cathrina sagt oft, dass ich einiges genauso mache wie meine Mutter. Zum Beispiel von der Betonung her. Es gibt halt immer mal wieder Parallelen.

Du schlüpfst ja auch gerne mal in kleine Rollen?

Gerade die kleinen Rollen haben ihre tollen und spannenden Seiten. Meine Mutter hat gesagt: „Kleine Rollen sind Abstauberrollen.“ Und als Theaterleiter muss ich nicht immer die großen Rollen besetzen. Man kann auch aus einer kleinen Rolle etwas machen, sodass die Leute aus dem Theater rausgehen, sich an diese kleine Rolle erinnern und darüber lachen. Man kann wahnsinnig viel Charakter und Nuancen reinbringen. In einer großen Rolle weiß man, in welche Richtung es geht, bei einer kleinen Rolle kann man spielen und rumprobieren. Das ist super!

Durch das Theaterspiel Deiner Mama warst Du bestimmt als Kind oft mit im Theater?

Ja klar.

Hat Dich das nicht ab und zu genervt? Wolltest Du nicht lieber spielen, anstatt nur zuzuschauen?

Wir haben beide schon immer eine große Liebe zum Theater gehabt. Für mich war es als Kind das Normalste auf der Welt, dass man ein Theater hat. Einmal haben wir Kinder uns amüsiert, als wir mit dem Theater ins Colosseum gezogen sind. Da haben wir drei Briefe bekommen, auf denen stand „Herr Direktor“ (lacht herzlich). Wir fanden es lustig, dass unser Vater als Theaterleiter als „Herr Direktor“ bezeichnet wurde. Natürlich gab es als Teenager eine Phase, in der man Theater uncool fand. Aber das, was meine Eltern gemacht haben, fand ich immer schön. Ich hatte nie eine Phase, in der ich gesagt habe: ,Ich mag nicht in unser Theater gehen.’ In den 80er-Jahren war es für meine Mitschüler und Freunde uncool, dass wir ein Theater haben. In der Zeit war das nicht so hipp in meinem Bekanntenkreis.

Und heute?

Na, man muss ja sagen, dass sich das in den letzten zehn bis 20 Jahren sehr verändert hat! Heute kann man sagen, dass Theater schon fast wieder Kult ist. Also nicht nur das Bauerntheater, sondern auch das Turmtheater und die kleinen Kunstbühnen. Das hat heute, Gott sei Dank, wieder alles einen anderen Stellenwert.

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Wie bist Du zum Theaterspielen gekommen?

Ich hab’ mir immer gedacht: ,Ich kann das ja irgendwann mal ausprobieren, das mit dem Theater. Ich habe da ja keinen Leidensdruck.’ Berufsbedingt war ich lange im Ausland unterwegs, da war also keine Gelegenheit. Zu meinen Eltern habe ich einmal gesagt, als sie mich zum Spielen ermutigt haben: ,Das kommt ganz auf die Liebhaberin an, dann spiele ich schon einmal.’ Ich habe aber lange an der Theaterkasse, in der Küche und hinter den Kulissen mitgeholfen.

Kannst Du Dich noch an Deine erste Rolle erinnern?

Na klar. Das war 2002 oder 2003. Da waren gerade meine Reisen vorbei. Wir saßen Sonntagmittag beim Essen, auf einmal schimpft meine Mutter und kriegt die totale Krise. Dass die Vorstellung am nächsten Samstag auf der Kippe steht, weil einer ausfällt. Ich habe gesagt: ,Na, das ist ja eine ganz kleine Rolle. Das würde ich jetzt auch auf eine Woche schaffen.’ Meine Mutter hat geschaut und gesagt: ,Mei Seppi, des machst!’ Sie hat mich immer ,Seppi’ genannt. Wir mussten dann jeden Tag proben. Ich kannte die Rolle nur von meinem Vorgänger. Ich habe bei der ersten gemeinsamen Probe nur eine andere Handbewegung gemacht als er – und alle haben sich schiefgelacht. Das fand ich erstaunlich. Das war die Initialzündung dafür, dass ich gesagt habe: ,Das mache ich.’ Samstags war die Vorstellung. Ich war mittags schon so nervös, dass ich nix runtergebracht habe. Ich war total fertig und hatte einen Puls von 800 (lacht).

Hat dann alles geklappt?

Ja, es hat geklappt. Beim zweiten Mal war ich nicht mehr so nervös. Aber es war immer wieder so ein Spaß, dass ich seitdem, auch wenn es eine kleine Rolle war, infiziert war. Ab diesem Zeitpunkt fand ich es schade, dass ich das Theaterspielen nicht schon früher angefangen habe.

Bist Du eigentlich heute noch nervös, wenn Du auf die Bühne gehst?

Ich war mein Leben lang furchtbar nervös. Einmal hatte ich eine Schulung in San Francisco. Da ging es nur darum, dass sich jeder vorstellt. Bis ich dann endlich dran war, hatte ich schon einen Puls von 200. Das war immer so. Da hat mir das Theater wahnsinnig geholfen. Es hilft, frei zu reden. Seitdem bin ich nicht mehr ganz so nervös. Aber bei der Premiere ist man trotzdem immer aufgeregt. Das ist klar. Bei der normalen Vorstellung ist man ,nur’ noch angespannt.

Wahrscheinlich tut das Adrenalin gut, oder?

Ja. Diese Anspannung und ein bisschen Adrenalin braucht man, damit man gut spielt.

Auf der Bühne bist Du ein anderer Mensch als im normalen Leben. Wie gelingt es Dir, in andere Rollen zu schlüpfen?

In diesem Moment bist du einfach die andere Person. Wenn du dich aufregst, dann regst du dich auf, hast einen hohen Puls und schreist auch mal. Man schlüpft ziemlich in die Rolle rein. Das fängt beim Proben an. Man freundet sich mit der Rolle an und je mehr man probt, umso mehr Facetten und Eigenheiten entdeckt man an der Person und forciert sie, damit sie lustiger ist. Man spielt das nicht nur, sondern schlüpft in diesem Moment dann echt in die Rolle rein.

Wenn sich der Vorhang schließt, „wirft“ man dann die Figur wieder von sich ab?

Mehr oder weniger. Wenn ich manchmal irgendeine Eigenart wie Humpeln auf der Bühne spiele, dann humple ich nach dem Stück erst mal von der Bühne runter. Das ist so im Kopf drin, dass man nach der Aufführung ein bisschen braucht, bis man da wieder rausschlüpft.

Wie kriegst Du Familie, Firma und Theater unter einen Hut?

Das ist schwierig. Zum einen arbeite ich unter der Woche oft lange und kann meine Jungs dann oft nur noch ins Bett bringen. Stehen dann noch Proben auf dem Programm, ist das gar nicht so einfach. In den Theater- oder Schulferien nehme ich mir wirklich Zeit für die Kinder, damit ich das ein bisschen wettmachen und die gemeinsame Zeit mit meiner Familie genießen kann.

Das Theater siehst Du als Ausgleich zur Arbeit?

Unbedingt! Ohne Theater bräuchte ich ein anderes Ventil. Manche Leute machen Sport, ich mache Theater. Es gibt nichts, das so ablenkt wie das Theaterspiel. Weil du in dem Moment halt einfach alles andere ablegst.

Aber Du hast noch ein anderes Hobby, so viel ich weiß!?

Echt? Was denn?

Du sammelst doch irgendetwas?

(lacht) Ach ja: Bären. Mei, das ist so ein Tick. Seit dem Stück ,Die Wundersau’ kommen immer wieder welche mit auf die Bühne. Das ist ein Ritual: Ich gehe mit meinen Jungs in den Keller, wo sie einen Bären aussuchen, der schön groß ist und schauspielerisches Talent hat. Das ist aber kein Hobby, ich habe eher eine Schwäche für Bären. Das ist ein eigenes Thema. Wenn wir irgendwo sind und 20 Teddys in einem Regal sitzen, schaut ja jeder anders. Wenn mich dann einer nett anlächelt und sagt: ,Nimm mich mit!’, dann nehm’ ich ihn mit. Das ist super, weil meine Kinder eben auch so auf Bären stehen. Ich habe schon mal gelesen, dass Christopher Lambert, der den Highlander gespielt hat, denselben Tick hat: Der steht auch auf Bären.

Hast Du noch ein weiteres Hobby?

Ja. Ich spiele Klavier. Ich habe früher schon mal gespielt, dann aber jahrelang nicht. Und seit Kurzem nehme ich wieder Klavierunterricht und muss jede Woche üben

Ende 2016 hat das Bauerntheater den „Heimatpreis Regensburg“ bekommen. Welches Gefühl war das?

(grinst) Vorab dachten wir ja, dass es Spam ist. Es war für mich abwegig, dass wir irgendeinen Preis bekommen. Wir haben noch nie einen gekriegt und ich dachte: Für was sollen wir jetzt einen bekommen? Das ist eine Anerkennung für alles, was bisher war. Eine Anerkennung für diese lange Tradition, zu der alle beitragen, die seit den Anfängen auf der Bühne stehen. Es ist etwas ganz Besonderes für uns, und wir fühlen uns total geehrt. Wir waren stolz wie Lumpi!

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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